Brief von Max Zirngast
Der Österreicher Max Zirngast beschreibt in einem langen Brief aus türkischer Haft den Alltag im Hochsicherheitsgefängnis Sincan bei Ankara.
Der Österreicher Max Zirngast beschreibt in einem langen Brief aus türkischer Haft den Alltag im Hochsicherheitsgefängnis Sincan bei Ankara.
Der Österreicher Max Zirngast wurde am 11. September in Ankara festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Sincan. In Wien wurde kurze Zeit später eine Kampagne für seine Freilassung gestartet, die über Österreich hinaus breite Unterstützung erfährt.
Jetzt hat die Kampagne ein längerer Brief von Max Zirngast erreicht, den er am 18. Oktober verfasst hat:
„Ich bin euch allen zu Dank verpflichten; euch allen tausend Dank und viele Grüße. Im Angesicht eurer Freundschaft und eurer Solidarität finden sich keine Worte. Ich glaube nicht, dass ich so viel Interesse und Einsatz verdient habe.
Ich möchte zunächst einmal detailliert erzählen, was wir hier so machen und unter welchen Bedingungen wir leben. Entschuldigt, dass ich mit Bleistift und nicht mit einem Kugelschreiber schreibe. Es gab irgendwelche Probleme mit dem Geld und wir haben keine Kugelschreiber mehr. Hier kann man nur einmal in der Woche einkaufen. Am Montag müssen wir den Einkaufszettel für die Kantine einreichen, am Mittwoch erhalten wir dann die gewünschten Produkte. Wenn du am Montag kein Geld hast, musst du eben auf den nächsten Montag warten. Für Obst und Gemüse geben wir den Einkaufszettel am Dienstag ab, am Donnerstag erhalten wir dann das Obst und das Gemüse. Da ich noch immer keine vegane Nahrung erhalte [Max ist u.a. Tierbefreiungsaktivist und ernährt sich vegan; Anm. d. Red.], sind [diese Obst- und Gemüseeinkäufe] umso wichtiger. Was ich damit sagen will, ist, dass hier nicht alles so einfach läuft, manchmal mangelt es uns auch an Stiften und Papier.
Zudem sind wir erst seit einigen Wochen hier [in Sincan 2; zuvor war Max im Hochsicherheitstrakt von Sincan 1, Anm. d. Red.]. Nach einer Woche wurden wir hierher versetzt, wir mussten alles von vorne anfangen und wir errichten unsere Ordnung erst so langsam wieder. Auch unsere Besucher*innen sind noch nicht bestätigt. Könnt ihr euch das vorstellen? Mithat [der Zellenkollege von Max; Anm. d. Red.] kann sich zumindest mit seiner Familie treffen, aber bei mir muss sogar hierfür jeweils ein gesonderter Antrag gestellt werden. Außerdem können wir maximal fünf Bücher bekommen. Zusätzlich dürfen wir fünf Bücher aus der Bibliothek bestellen. Wir haben 20 Bücher beantragt, aber sie wählen zufällig zwischen ihnen aus und schicken uns fünf davon.
Tagesabläufe
Unsere Tage vergehen in etwa wie folgt: Ich stehe zwischen 6:30 und 7:00 Uhr auf. Ich laufe hinunter – es ist eine regelrechte Maisonette hier, oben die Betten, unten Toilette, minikleine Küche, Tisch, Stühle und so weiter. Und natürlich ein etwa 60m² großer Hof. Ich lese ein wenig oder bereite Anträge, Briefe und solche Dinge vor, die bei der allmorgendlichen Zählung einzureichen sind. Danach frühstücken wir. Sie geben uns Oliven oder Eier oder Käse und Helva [eine Mehl-Sesam-Speise; Anm. d. Red.]. Wir selbst können uns Oliven, Marmeladen, Tomaten, Gurken und so weiter kaufen; ich halte mich so über die Runden. Zwischen 8:00 und 8:30 Uhr findet die Zählung statt. Bei der Zählung wird die Tür zum Hof geöffnet und wir übergeben die Einkaufszettel für Kantine und Gemüse sowie unsere Anträge und Briefe. Wir erscheinen in Hemd und Anzugshose zur Zählung. Gerne würden wir auch in Anzugsjacken erscheinen, aber wir haben hier keine. Wenn ihr uns welche schickt, machen wir auch das! Am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag zwischen 8:30 und 10:00 Uhr machen wir ein wenig Sport: Wir joggen im Hof und machen danach intensives Krafttraining. Wir machen nicht jeden Tag Sport; wenn, dann aber sehr intensiv. Außer den riesigen Wasserbehältern haben wir zwar keine Gewichte, dafür machen wir viel Übungen ohne Geräte. Mithat und auch ich haben schon zuvor viel Sport gemacht. Also macht euch diesbezüglich keine Sorgen, wir werden sehr fit hier rauskommen. Eigentlich müssten wir jeden zweiten Mittwoch 40 Minuten im geschlossenen Sportraum Sport machen dürfen. Aber gestern durften wir das zum Beispiel nicht. Es hängt alles so ein wenig von Allah ab, was geht und was nicht geht; wir schauen dann aber trotzdem, dass wir irgendwie zu Rande kommen.
