Kriminalisierung legitimer Proteste
Die Menschenrechtssprecher:innen der Grünen Wien, die 2014 selbst vor Ort in Kobanê waren, äußern tiefe Besorgnis über den Schauprozess gegen den früheren HDP-Vorstand in der Türkei und kritisieren die jüngsten Gerichtsurteile in diesem Zusammenhang scharf: „Diese Entwicklungen werfen einen alarmierenden Schatten auf die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei und stellen einen direkten Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie und Menschenrechte dar“, sagte Berîvan Aslan am Freitag in Wien. „Die Verurteilungen von Aktivist:innen während des Prozesses sind ein klarer Versuch, Kritik zum Schweigen zu bringen und jegliche Form des legitimen Protests zu kriminalisieren“, ergänzte Niki Kunrath.
Am Donnerstag sind 24 der insgesamt 108 Angeklagten in dem als „Kobanê-Verfahren“ bekannten Schauprozess gegen Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und kurdische Befreiungsbewegung, darunter der gesamte Vorstand der HDP, im Zusammenhang mit den Protesten während des IS-Angriffs auf die kurdische Stadt Kobanê im Oktober 2014 wegen Separatismusverdachts und Terrorismusvorwürfen zu teils drakonischen Haftstrafen verurteilt worden. Mit der höchsten Strafe wurde der seit 2016 inhaftierte und frühere Ko-Vorsitzende der Partei, Selahattin Demirtaş belegt. Er bekam 42 Jahre Freiheitsstrafe. Figen Yüksekdağ, die neben Demirtaş zur genderparitätischen Doppelspitze der HDP gehörte, erhielt mehr als 30 Jahre Haft. Zwölf Beschuldigte wurden freigesprochen, das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten geht abgetrennt weiter.
„Es ist unerlässlich, dass die Türkei ihre internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte einhält und sicherstellt, dass alle Bürger:innen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ungehindert ausüben können“, betonten Aslan und Kunrath: „Wir fordern die türkische Regierung auf, die Urteile des EGMR nicht zu ignorieren und die zu Unrecht inhaftierten Oppositionspolitiker:innen und Aktivist:innen freizulassen.“ Außenminister Alexander Schallenberg dürfe diese „Willkürjustiz“ nicht länger dulden. Die Wiener Grünen stünden jedenfalls solidarisch an der Seite aller, „die sich für Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit in der Türkei einsetzen. Wir werden die Situation in der Türkei weiterhin aufmerksam verfolgen und uns für eine gerechte und demokratische Gesellschaft einsetzen".