„Wir akzeptieren die Haltung der PDK nicht"

Der ehemalige PDK-Anhänger Abdulaziz Hacı Muhammed verurteilt die Kollaboration der südkurdischen Regierungspartei PDK mit der Erdoğan-Regierung und erklärt angesichts der PDK-unterstützten Angriffe auf Gare: „Wir sind traurig und wütend.“

Kamuran Hacı Muhammed hat sich sein Leben lang für die kurdische Emanzipation und im Kampf gegen die Kolonialregime, die Kurdistan geteilt haben, engagiert. Sein Vater, sein Onkel und er selbst waren zwischen 1960 und 1970 Peschmerga der PDK. Ein Familienmitglied fiel als Peschmerga im Aufstand gegen das Regime im Jahr 1961. Damals hatten Peschmerga unter der Führung von Mistefa Barzanî einen Aufstand und einen Guerillakrieg gegen die Unterdrückung durch das irakische Regime begonnen. Aber nicht nur PDKler befinden sich unter den Familienmitgliedern von Kamuran Hacı Muhammed, auch die ersten Guerillakämpfer der PKK in Dêrik in Rojava stammen aus seiner Familie.

Von der PDK zur PKK

Im Verein der Familien der Gefallenen in Dêrik wird die Geschichte seines Onkels Ahmet Huseyin Hacı erzählt. Ahmet Huseyin Haci gehörte seit 1957 der PDK an. 1961, als der kurdische Aufstand unter der Führung von Mistefa Barzanî im Süden Kurdistans begann, arbeitete er mit aller Kraft für den Aufstand in Rojava. 1975 öffnet er sein Haus auch den PDK-Peschmerga. 1985 überwirft er sich mit der PDK, da er Mesûd Barzanî für seine PKK-feindliche Haltung kritisiert. Die Menschen aus Dêrik berichten, Hacı und seine Familie hätten sich anschließend intensiv für die PKK engagiert. Sein Sohn Zinar schloss sich 1986 der PKK an und fiel 1989 im Kampf.

Unterstützung für den von der PDK geführten Aufstand 1961

Sein Neffe Kamuran Abdulaziz Hacı Mohammed hat eine ähnliche Biografie. Hacı Muhammed kam 1957 im Dorf Girê Sor bei Dêrik an der Grenze zu Südkurdistan zur Welt. Sein Vater und sein Onkel waren damals PDK-Anhänger und Mitglieder der PDK-Syrien. Beim Aufstand von 1961 in Südkurdistan unterstützte die ganze Familie die PDK. Hacı Muhammed berichtet über diese Zeit: „Als die Partei hier gegründet wurde, war mein Vater einer der ersten, der sich ihr anschloss. Mein Vater, Osman Sabri, wurde vom Regime gefangen genommen und inhaftiert. Als wir Kinder waren, war Girê Sor wie eine Peschmerga-Siedlung. Sie kamen nach Girê Sor, bereiteten sich vor, um dann nachts Aktionen gegen den Irak durchzuführen. Irakische Radiosender haben diese Situation mehrfach erwähnt. Aus diesem Grund übte der syrische Staat großen Druck auf die Menschen in Girê Sor aus. Als zwischen dem Irak und dem mittlerweile verstorbenen Barzanî am 11. März 1970 eine Einigung erzielt wurde, war ich in der siebten Klasse. Ich war im Unterricht. Am 6. März 1975, als das Abkommen von Algier zwischen dem Iran und dem Irak zustande kam, mussten die meisten aus Südkurdistan fliehen. Es kamen viele Leute nach Rojava. Die Menschen in Rojava beherbergten die Flüchtlinge aus Südkurdistan in ihren Häusern. Viele haben geholfen. Das syrische Regime verhaftete mehrere Personen und warf ihnen vor: ‚Ihr habt irakischen Flüchtlingen, PDK-Leuten, geholfen‘.“

Als Peschmerga gefallen

1975 erlitt das Verhältnis der Familie zur PDK einen schweren Dämpfer. Die Peschmerga legten nach dem Abkommen von Algier die Waffen nieder und stellten den Kampf gegen das irakische Regime ein: „Mein Vater hatte viele Gedichte über die Barzani-Revolution bis 1975 geschrieben. Als die PDK die Waffen niederlegte, war mein Vater sehr traurig. Damals hieß es, es gebe noch rund 80.000 Peschmerga. Mein Vater weinte. In einem Gedicht sagte er: ‚Als wir den Klang der Kanonenkugeln hörten, waren unsere Köpfe aufrecht. Als die Klänge der Kanonen und Gewehre der Revolution versiegten, senkten sich unsere Köpfe wieder zu Boden.‘ So sehr waren wir als Familie mit dem Kampf verbunden. Mein Vater war sehr wütend, als ihm gesagt wurde, dass die Peschmerga nach dem Ende der Revolution auf unsere Seite der Grenze gegangen seien. Wir haben für die Revolution in Südkurdistan Opfer gebracht und Menschen verloren. Der Sohn meines Onkels Abdullah aus unserem Dorf war als Peschmerga gefallen.“