Montags, Mittwochs und Freitags früh lernen wir Fremdsprachen. Zwischen 10:00 und 12:00, 15:00 und 17:00, 18:30 bis 20:00 oder 20:30 sowie 21:00 bis 23:00 oder 24:00 Uhr sind unsere Lesezeiten. Nachts lesen wir Romane oder schreiben Briefe. Um 12:30 Uhr kommt das Mittagessen, um 17:30 Uhr das Abendessen. Nach dem Mittagessen lesen wir Zeitung oder machen Musik. Um zwischendurch ein wenig in Bewegung zu kommen oder den Kopf frei zu bekommen, laufen wir hin und her. Warmwasser gibt es zwischen 20:30 beziehungsweise 21:00 und 22:30 Uhr. Sprich, wir müssen dann um diese Uhrzeiten duschen. Putzen tun wir Montag abends, wenn das Warmwasser da ist. Bis jetzt, also im Oktober, kriegen wir die Hürriyet [eine der auflagenstärksten Tageszeitungen der Türkei, einst relativ unabhängig, mittlerweile von einem Regierungstreuen geführt; Anm. d. Red.], nächsten Monat wollen wir noch zwei bis drei zusätzliche Tageszeitungen beantragen. Zeitungen oder Zeitschriften, die nicht täglich erscheinen, bekommen wir noch keine. Wir wissen auch nicht, wie viele wir besitzen dürfen. Das müsste von draußen gelöst werden. Das wäre sehr gut und wichtig, weil wir das Zeitgeschehen nur sehr begrenzt verfolgen können. Es gibt keinen Fernseher und wir haben auch nicht vor, einen zu kaufen. Wenn sich das Ganze hier in die Länge ziehen sollte, überlegen wir es uns vielleicht nochmal, ansonsten brauchen wir das derzeit nicht.
Zu verfolgen, was in Europa passiert, ist also derzeit von hier aus im Prinzip nicht möglich. Was das Lesen angeht, muss ich zwangsläufig auf Türkisch lesen [Max darf keine Schriftstücke bekommen, die nicht Türkisch sind; Anm. d. Red.]. Das ist nicht unbedingt etwas schlechtes, aber ein Wörterbuch würde schon alles viel besser machen. Wie dem auch sei. In ein paar Monaten ist mein Türkisch sicherlich stark fortgeschritten. Derzeit lese ich zum Faschismus und zur türkischen Linken. Danach, denke ich, werde ich unter anderem zur Geschichte der Türkei und des Osmanischen Reiches, sowie zur Wirtschafts- und [unleserlich wegen Gefängnisstempel] und außerdem zur Ideengeschichte lesen (deshalb habe ich Cereyanlar [auf Deutsch: „Strömungen“, Standardwerk von Tanıl Bora zur Geschichte politischer Ideologien in der Türkei; Anm. d. Red.] bestellt); dann zu marxistischer Theorie und politischer Ökonomie (Die Arbeit im modernen Produktionsprozess von Harry Braverman wollte ich zum Beispiel schon lange lesen) und so weiter lesen. Das ist so der allgemeine Rahmen, an den wir gedacht haben. Und zwischendurch natürlich Gedichte und Romane – die sind sowieso nochmal was Anderes.
