Die Volksverteidigungskräfte (Hêzên Parastina Gel, HPG) haben den Tod von vier Guerillakämpfern bekanntgegeben: Rizgar Siwar, Gernas Qendîl, Hêjar Bêkes und Sîncer Dehgulan sind im vergangenen August bei Angriffen des türkischen Staates in der Xakurke-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen. Angesichts ihres Verlusts sprechen die HPG den Angehörigen der Gefallenen und der Öffentlichkeit Kurdistans ihr Mitgefühl aus und versprechen, ihr Andenken zu ehren. Die vollständigen Identitätsangaben der Kämpfer lauten:
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Codename: Rizgar Siwar
Vor- und Nachname: Yadin Bulut
Geburtsort: Xarpêt
Namen von Mutter und Vater: Hatice – Ali
Todestag und -ort: 24. August 2023, Xakurke
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Codename: Gernas Qendîl
Vor- und Nachname: Kawa Mamo
Geburtsort: Dirbesiyê
Namen von Mutter und Vater: Sacide – Ahmed
Todestag und -ort: 24. August 2023, Xakurke
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Codename: Hêjar Bêkes
Vor- und Nachname: Sîrûs Rasteqîz
Geburtsort: Tîkab
Namen von Mutter und Vater: Amine – Tofiq
Todestag und -ort: 24. August 2023, Xakurke
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Codename: Sîncer Dehgulan
Vor- und Nachname: Namet Rizayî
Geburtsort: Bîcar
Namen von Mutter und Vater: Meryem – Abdullah
Todestag und -ort: 30. August 2023, Xakurke
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Rizgar Siwar
Rizgar Siwar wurde in der nordkurdischen Provinz Xarpêt (tr. Elazığ) geboren. Seine Familie gehört dem Stamm der Xeylan an. Er wuchs in einem Dorf auf, umgeben von Natur, und unterstützte seine in der Landwirtschaft tätige Familie mit Arbeiten wie dem Hüten von Schafsherden. Die kurdische Befreiungsbewegung lernte er bereits als Kind kennen; sein älterer Bruder Emin Bulut starb 1992 als Guerillakämpfer Rizgar in den Reihen der PKK.
Der Guerilla schloss Rizgar Siwar sich 2015 an. Er ging zu einer Zeit in die Berge, als die türkische Regierung ihren „Zersetzungsplan” („Çöktürme Planı“, sinngemäß: „In die Knie zwingen“) umzusetzen begann. Bei dem Zersetzungsplan handelt es sich um ein bereits 2014 und damit noch während des „Dialogprozesses“ mit dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan von der türkischen Regierung in die Wege geleitetes militärisches und politisches Vernichtungskonzept gegen die kurdische Gesellschaft und ihre organisierten Strukturen.
Seine Grundausbildung erhielt Rizgar Siwar in Xakurke. Hier verbrachte er auch den Rest seines Guerilladaseins, schreiben die HPG über den Kämpfer. In zahlreichen Gebieten der Region beteiligte er sich am Widerstand gegen die türkische Invasion Südkurdistans und Operationen gegen Besatzungstruppen. Er war vor allem an den Verteidigungsstellungen im Einsatz.
Gernas Qendîl
Gernas Qendîl wurde im westkurdischen Dirbesiyê geboren und wuchs in einem mit dem Befreiungskampf der PKK seit dem Ende der siebziger Jahre verbundenen Familienumfeld auf: Abdullah Öcalan hatte vor seiner Entführung in die Türkei lange Jahre in Rojava und Syrien verbracht und gearbeitet. Die Organisierung der Gesellschaft Westkurdistans gegen die Unterdrückung des Baath-Regimes und die Revolution von Rojava beruht auch auf seinem Wirken und seinen Ideen.
Geprägt von diesem Bewusstsein, schloss sich Gernas Qendîl zunächst der im Juli 2012 umgesetzten Revolution an. Er verteidigte Rojava einige Jahre gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und war an verschiedenen Befreiungsoffensiven der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) beteiligt. 2016 ging er in die Berge Kurdistans.
Bei der Guerilla hielt sich Gernas Qendîl die meiste Zeit in Xakurke auf. Hier erhielt er auch seine Grundausbildung und sammelte erste praktische Erfahrungen im Kampf in den Bergen. Er galt als Experte für militärtechnische Fragen und war im Besonderen im Bereich der Sniper-Taktik erfahren.
Hêjar Bêkes
Hêjar Bêkes stammte aus der ostkurdischen Stadt Tîkab und gehörte einer Familie an, die aus Tradition seit jeher im Widerstand gegen Unterdrückung ist. Als junger Heranwachsender reifte in ihm der Wunsch, für die Freiheit des gesamten kurdischen Volkes zu kämpfen. Seine Suche nach Wegen zu diesem Ideal führten ihn zur PKK. Er schloss sich 2016 in der südkurdischen Qendîl-Region der Guerilla an. Nach einer Grundausbildung und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich spezieller Guerillataktik sowie ersten praktischen Erfahrungen im Kampf gegen die Besatzer wechselte er nach Xakurke. Hier beteiligte er sich bis zu seinem Tod an vorderster Front am Widerstand.
Sîncer Dehgulan
Sîncer Dehgulan stammte ebenfalls aus Rojhilat. Er wurde in der Stadt Bîcar als Sohn patriotischer Eltern geboren und wuchs in einem mit dem kurdischen Widerstand tief verwurzelten Umfeld auf. Zur Zeit der IS-Angriffe auf Şengal und Kobanê im Jahr 2014 organisierte er die Massenproteste in Ostkurdistan mit, die mit der Zeit in Serhildan (Aufstand) mündeten. In diesem Zusammenhang wurde er dreimal vom iranischen Regime festgenommen.
Der Guerilla Kurdistans schloss sich Sîncer Dehgulan 2016 an. Er ging zunächst nach Qendîl, wo er sich rund drei Jahre lang aufhielt. 2019 wechselte er auf eigenes Drängen hin in die Xakurke-Region. Er äußerte damals den Wunsch, im Hinblick auf die Verschärfung des Krieges dem Feind eine Lektion erteilen zu wollen.
In Xakurke angekommen, beteiligte Sîncer Dehgulan sich nicht nur am bewaffneten Kampf, sondern auch am Auf- und Ausbau der dortigen Guerillainfrastruktur, darunter den berühmten Tunnelanlagen. Am 23. August 2023 wurde er bei einem Angriff der türkischen Armee in Xakurke schwer verwundet. Genau eine Woche später erlag er trotz intensivster Bemühungen der eingesetzten Rettungskräfte seinen Verletzungen.