Heute bekennen wir uns zur PKK

Die folgende Phase beschreibt der ehemalige PDK-Anhänger: „Zwischen 1981 und 1982 begannen wir die PKK kennenzulernen. Wir waren damals noch mit den Barzanis verbunden. Die PKKler kam zu uns nach Hause. Sie wurden immer wieder als die ‚die Studenten‘ bezeichnet. Wir liebten sie. Der Sohn meines Onkels Zinar und mein Bruder Dr. Kendal lernten die Freunde an der Universität von Aleppo kennen. Sie schlossen sich 1986 an. Sie haben Rêber Apo getroffen. Sie kannten sie tatsächlich bereits vor '86, aber sie wollten es uns nicht sagen, weil sie wussten, dass wir noch bei der PDK waren. Sie hatten die Freunde an der Universität in Aleppo kennengelernt, und wir lernten die Freunde nach und nach durch ihre Besuche kennen. Wir vertrauten ihnen, glaubten ihnen und schlossen uns an. Zinar fiel 1989 an der Grenze bei Dêrik. Mein Bruder Dr. Kendal 1991 in Garzan, meine Schwester 1991 in Çelê. Wir setzen den Weg auf ihren Spuren fort.“

Wir haben selbst unsere Religion durch die PKK verstanden

In ganz Kurdistan hatte der Gefängniswiderstand von Amed (Diyarbakır) tiefen Eindruck hinterlassen. Insbesondere die Aktion von Mazlum Doğan entfachte den kurdischen Widerstand von neuem. An Newroz 1982 hatte der PKK-Kader Doğan drei Streichhölzer auf den Tisch in seiner Zelle im Gefängnis von Amed gelegt und sich das Leben genommen. Er hinterließ die Nachricht: „Aufgeben ist Verrat, der Widerstand führt zum Sieg.”

Hacı Muhammed sagt zu der Bedeutung der Aktion und seine Annäherung an die PKK: „Nach der Aktion von Mazlum Doğan im Gefängnis von Amed haben wir verstanden, was die Verteidigung einer Nation, was Patriotismus bedeutet. Es entwickelte sich ein neuer Geist. Wir haben mit der PKK-Revolution viel gelernt. Wir haben sogar unsere Religion durch die PKK verstanden. Wir haben unsere Menschlichkeit, unsere Persönlichkeit, durch die PKK kennengelernt. Also, was kurdische Identität bedeutet, wie man lebt und Widerstand leistet. Das haben wir gelernt. Ich habe Rêber Apo in der Zeit, in der er in Syrien war, zweimal getroffen. Er pflegte zu sagen: ‚Auch wenn wir zehn Außenposten zerstören, wenn wir sie erobern würden, könnten wir das Land nicht befreien, ohne die Außenposten in den Gehirnen zu zerstören und unsere Mentalität zu befreien.‘ Wir, die Menschen von Rojava, haben großes Glück; Rêber Apo hat hier gearbeitet, wir sind hingegangen und haben ihm zugehört.“

Wir akzeptieren keine Kraft, die den Feind unterstützt“

Zur aktuellen Politik der PDK sagt Hacı Muhammed: „Wir sind sehr traurig und wütend. Türkische Hubschrauber sind in Südkurdistan gestartet und haben Gare angegriffen. Es ist normal, dass der Feind so etwas tut, aber dass die Hubschrauber mit Unterstützung der PDK von Südkurdistan aus starten und die PKK angreifen, ist eine ganz andere Sache. Wir hoffen, die PDK wird ihre Haltung verändern. Ihre eigenen Medien schreiben, dass es in Südkurdistan 31 türkische Basen gibt. Hat die südkurdische Regierung jemals die Invasion des türkischen Staates in Südkurdistan verurteilt? Nein. Genau das ist unser Problem. Die südkurdische Region ist deshalb in diesen Zustand geraten. Wir können das nicht akzeptieren. Wir können keiner Kraft applaudieren, die dem Feind gegen ihre eigenen Geschwister hilft.“