Lesen allein geht natürlich nicht. Man muss auch etwas schreiben, etwas hervorbringen. Das mache ich auch. Wie ausgefeilt meine Interpretationen sein werden, weiß ich noch nicht. Bisher konzentriere ich mich auf Notizen, auf ein Tagebuch und natürlich die Briefe.
Was die letzten fünf Wochen angeht, was passiert ist und was wir erlebt haben – inklusive meiner Interpretation der Ereignisse, das werde ich jetzt detailliert schildern.
Von der Razzia bis zum Gefängnis
Alles fing an wie eine „ganz normale“ Razzia. Als die Polizei gegen 6 Uhr morgens bei uns in der Wohnung auftauchte, gab es noch keine besondere Haltung mir gegenüber. Zumindest habe ich nichts dergleichen wahrgenommen. Auf dem Weg zum Quartier der Antiterrorpolizei gab es natürlich eine Reihe an unnützen Gesprächsversuchen, so à la „die Türkei ist das freieste und demokratischste Land der Welt, oder?“. Ich habe versucht, von Anfang an sehr ruhig, distanziert aber höflich zu bleiben. Es ist nichts Besonderes passiert. [unleserlich] Im Polizeigewahrsam wurde am ersten Tag ein bisschen herumgeschrien. Danach ist auch dort nichts mehr Außerordentliches passiert. Wir wurden alle separiert voneinander festgehalten, Kommunikation war sehr beschränkt. Im Gegensatz zum Gefängnis ist der Polizeigewahrsam sehr schlecht. Statt auf einem Bett schläfst du auf einem Stück Holz, mit einer dünnen Decke, ohne Kissen, es ist stickig und zugleich sehr kalt und in meiner Zelle war 24 Stunden am Tag das Licht an. Dieses hässliche weiße Licht. Essen gab’s wenig und wenn auch nur eiskaltes. Nach ein paar Tagen hatte ich einen verdorbenen Magen, Krämpfe, Sodbrennen, Durchfall, das ganze Programm eben. Es gab nichts zu lesen und unterhalten konnte man sich zum Großteil ebenfalls nicht. In den letzten Tagen befand sich ein Unteroffizier mit mir in meiner Zelle, davor für ein-zwei Stunden ein IS’ler. Im Allgemeinen befanden sich dort viele Gülenisten: Zwei Handvoll Soldaten und ein paar Lehrer. Die waren regelrecht erstaunt darüber, was mit ihnen passierte. Dutzende von Jahren dienten sie dem Staat, nun müssen sie dies durchmachen. Jetzt sind es keine hohen Tiere mehr, die festgenommen werden. Der Großteil von ihnen hasst den Staat. Einer von denen, die bei Mithat in der Zelle waren, meinte: „dieser Staat muss zerstört werden“. Jeden Tag kommen neue Gefangene hinzu, die „Säuberungen“ gehen immer noch weiter. Von einem menschlichen Standpunkt aus werden lauter wütende, hoffnungslose und deklassierte Elemente hervorgebracht. Das derzeitige „Terrorverständnis“ der Türkei und was darunter zermalmt wird, wird sich in den nächsten Jahren rächen, nehme ich an.
