Weiteres Besuchsverbot gegen Imrali-Gefangene verhängt

Dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan ist erneut ein dreimonatiges Kontaktverbot zu seinen Angehörigen erteilt worden, auch seine Mitgefangenen sind betroffen. Begründet wird der Vorgang wie allzu oft mit einer vermeintlichen „Disziplinarstrafe“.

Isolation

Gegen Abdullah Öcalan ist erneut ein dreimonatiges Kontaktverbot zu seinen Angehörigen verhängt worden. Das teilte die Anwaltskanzlei Asrin am Dienstag in Istanbul mit. Auch Öcalans Mitgefangene auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş, dürfen keinen Besuch von Familienmitgliedern empfangen. Begründet wurde die Maßnahme vom Vollstreckungsgericht Bursa demnach mit einer „neuen Disziplinarstrafe“, die bereits Ende März gegen die Imrali-Gefangenen verhängt worden sei.

Die Auskunft über das neuerliche Besuchsverbot erhielt die Kanzlei Asrin, die Öcalan seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung in die Türkei vor 25 Jahren juristisch vertritt, erst durch einen abgewiesenen Besuchsantrag. Ein Einspruch dagegen sei mit Verweis auf die mittlerweile eingetretene Rechtskraft von den Justizbehörden abgewiesen worden. Darüber hinaus ist Asrin auch die Einsicht in die Akte verweigert worden. Das Rechtsbüro weiß somit nicht, warum seine Mandanten mit einer „disziplinarrechtlichen Maßnahme“ abgestraft wurden. Eine Begründung dafür, warum der Verteidigung die Aushändigung einer Kopie der Unterlagen verweigert wird, obwohl hierauf Anspruch besteht, legten die Behörden ebenfalls nicht vor.

Die türkische Justiz erteilt in regelmäßigen Abständen Kontaktsperren in Höhe von drei oder sechs Monaten gegen die Imrali-Gefangenen, um ihren Kontakt zur Außenwelt zu unterbinden. Begründet wird das Vorgehen im Copy-Paste-Verfahren mit Disziplinarmaßnahmen aufgrund von vermeintlichem „Fehlverhalten der Gefangenen“. Erklärungen, für welche Handlungen die Strafen verhängt wurden, sind eher selten. Mehrmals wurde jedoch die 2009 von Öcalan verfasste „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde, für Besuchsverbot auf Imrali herangezogen.

Abdullah Öcalan befindet sich seit dem 15. Februar 1999 in türkischer Gefangenschaft. Seine Verschleppung aus Kenia in die Türkei erfolgte im Zuge einer internationalen Geheimdienstoperation, an der unter anderem der CIA und Mossad beteiligt waren. Der türkische Staat fungiert in internationaler Absprache als Gefängniswächter, um den kurdischen Vordenker von der Öffentlichkeit zu isolieren und seine Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaftsordnung zu unterdrücken. Der letzte Familienbesuch auf der Insel wurde im März 2020 abgesegnet. Ein Jahr später kam – bedingt durch eine internationale Protestwelle gegen die Isolation – ein Telefongespräch zwischen Abdullah Öcalan und seinem Bruder zustande, das nach wenigen Minuten aus unbekannten Gründen unterbrochen wurde.

Anwaltsverbot noch länger in Kraft

Das Anwaltsverbot für die Imrali-Gefangenen gilt sogar noch länger. Der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan hatte am 7. August 2019 stattgefunden. Seine Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş haben seit ihrer Verlegung auf Imrali im Jahr 2015 noch nie mit ihrer Rechtsvertretung sprechen können. Dabei verstößt das Verbot von Anwaltsbesuchen auf Imrali offen gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) und gegen das türkische Vollzugsgesetz Nr. 5275. Staaten sind verpflichtet, die Ausübung der Rechte von Gefangenen und Verurteilten ohne Rücksicht auf ihre Identität oder die Qualität ihrer Strafe zu gewährleisten. Doch die türkische Justiz ist nicht gewillt, die menschenverachtenden Haftbedingungen auf Imrali zu korrigieren und hält an einer Behandlung nach Feindstrafrecht fest. Wurden Besuche des Rechtsbeistands in der Vergangenheit unter dem Vorwand widriger Wetterbedingungen oder eines Defekts der für die Überfahrt nach Imrali vorgesehenen Fähre verhindert, werden die Besuchsanträge seit Jahren ebenfalls aufgrund vermeintlicher Disziplinarmaßnahmen zurückgewiesen.