Seit Mitte April versucht die türkische Armee erneut, die südkurdischen Medya-Verteidigungsgebiete Zap, Metîna und Avaşîn zu erobern. Dabei stößt sie auf heftigen Widerstand der Guerilla. Nachdem ein ähnlicher Angriff im vergangenen Jahr gescheitert war, stützt sich die türkische Armee in diesem Jahr noch wesentlich stärker auf kurdische Kollaborateure der vom Barzanî-Clan kontrollierten südkurdischen Regierungspartei PDK. Die nepotistische Partei hält sich durch Repression und ein System des Klientelismus an der Macht. Ähnlich wie in der Türkei die AKP setzt die PDK auf Verhaftungen und Festnahmen, während die ganze Region in einer tiefen Wirtschaftskrise versinkt. Gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya beschreibt der Journalist und Autor Nizar Bêcan aus der Kurdistan-Region Irak (KRI) die Herrschaftstechniken der PDK.
„Hungerkrieg hat begonnen“
Bêcan berichtet, dass die Repression gegenüber der Bevölkerung in letzter Zeit weiterhin zunehme, was bedeute, dass immer mehr Menschen festgenommen oder inhaftiert, aber auch entführt oder ermordet würden. Die politische Repression durch die PDK werde jeden Tag schlimmer. Ähnlich wie in der Türkei würden Menschen mittlerweile schon wegen „Likes“ PDK-kritischer Aussagen in den virtuellen Medien inhaftiert. Insbesondere die Presse und die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt. Gleichzeitig werde versucht, die Menschen durch Hunger zu „erziehen“. Bêcan führt aus: „Neben der Einschränkung der Freiheiten in Südkurdistan hat ein Hungerkrieg begonnen. Während die Menschen nicht genug zu essen haben, verfault Getreide in den prall gefüllten Speichern. Das geschieht bewusst. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Menschen durch Hunger dazu gebracht werden sollen, ihre Stimme nicht gegen die Regierung zu erheben.“
„Schweigen aus Angst vor Verhaftung und Tod“
Bêcan sieht den Geist des türkischen Diktators Erdoğan in der PDK walten. „Es lastet eine große Repression und Unterdrückung auf den Menschen in Südkurdistan", erklärt er. „65 Prozent der PDK-Mitglieder sind mit dieser Politik unzufrieden. Diejenigen, die mit der Politik der PDK unzufrieden sind, erheben ihre Stimme aber nicht, denn sie haben Angst, verhaftet oder getötet zu werden. Diejenigen, die die PDK unterstützen, sind Peschmerga und Beamte. Sie arbeiten mit der PDK zusammen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber auch sie warten darauf, dass sich der erste Funke entzündet.“
„Barzanî gleicht Kenan Evren“
Bêcan vergleicht den südkurdischen Regierungschef Mesrûr Barzanî (PDK) mit dem Chef der türkischen Militärjunta von 1980, Kenan Evren. Er erklärt: „Als Mesrûr Barzanî an die Macht kam, brachte er der Bevölkerung die gleichen Übel, die Kenan Evren den Menschen in Nordkurdistan angetan hatte. Alles, was er tut, ist wie ein Abziehbild von Kenan Evren. Seit 1991 ist PDK Komplizin bei jedem Verbrechen des türkischen Staates. Die PDK steckt so tief in diesem Sumpf, dass sie nicht mehr herauskommen kann. Die PDK in der südkurdischen Regierung und die Parteien, die sie unterstützen, sind alle eins.“
„Ein Vulkan vor dem Ausbruch“
Bêcan schließt mit den Worten: „Die südkurdische Regierung gibt der Türkei alles, um sich vor der Gesellschaft zu schützen. Denn sie hat Angst vor der Gesellschaft. Inzwischen können sich die Menschen in Südkurdistan hinstellen und sagen: ‚Mein Vater, der im Birakûjî [Bruderkrieg] gestorben ist, ist kein Märtyrer‘. Dass die Menschen das sagen können, macht der PDK Angst. Die Bevölkerung von Südkurdistan schläft nicht mehr, sie wartet nur auf einen Funken. Die Ungerechtigkeiten und die Rechtlosigkeit, unter denen die Menschen in Südkurdistan leiden, haben einen Vulkan wachsen lassen, der bereit ist, jeden Moment zu explodieren. Die PDK wird am Ende stürzen, aber die Menschen in Südkurdistan müssen bereits vorher etwas unternehmen. Hören wir auf, an der kurdischen Einheit zu arbeiten, denn die Kurdinnen und Kurden sind bereits eins. Wenn ein Angriff kommt, dann fallen Kurden aus allen vier Teilen gemeinsam. Nur die Familie Barzanî sollte von jeglicher Arbeit unter Vorzeichen der kurdischen Identität ausgeschlossen und ausgegrenzt werden. Denn diese Familie ist zu jedem Schritt bereit, den die Feinde der Kurdinnen und Kurden gehen wollen.“