Die erste interessante Angelegenheit in Bezug auf mich passierte in der Nacht des zweiten Tages. Also am Donnerstagabend, dem 13. September. Ich war gerade am Einschlafen, da wurde ich zur Befragung abgeholt. Das haben sie nur mit mir und Burçin [neben Mithatcan Türetken und Hatice Göz die vierte Person in Gewahrsam, wurde am 20. September auf freien Fuß gesetzt; Anm. d. Red.] gemacht. Es ging nicht so lange, vielleicht 25 bis 30 Minuten. Ich habe eh zu verstehen gegeben, dass ich nicht reden werde und meinen Anwalt verlange. Wenn ich geredet hätte, hätte es sicherlich länger gedauert. Aber was sie gemacht haben, war rechtswidrig. Ansonsten stehe ich ja hinter allem, was ich gemacht habe, und habe mich vor dem Staatsanwalt ja auch offen verteidigt, ohne irgendwas zu verstecken. Während ich also nicht sprach, haben sie mir eine ganze Reihe an Fragen gestellt und ich habe versucht zu verstehen, worum es ihnen eigentlich ging. Es waren drei Personen. Der Chef hat sich im Hintergrund gehalten und nichts gefragt, nur zugehört. Zwei Polizisten haben ein „Kreuzverhör“ versucht, der dritte versuchte, einen auf „Freund“ zu machen: „Ich bin ein Alevite, ich hatte mal eine arabische Alevitin als Freundin“ und so weiter. Ich habe recht schnell verstanden, dass es bei dieser ersten Kontaktaufnahme im Prinzip darum ging, die ganze Sache in Richtung Agententum zu biegen. Sie fragten „Warum gehst du so oft nach Hatay?“ oder „Hast du Verbindungen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgebaut? Hast du Gelder aus dem Ausland von dieser Stiftung bekommen?“ Ich kenne natürlich solche Spielchen, konnte meine Verblüffung aber trotzdem nicht verbergen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist doch eine legale Institution mit einem Büro in Istanbul. Da braucht es keine Ausländer, man kann da direkt zu denen hin, wenn man Verbindungen aufbauen will; außerdem könnt ihr euch auch direkt an die Stiftung selbst wenden, wenn ihr Fragen habt. Einmal davon abgesehen, dass ich gar keine Gelder von der FES organisiert habe. Den Großteil der Fragen, den sie mir an diesem Tag gestellt haben, hat mir der Staatsanwalt dann auch nicht mehr gestellt. Ansonsten gab es nichts Besonderes mehr im Polizeigewahrsam, außer dem, was ihr eh schon wisst: zweimal verlängert, direkte Aufnahme der Aussage beim Gericht ohne Aussage bei der Polizei und so weiter.
Wie es beim Staatsanwalt lief, das wisst ihr vermutlich ebenso schon in groben Zügen. Ich wusste nicht, dass sich meine Verteidigung öffentlich verbreiten würde – ich habe auch nicht an solch eine Möglichkeit gedacht, als ich mich vor dem Staatsanwalt verteidigt habe. Im Allgemeinen gingen wir davon aus, dass zwar die Angelegenheit nicht gerecht ablief, er uns aber doch mit einem Minimalernst zuhören würde und deshalb eine Haftentlassung sehr wahrscheinlich wäre. Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten denen die Leviten gelesen. Nun gut, jetzt ist es so gelaufen, ich habe meine Lehren gezogen. Die Türkei befindet sich in einer Übergangsperiode und viele Menschen sind sich oft unsicher, wie sie sich zu verhalten haben. Bei uns hat sich ja im Nachhinein herausgestellt, dass unsere Aussagen sowieso keinen Sinn hatten.
Wenn wir uns den Prozess anschauen, das Geschehene analysieren und uns die allgemeinen Bedingungen in der Türkei vor Augen führen, lassen sich, finde ich, einige Punkte festhalten. Natürlich ist meine Festnahme keine Geiselnahme wie im Fall von Deniz Yücel. Es ähnelt auch nicht dem Fall Brunson. Im Zuge des Versuchs, die gesamte demokratische Opposition in Ankara zum Schweigen zu bringen, hat man eben auch an meiner Tür geklingelt. Ich hatte meine Stimme für eine demokratische Republik erhoben und die demokratischen Kämpfe unterstützt. Die Polizei nahm während der Durchsuchung auch sehr viele Bücher mit aus meiner Wohnung, insbesondere diverse Politikbücher und Bücher zur türkischen Linken. Es ist durchaus normal, dass ein Politikwissenschaftler diese Bücher liest. Der Staatsanwalt fokussierte sich sehr auf diese Bücher und frage mich auch nach einem von mir verfassten Jacobin-Artikel aus. Es wurde mir eine Übersetzung daraus vorgelegt, worum es um die kurdische Frage ging. Auch das Buch von Ismail [Küpeli als Herausgeber, Kampf um Kobanê, Kampf um die Zukunft des Nahen Ostens, 2015; Anm. d. Red.] wurde angesprochen. Es wurde sogar behauptet, ich sei der Autor des Buches. Ich habe dann erklärt, dass ich nicht Autor des Buches bin, dass das Buch eine Artikelsammlung ist und dass ich in dem Buch einen Artikel gemeinsam mit anderen geschrieben habe. Auch die Polizei hat während ihrer „Befragung“ behauptet, ich hätte in einem Artikel den Präsidenten [Erdoğan; Anm. d. Red.] beleidigt. Ich habe den Vorwurf verneint und habe gesagt, dass ich Kritiken immer in politischer Terminologie formuliere und sie dazu aufgefordert, mir den betreffenden Artikel vorzulegen und diesen mit mir durchzugehen. Was ich sagen will, ist, dass sie im Zuge des Prozesses versucht haben, „herauszufinden“ wer ich bin. Aber es gibt da nichts „herauszufinden“. Wie ich schon gesagt habe, bin ich Sozialist und Schriftsteller und stehe hinter allem, was ich gemacht habe.
