Nazım Daştan und Cihan Bilgin
Die Türkei verweigert offenbar die Überführung der bei einem türkischen Drohnenangriff in Nordsyrien getöteten Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin. Wie die Zweigstelle des Menschenrechtsverein IHD in Amed (tr. Diyarbakır) mitteilte, sollen sowohl das Außenministerium in Ankara als auch die parlamentarische Menschenrechtskommission einen von der Organisation an Heiligabend gestellten Antrag für die Überführung der Getöteten in ihre Heimatorte ignorieren. Auch das türkische Generalkonsulat in Hewlêr (Erbil) in der Kurdistan-Region des Irak habe ein entsprechendes Gesuch bisher unbeantwortet gelassen. Der IHD verurteilte das Vorgehen als menschenverachtend und forderte die Behörden zum Einlenken auf. „Alle Menschen haben das Recht, in Würde bestattet zu werden“, betonte die Organisation. Die Angehörigen würden diesen Zustand der Ungewissheit als psychische Folter empfinden.
Nazım Daştan und Cihan Bilgin stammten beide aus Nordkurdistan, arbeiteten jedoch seit Jahren für kurdische Medieneinrichtungen in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien. Am 19. Dezember befanden sie sich auf dem Rückweg von einer Reportage über das Kampfgeschehen zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der pro-türkischen Söldnertruppe SNA an der Tişrîn-Front am Euphrat, als ihr als „Pressefahrzeug“ gekennzeichneter Wagen gezielt von einer türkischen Drohne erfasst wurde. Die beiden Journalist:innen waren sofort tot, ihr Fahrer wurde verletzt.
Abschiedszeremonie für Nazım Daştan und Cihan Bilgin gestern in Qamişlo © ANF
Am Montag fand im nordostsyrischen Qamişlo eine Abschiedszeremonie für Daştan und Bilgin statt. Etwa zeitgleich machte sich eine Delegation aus Angehörigen und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen in Silopiya auf den Weg zum türkisch-irakischen Grenzübergang Habur/Ibrahîm Xelîl. Die Abordnung, der auch der DEM-Abgeordnete Kamuran Tanhan sowie Mitglieder der Juristenvereinigung ÖHD und des Journalistenvereins DFG angehören, wollte die Überführung der Leichname Daştans und Bilgins über die KRI in die Türkei begleiten. Doch der Gruppe wird die Ausreise faktisch verweigert.
Politiker kritisiert türkische Nekropolitik
„Zunächst hieß es, die Fahrzeugscanner seien defekt”, erklärte Tanhan heute. „Sechs Stunden lang wurden wir unter diesem Vorwand nicht durchgelassen, während alle anderen Autos die Kontrollstelle passieren konnten. Inzwischen harren wir an der Passkontrolle aus. Hier heißt es, es gebe ein technisches Problem – das aber augenscheinlich nur uns betrifft.” Es gebe wohl Anweisungen von „übergeordneten Behörden”, die Delegation nicht außerhalb des Landes beziehungsweise die Leichen der Getöteten nicht ins Land zu lassen. „Mittlerweile harren wir seit rund 20 Stunden an der Grenze aus“, so Tanhan am Mittag. Er verurteilte das Vorgehen scharf. Der Vorgang stehe symbolhaft für die türkische Nekropolitik gegen die kurdische Gesellschaft.