Kurdische Europaverbände äußern sich zu Öcalans Aufruf

Die TJK-E und der KCDK-E haben vor dem Friedensaufruf Öcalans einen Brief von ihm erhalten. Sie sehen daher ihre Verantwortung im aktuellen zivilgesellschaftlichen Prozess. Insbesondere an die EU richten die beiden Dachverbände Appelle.

TJK-E und KCDK-E: Schritte für den Frieden

Die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) und der europaweite Dachverband kurdischer Vereine (KCDK-E) haben sich auf einer gemeinsamen öffentlichen Pressekonferenz in Brüssel zu dem Aufruf von Abdullah Öcalan zur Auflösung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und einem Ende des bewaffneten Kampfes in der Türkei geäußert. Bei der auf dem Place du Luxembourg abgehaltenen Presseerklärung gaben die beiden Verbände am Mittwoch bekannt, dass sie vor dem historischen Aufruf Öcalans vor knapp einer Woche einen Brief des PKK-Begründers erhalten haben, in dem der 75-Jährige ihre Meinungen zu seinen Vorschlägen eingeholt habe. Die TJK-E und der KCDK-E sehen eine enorme Bedeutung für den Erfolg von Frieden und Demokratie in der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit mit linken und progressiven Kräften in Europa unter der Führung der Frauen. Des Weiteren rufen sie die EU insbesondere zur Entkriminalisierung der Kurd:innen auf sowie zu konkreten Schritten, die eine Amnestie für Abdullah Öcalan begünstigen würden.

Aufruf löste Freude aus

Die gemeinsame Erklärung wurde mit dem Verweis auf die Freude und Begeisterung eingeleitet, die der Friedens- und Demokratieaufruf von Abdullah Öcalan bei den in Europa lebenden Kurd:innen ausgelöst habe. Beide Organisationen dankten dem kurdischen Vordenker ausdrücklich für den demokratischen und inklusiven Ansatz, ihre Meinungen einzuholen. „Wir sehen uns in der Verantwortung für die Umsetzung des Aufrufs und bekräftigen, dass wird den Kampf für Frieden und Demokratie in der Region mit aller Kraft verstärken werden“, lautete der gemeinsame Tenor.

Kurdische Frauenbewegung ist sich auch in Europa ihrer Rolle bewusst

Die kurdische Frauenbewegung erklärte, sich ihrer leitenden Rolle beim Aufbau von Demokratie und Frieden bewusst zu sein. Eine Sprecherin führte aus: „Wir sind nicht nur die vorrangigen Opfer von Krieg und Konflikten, sondern haben in Kurdistan in den letzten 30 Jahren auch gezeigt, dass wir den alternativen Lösungsansatz darstellen. Durch unsere 50-jährige Bewegung für Frauenbefreiung konnten wir in Kurdistan die demokratischen Werte in Gesellschaft und Politik verankern. Heute wollen wir dies mit unseren Schwestern anderer Völker ausweiten und in diesen Ländern Demokratie und Frieden aufbauen.“

„Eine demokratische Türkei wird allen zugutekommen“

Die Erklärung verwies auf die Bedeutung des Aufrufs von Abdullah Öcalan für einen türkisch-kurdischen Frieden sowie die Demokratisierung der Türkei und betonte, dass eine demokratische Türkei hierbei zweifellos allen Seiten zugutekommen würde. Der kurdische Repräsentant habe bei dieser Entscheidung selbst die größte Verantwortung übernommen und hierbei ein enormes Risiko auf sich genommen. Die Europaorganisationen unterstrichen mit Verweis auf den seit 1993 zum neunten Mal einseitig ausgerufenen Waffenstillstand, dass auch die PKK ihre Verantwortung übernommen habe. Sie habe hiermit „ein Zeichen enormer Bereitschaft für den Frieden“ gezeigt.

Auch die EU trägt Verantwortung für den Erfolg des Prozesses

Die TJK-E und der KCDK-E sehen insbesondere auch die Europäische Union in der Verantwortung für den Erfolg des aktuellen Prozesses. Bereits beim EU-Gipfel in Helsinki 1999 habe die Hoffnung bestanden, „dass mit Hilfe der EU die Demokratie in der Türkei voranschreiten würde“. Die PKK und ihr Vorsitzender hätten daher die EU-Kandidatur der Türkei seinerzeit unterstützt. Dazu hieß es in der aktuellen Erklärung: „Seit Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen hat die Türkei jedoch die Kopenhagener Kriterien nicht erfüllt, was wiederholt zu Kritik führte. Nun bietet sich eine historische Chance für neue und positive Entwicklungen. Daher wird auch die EU durch die Unterstützung von Herrn Öcalans Aufruf zu einem positiven Ergebnis in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU beitragen können. Tatsächlich haben hierbei Deutschland, Frankreich und andere EU-Länder bereits positiv auf Öcalans Aufruf reagiert.

Klarer Appell an das Staatenbündnis

Wir fordern die EU auf, eine demokratische Haltung in ihrer Kurdenpolitik zu entwickeln, das PKK-Verbot zu überdenken und die Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden auf dieser Grundlage unverzüglich zu beenden, um das Friedensangebot Öcalans zu unterstützen. In diesem Zusammenhang schätzen wir die positiven Erklärungen der deutschen Bundesregierung, Großbritanniens, der Vereinten Nationen, der USA und anderer Staaten.“

Das Recht auf Hoffnung: Amnestie für Abdullah Öcalan begünstigen

Abschließend formulierten die TJK-E und der KCDK-E einen klaren Wunsch: „Da Herr Öcalan die gesamte Last und Verantwortung für den Frieden trägt, wünschen wir uns, dass die Mitgliedsstaaten der EU die türkische Regierung dazu ermutigen, mit konkreten Schritten die am 16. September 2024 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedete Entscheidung zum ‚Recht auf Hoffnung‘ umzusetzen, welches eine Amnestie Herrn Öcalans begünstigen würde.“

Stärkung durch internationale Solidarität

In ihrer gemeinsamen Erklärung hoben die beiden Verbände die Rolle ihrer internationalen Freund:innen hervor. Die Solidaritäts- und Unterstützungsbekundungen linker und progressiver Parteien sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen in Europa stärkten sie. Daher sei nun die Zeit gekommen, noch enger zusammenzuarbeiten und hierbei fortan „nicht gegen den Krieg, sondern für den Frieden“ auf die Straße zu gehen.

Die physische Freiheit von Abdullah Öcalan erwirken

Die Erklärung nimmt Bezug auf die am 10. Oktober 2023 von solidarischen Gruppen ins Lebens gerufene Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan – Eine politische Lösung der kurdischen Frage“. In diesem Rahmen seien wichtige Beiträge zur Entwicklung des aktuellen Prozesses geleistet worden. Für die gemeinsame Forderung nach Freiheit für den kurdischen Vordenker müsse weiterhin entschlossen eingetreten werden.