Staatsterror in Kurdistan
Nach einer mehrwöchigen Dorfbelagerung in der kurdischen Provinz Êlih (tr. Batman) durch das türkische Militär sind neun Menschen am Samstag wegen vermeintlichen „Terrorverdachts“ verhaftet worden. Unter ihnen sind auch drei Frauen im Alter zwischen 54 und 59 Jahren. Die Anschuldigungen, die gegen sie vorgebracht werden, lauten auf Unterstützung und Finanzierung einer „Terrororganisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Generalstaatsanwaltschaft Batman äußerte sich nicht dazu, ob und wann Anklage erhoben wird.
Bei den Verhafteten handelt es sich um Bewohnende von Bilêxşê. Das Dorf, dessen türkischer Name Dereiçi lautet und im Torê-Gebiet im südlich der Provinz Êlih gelegenen Landkreis Kercews (Gercüş) liegt, war zwischen dem 22. Juni und 6. Juli aufgrund einer Militäroperation faktisch von der Außenwelt abgeschnitten, es galt eine Ausgangssperre.
Hinterlassenschaften der türkischen Armee in Bilêxşê © MA
Am letzten Tag der Operation wurde Bilêxşê von Soldaten überfallen: Die Dorfbevölkerung musste sich in der Moschee einfinden, danach wurden alle Häuser durchsucht. In der Folge nahm das Militär insgesamt elf Personen unter Anwendung von Gewalt in Gewahrsam, drei weitere Festnahmen im Zusammenhang mit dem Vorgehen fanden in der Provinzhauptstadt Êlih statt.
Drei Bewohnerinnen von Bilêxşê, die nun in Untersuchungshaft sitzen © MA
Nach 72 Stunden in einer Arrestzelle bei der türkischen Gendarmerie hatte die Strafabteilung des Amtsgerichts Batman am letzten Dienstag einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erteilung eines Haftbefehls in elf Fällen abgewiesen und alle vierzehn Festgenommenen ohne Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Dieser Beschluss wurde nun von demselben Gericht nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft wieder gekippt. Diesmal ließ die Behörde allerdings nur elf Personen festnehmen – gegen zwei von ihnen verhängte die Kammer polizeiliche Meldeauflagen. Alle anderen, bei denen es sich um Emine Kaya (54), Nezete Bölek (58), Sare Kaya (59), Zübeyir Şimşek (41), Habib Kaya (61), İsa Gitmez (60), Nedim Kaya (62), Yusuf Bölek (68) und Murat Gelir (24) – letzterer ist der Gemeindevorsteher von Bilêxşê – befinden sich seit gestern im Gefängnis. Wie lange sie in Untersuchungshaft bleiben, ist völlig offen.
Kampfhubschrauberbeschuss in Mawa, der am 22. Juni 2024 ein Buschfeuer unweit von Bilêxşê auslöste © MA
Luftangriffe auf Dorf
Die Militäroperation in Êlih war am 18. Juni in der Mawa-Region im Landkreis Heskîf (Hasankeyf) eingeleitet und anschließend auf Kercews ausgeweitet worden. Im Zuge schwerer Auseinandersetzungen sowie heftiger Artillerie- und Luftangriffe waren mehrere Kämpfer:innen der kurdischen Guerilla ums Leben gekommen. Die Dorfbevölkerung wurde im Verlauf der Operation von der Armee terrorisiert, durch Angriffe aus Kampfhubschraubern waren an mehreren Stellen Brände im Gelände ausgelöst worden. Eines der Buschfeuer hatte sich auf Bilêxşê zubewegt, Löschversuche durch die Feuerwehr waren vom Militär unterbunden worden. Einsetzender Regen hatte die Flammen schließlich gelöscht.