Türkische Kriegsverbrechen: Volksrat fordert internationales Eingreifen

Es gebe eindeutige Beweise dafür, dass die Türkei in Nord- und Ostsyrien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe. Diese Handlungen erforderten ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, fordert der Volksrat des Firat-Kantons.

Demokratischer Rat der Völker im Firat-Kanton

Der Demokratische Rat der Völker des selbstverwalteten Kantons Firat hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, in die Kriegshandlungen der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien einzugreifen. „Wir dringen darauf, dass sofort gehandelt wird“, sagte Rewşen Mehmûd als Ko-Vorsitzende des Gremiums am Samstag in Kobanê.

Ob es sich um einen Friedenseinsatz, eine militärische Intervention oder eine Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofs handeln soll, ließ Mehmûd offen. Die Regierungen müssten selbst entscheiden, wie sie gegen den türkischen Staat vorgehen. Es gebe aber eindeutige Beweise dafür, dass das NATO-Mitgliedsland Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehe, bekräftigte sie frühere Äußerungen des Volksrats. Deswegen müsse gegen Ankara ermittelt werden.

Terroristische Angriffe

Mehmûd verwies in einer vor Presseleuten verlesenen Erklärung auf schwere Luft- und Bodenangriffe auf die Zivilbevölkerung, Dienstleistungseinrichtungen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und lebenswichtige Infrastruktur. „Mit diesen terroristischen Angriffen beabsichtigt die Türkei, die Bevölkerung zu zermürben und zu vertreiben, um weitere Gebiete in unseren Regionen zu besetzen und ihrem Ziel einer kompletten Veränderung der demographischen Zusammensetzung näherzukommen“, sagte die Politikerin.


Besonders deutlich werde dieses Vorhaben im Hinblick auf den fortgesetzten Beschuss der Tişrîn-Talsperre. Der Staudamm, der sich seit rund zwei Monaten im Fokus einer Besatzungsoffensive der türkischen Armee und ihrer Söldnertruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) befindet, versorgte bis vor einigen Wochen noch nahezu den gesamten Firat-Kanton mit Wasser und Strom. Seit Mitte Dezember ist die Anlage infolge schwerer Kriegsschäden außer Betrieb, über 400.000 Menschen sind von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten.

24 zivile Todesopfer, über 200 Verletzte

Auch eine Friedenswache, die im zurückliegenden Monat aus Protest gegen die Angriffe gegen den Tişrîn-Damm ins Leben gerufen wurde, wird immer wieder bombardiert. Laut Angaben des Gesundheitskomitees der Selbstverwaltung wurden seit Beginn der friedlichen Initiative mindestens 24 Zivilist:innen bei Luft- und Drohnenangriffen gegen die Mahnwache getötet, weit über 200 weitere Menschen sind verletzt worden. „Trotzdem verhallen Appelle an die internationale Gemeinschaft, die globale Anti-IS-Koalition und Menschenrechtsorganisationen, eine eindeutige Haltung gegen die türkische Aggression einzunehmen und sich für den Schutz der Zivilbevölkerung und Infrastruktur einzusetzen, ungehört“, kritisierte Mehmûd.

Drohender Bruch des Tişrîn-Staudamms

„Die mit Kampfflugzeugen, Drohnen und Artillerie verübten Angriffe auf den Tişrîn-Damm, deren Folgen inzwischen so verheerend sind, dass ein Dammbruch droht, zielen darauf ab, die türkische Besatzung auch auf die Ostseite des Euphrat-Flusses auszuweiten“, betonte die Ko-Vorsitzende des Volksrats. „Der Fokus dieses Vorgehens liegt im Besonderen auf der Stadt Kobanê, die im Kampf gegen den IS weltweit zu einem Symbol des Widerstands wurde. Ein Dammbruch würde katastrophale Überschwemmungen auslösen, die nicht nur Millionen Menschen in Syrien in Gefahr bringen würden, sondern auch Auswirkungen bis in den Irak hätten. Dies ist eine Situation, die dringend ein internationales Eingreifen erfordert, bevor sie außer Kontrolle gerät und einen Dominoeffekt verursacht, der es unmöglich macht, diese Krise einzudämmen“, sagte Mehmûd.