Angriff mittels Double-Tab-Taktik
Bei einem neuen türkischen Drohnenangriff auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien ist in Kobanê ein schwerer Brand ausgebrochen, mindestens zwei Menschen sind ums Leben gekommen und zwei weitere schwer verletzt worden. Bei den Getöteten handelt es sich offenbar um ein Ehepaar. An mehreren Gebäuden sei zudem erheblicher Sachschaden entstanden, teilte die Behörde für innere Sicherheit (Asayîş) mit.
Der Angriff zielte auf ein Wohnhaus in einem belebten Viertel im Westen der Stadt. Nach Asayîş-Angaben erfolgte die Bombardierung im Rahmen eines sogenannten Double Tab. Dabei handelt es sich um eine geächtete Taktik, bei der das gleiche Ziel zweimal nacheinander angegriffen wird, um beim zweiten Schlag primär Rettungskräfte und Ersthelfer:innen zu treffen. In Nord- und Ostsyrien kommt es häufig zu Doppelschlägen türkischer Drohnen.
Asayîş: Absolut verwerflicher Akt
„Dieser feige Angriff auf unschuldige Menschen ist ein absolut verwerflicher Akt, der internationale Gesetze und Menschenrechte zutiefst verletzt“, betonte die Generalkommandantur der Asayîş in einer Mitteilung. Er setze „die abscheuliche Reihe systematischer Angriffe“ der Türkei und von ihr gesteuerten Dschihadistenmilizen fort, durch die die Zivilbevölkerung in den Gebieten der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) „terrorisiert“ und der Frieden und die Stabilität „nachhaltig zerstört“ werden sollen.
Die internationale Gemeinschaft und ihre Organisationen müssten ihren Verpflichtungen gegenüber dem humanitären Völkerrecht handeln und Maßnahmen für ein Ende der Gewalt ergreifen, forderte die Behörde. Sie prangerte an, dass mutmaßliche Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat und dessen Verbündete im Westen kaum Beachtung fänden.
Unbeachteter Drohnenkrieg
Türkische Drohnenangriffe gehören seit Jahren zur Routine in Nord- und Ostsyrien. Die Türkei führt einen von der internationalen Öffentlichkeit weitgehend unbeachteten Drohnenkrieg gegen die DAANES und begründet dies damit, „Terrorismus“ bekämpfen zu wollen. Bei den Opfern handelt es sich in der Regel um Zivilpersonen und Angehörige von Autonomiebehörden oder militärischen Kärften. Seit dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Baschar al-Assad Anfang Dezember und einer parallel dazu gestarteten Besatzungsoffensive der unter türkischer Kontrolle stehenden Dschihadistenallianz „Syrische Nationalarmee“ (SNA), eskaliert der Drohnenterror. Auch der Artilleriebeschuss wird verstärkt.
Mindestens 103 getötete Zivilist:innen seit Dezember
Den Daten der NGO Rojava Information Center (RIC) zufolge wurden seit dem 1. Dezember 2024 mindestens 103 Zivilist:innen in der nordostsyrischen Autonomieregion durch Angriffe der Türkei oder SNA getötet, hunderte weitere Menschen sind verletzt worden. Allein 22 Tote und über 200 Verletzte aus der Zivilbevölkerung forderten die Bombardierungen der seit drei Wochen andauernden Friedenswache an der Tişrîn-Talsperre südlich von Kobanê. Zwölf Todesopfer forderte ein Drohnenangriff am gestrigen Dienstag auf einen belebten Markt in der Gemeinde Sirrîn.