Permanent People’s Tribunal
Das Permanent People’s Tribunal (PPT) wird am 5. und 6. Februar Anhörungen in Brüssel durchführen, um den Vorwürfen gegen die Türkei wegen Völkerrechtsverstößen nachzugehen. Die Befragungen werden an der Vrije Universität stattfinden und sich auf schwerwiegende Anschuldigungen wie Vertreibung, den Einsatz verbotener Waffen, gezielte Attentate, Folter und die Zerstörung kulturellen Erbes konzentrieren.
Das Tribunal wird sich auf diejenigen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit konzentrieren, die der Türkei und mit ihr verbundenen paramilitärischen Gruppen seit 2018 in Rojava vorgeworfen werden. Insbesondere die Eskalation der Angriffe auf die verschiedenen ethnischen Gruppen in der Region durch die Türkei und ihre dschihadistischen Verbündeten wird im Fokus stehen.
Schwerpunkte der Untersuchung werden sein:
1. Zwangsvertreibung
Aussagen von Zeug:innen werden die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus den von der Türkei 2018 und 2019 besetzten Gebieten Efrîn (Afrin) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) dokumentieren. Diese Besetzungen führten zu erheblichen demografischen Veränderungen und gingen mit Kriegsverbrechen wie Entführungen und geschlechtsspezifischer Gewalt einher.
2. Einsatz verbotener Waffen
Es sollen Beweise für den Einsatz verbotener Waffen wie Weißphosphor vorgelegt werden. Insbesondere auch für deren Einsatz gegen die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur, einschließlich Schulen und Krankenhäuser.
3. Gezielte Attentate und Massaker an Zivilisten:
Der Mord an der prominenten kurdischen Politikerin und Friedensaktivistin Hevrîn Xelef und andere Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung werden untersucht.
4. Zerstörung kulturellen Erbes
Die systematische Zerstörung und Plünderung kultureller Stätten, darunter heiliger êzidischer Schreine, wird als Verletzung internationaler Abkommen zum Schutz des kulturellen Erbes dokumentiert.
5. Folter und willkürliche Inhaftierungen
Berichte über Folter und willkürliche Festnahmen werden als Teil einer umfassenderen Strategie zur Unterdrückung der kulturellen und ethnischen Identität der Bevölkerung vorgestellt.
Ziel des Tribunals
Das Permanent People’s Tribunal wurde auf formelle Anfrage von Menschenrechts- und Rechtsorganisationen aus Europa sowie Nord- und Ostsyrien einberufen. Ziel dieser Organisationen ist es, die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen in der Region öffentlich zu machen und die Straffreiheit der Täter zu beenden. Das Tribunal betont, dass die Maßnahmen der türkischen Regierung darauf abzielten, das emanzipatorische Potenzial der Rojava-Revolution zu unterdrücken und das demokratische Modell in der Region zu zerstören.
Medienorganisationen und Pressevertreter:innen sind eingeladen, an dieser wichtigen Sitzung teilzunehmen, die Zugang zu Aussagen von Zeug:innen, Analysen Sachverständiger sowie einer Fülle von Beweisen über die Situation in Rojava bieten wird. Bei Interesse kann sich bis zum 15. Januar an [email protected] gewendet werden. Genauere Informationen sind unter https://rojavapeoplestribunal.org/ verfügbar.
Das PPT
Das Permanente Völkertribunal ist angelehnt an das „Russel-Tribunal”, das auf Initiative des britischen Mathematikers, Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Lord Bertrand Russell und Ken Coates erstmals 1966 stattfand. Ziel war die Untersuchung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen seitens der US-Armee im Vietnamkrieg. Das PPT wurde 1979 als von Staaten unabhängige internationale Institution im italienischen Bologna gegründet. Seit dem hat es über 50 Sitzungen zu Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Ländern abgehalten.
Das 1979 in Italien gegründete PPT hat sich in der Vergangenheit mit Themen wie der Unterdrückung von Minderheitenrechten, einschließlich des kurdischen Volkes, und der Politik der internationalen Finanzinstitutionen befasst. Die Anhörungen haben die Aufgabe, das Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen zu schärfen und die Rechenschaftspflicht zu fördern.
Bereits 2018 wurde ein ähnliches Tribunal organisiert, um Verletzungen des internationalen und humanitären Rechts durch die Türkei gegen kurdische Menschen und Organisationen zu untersuchen.
Anmerkung zur Schreibweise „Yezide“: Im deutschen Sprachraum ist Jesidin/Jeside, hin und wieder auch Yezidin/Yezide gebräuchlich. Die Gesellschaft Ezidischer Akademiker:innen (GEA) empfiehlt die von der überwiegenden Mehrheit der Ezid:innen gebrauchte Schreibweise Ezidin/Ezide, da diese sich an der kurdischen Selbstbezeichnung „Êzîdî“, „Ezda“ oder „Ezdayî“ orientiert; „Ezda“ bedeutet im Kurdischen: „Der, der mich erschaffen hat“. ANF verwendet in eigenen Texten die Schreibweise„ezidisch“.