In der ostkurdischen Stadt Sine (Sanandadsch) sind am Samstag zwei Menschen von iranischen Regimekräften erschossen worden. Das teilte die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw mit. Es handele sich um zwei Männer. Einer der beiden beteiligte sich demnach an einer Demonstration, als ihm ein Revolutionsgardist in den Unterleib schoss. Das zweite Opfer wurde durch einen Kopfschuss in seinem Auto getötet. Nach Darstellung von Demonstrierenden hupte der Mann als Zeichen der Solidarität mit den Protesten und zeigte das Victory-Zeichen, als er von einer Kugel getroffen wurde.
Hengaw liegen Videoaufnahmen von dem getöteten Autofahrer vor. Die Organisation dokumentierte heute zudem 70 Fälle von verletzten Protestierenden in Sine sowie in Ciwanro (Dschavanrud) und Seqiz (Saqqez) – hauptsächlich durch scharfe Munition und Tränengas. In Seqiz, der Geburtsstadt von Jina Mahsa Amini, durch deren Tod in iranischem Polizeigewahrsam Mitte September der Volksaufstand im Land seinen Anfang nahm, seien Sicherheitskräfte am Samstag mit Sturmgewehren vom Typ Kalaschnikow AK-47 aufmarschiert. Unter den dortigen Verletzten befinden sich laut Hengaw auch mehrere Bildungskräfte eines Mädchengymnasiums, das wahllos unter Beschuss genommen worden sei. In Rojhilat finden seit heute die dritte Woche in Folge Massenstreiks statt. In Sine befinden sich zahlreiche Viertel unter Kontrolle der Protestierenden.
Früher am Tag hatte die Menschenrechtsgruppe Iran Human Rights (IHR) bekannt gegeben, dass die Zahl der Todesopfer bei den landesweiten Protesten auf mindestens 185 gestiegen ist. Die meisten Toten wurden demnach in der Südostprovinz Sistan-Belutschistan gezählt. Dort starben laut IHR 90 Menschen, weit mehr als die Hälfte am „blutigen Freitag“ vergangener Woche in der Stadt Zahedan.
Unter den Todesopfern der Revolte in Rojhilat und Iran befinden sich auch viele junge Frauen und Minderjährige. Die Organisation IHR sprach von mindestens 19 Personen unter 18 Jahren, die seit Beginn des Aufstands von Sicherheitskräften ermordet wurden. Hengaw konnte inzwischen die Identität von 26 getöteten Jugendlichen bestätigen. Außerdem wurden seit Beginn der Proteste weit mehr als tausend Menschen verhaftet, darunter führende Aktive der Zivilgesellschaft, Intellektuelle, Kunstschaffende, Frauenrechtsaktivistinnen und Journalist:innen.