Das Gefängnis
Unsere Gefängnisroutine habe ich ja schon beschrieben. In Sincan 1 hatten wir unsere Bücher nicht, deshalb konnten wir uns dort noch keine Routine zulegen. Erst am 3. oder 4. Oktober erhielten wir unsere Bücher in Sincan 2. Seitdem sitzt unsere Routine. Zum Leben im Gefängnis werde ich bald detailliert und themenspezifisch schreiben. Ich werde schreiben zur (räumlichen) Kreativität im Gefängnis – „Wie mache ich aus einem riesigen Wasserbehälter einen Schwamm und wozu brauche ich sowas?“ und ähnliche Fragen –, zur Haltung im Gefängnis und dazu, wie man sich dem Raum und der Zeit aufzwingt.
Hier möchte ich den Verlauf unserer Haft weiter verfolgen und kurz beschreiben, wie mit uns umgegangen wird. In Sincan 1 gab es überhaupt keine Probleme. Die Wächter haben sich stets professionell und höflich verhalten. Sincan 2 ist nicht ganz so. Schon am ersten Tag wurden wir grundlos angeschrien, wir hatten nicht provoziert. Wir wurden bedroht: „Macht keine Faxen, sonst…“. Wir sind nicht im Gefängnis, um Faxen zu machen oder unnütze Auseinandersetzungen zu führen. Weder wollen wir hier unsere Zeit verschwenden, noch uns kloppen. Wenn wir schon aufgrund unserer politischen Ansichten bestraft werden, dann werden wir diese Zeit so produktiv wie möglich nutzen, uns weiterentwickeln, alles lernen, was wir lernen können, um gestärkt, gereift, mit mehr Wissen und Fähigkeiten wieder hier rauszukommen. Warum sollen wir unsere Zeit verschwenden mit unnützen verbalen Schlagabtäuschen? Sprich: Wir wollen uns auf unsere Sachen konzentrieren. Was nicht heißt, dass wir alles mit „ja, Amen“ hinnehmen werden. Aber letztlich haben wir zu tun. Schließlich haben wir eine wirklich freie, demokratische und grüne Welt aufzubauen und unsere Anstrengungen werden nicht enden „bis das Antlitz der Welt das Antlitz der Liebe ist“ [Gedicht des türkischen Dichters Adnan Yücel; Anm. d. Red.].
Und so führt uns der Weg zum Heute. Ich werde in den nächsten Wochen nochmal mehrmals schreiben. Es dauert eh ein paar Wochen, bis die Briefe bei euch ankommen, darauf ist zudem kein Verlass (angefangen bei der Brieflesekommission). Ich werde ein wenig vom Leben hier berichten.
Die Gespräche hier sind ein Vergnügen; ich meine sogar, einige Themen kann man sich hier besser erschließen als draußen. Ich muss gestehen, dass es wirklich ein großer Segen ist, gemeinsam mit Mithat in einer Zelle zu sein. Anfangs, als ich in diese neue Umgebung kam, war ich schon öfter mal überrumpelt. Mittlerweile habe ich das meiste gelernt.
Noch einmal großen Dank und viele Grüße an alle. Passt sehr gut auf euch auf, ich umarme euch, liebe Grüße, Max“