Wan: Überleben wird immer schwieriger
Die Wirtschaftskrise im türkischen Staatsgebiet zeigt sich besonders scharf in den verarmt gehaltenen und ausgeplünderten Gebieten Nordkurdistans. Viele Menschen leben unter der Hungergrenze.
Die Wirtschaftskrise im türkischen Staatsgebiet zeigt sich besonders scharf in den verarmt gehaltenen und ausgeplünderten Gebieten Nordkurdistans. Viele Menschen leben unter der Hungergrenze.
Die Provinz Wan ist eine der Regionen mit der ärmsten Bevölkerung auf dem türkischen Staatsgebiet. Noch schlechter geht es den Menschen nur in der nordkurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) und in Agirî. Wie die anderen kurdischen Regionen steht Wan de facto unter einem wirtschaftlichen Embargo durch den türkischen Staat. Die Haupteinnahmequelle, die Landwirtschaft, ist am Ende. Denn aufgrund von militärischen Sperrgebieten und der Verteuerung von Futter und Saatgut ist praktisch kein Einkommen mehr damit zu machen. Die Grenzübergänge in den Iran sind geschlossen und Inflation und Wirtschaftskrise stürzen die unzähligen Menschen ohne Lohnarbeit und ihre Angehörigen in eine existenzielle Krise.
„Es ist unmöglich, so zu überleben“
Im ANF-Gespräch berichten Bewohner:innen der Großstadt Wan über ihre Situation. Aydın Türkmen erklärt: „Ich habe dieses Jahr alles, was ich in den vergangenen Jahren verdient und gespart habe, verloren. Ich bin seit acht Jahren arbeitslos. Ich musste alles ausgeben, was ich hatte. Letztes Jahr konnte ich mit 400 Lira die Nahrungsmittel für einen Monat decken. Aber in diesem Jahr reichen 400 Lira nicht einmal mehr für drei Tage. Um den Monatsbedarf an Nahrungsmitteln eines Haushalts zu decken, sind heute zwischen 3.000 und 4.000 Lira nötig. Vergangenes Jahr zahlte ich zwischen 150 und 200 Lira monatlich für Gas. Dieses Jahr ging es mit Kosten zwischen 450 und 750 Lira los. Auch der Strompreis stieg. Lag er im vergangenen Jahr noch zwischen 70 und 100 TL, sind es in diesem Jahr 350 bis 500 Lira. Dies sind nur ein paar Zahlen. So wie die Dinge stehen, ist es unmöglich zu überleben.“
„Wir haben uns selbst aufgegeben, wir leben nicht, wir kriechen am Boden“
Şengül Meydan ist die einzige einer siebenköpfigen Familie, die Lohnarbeit hat. Sie berichtet, dass sie 2.800 Lira (etwa 174 Euro) im Monat erhält: „Wie sollen wir von diesem Gehalt leben? Mein Gehalt reicht nicht einmal aus, um die Miete, für die Kinder und die Rechnungen zu bezahlen. Wir müssen uns jeden Monat irgendwo Geld leihen. Mein Mann und ich haben uns seit etwa zwei Jahren keine Kleidung oder Schuhe mehr gekauft. Wir versuchen, mit unseren alten Sachen zurechtzukommen. Von rotem Fleisch träumen wir sowieso nur noch. Wir sind nicht mehr am Leben, wir kriechen am Boden. Wir haben keine Freude mehr am Leben. Wir haben uns selbst aufgegeben. Alles, was uns interessiert, sind unsere Kinder. Wir kämpfen für ihr Leben.“