Attentat im Auftrag des türkischen Geheimdienstes
Ein Jahr nach dem Mordanschlag auf Deniz Cevdet Bülbün in der KNK-Vertretung in Hewlêr (Erbil) sind zwei Tatbeteiligte in der Hauptstadt der Kurdistan-Region des Irak zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Dem Nationalkongress Kurdistan (KNK) reichen diese Verurteilungen nicht. Der Verband mit Hauptsitz in Brüssel fordert die Bestrafung der Auftraggeber vom türkischen Geheimdienst MIT und die Aufdeckung des Agentennetzwerks in der Region, um weitere Attentate zu verhindern. In Südkurdistan seien Nachrichtendienste aus vielen Ländern aktiv, und insbesondere der MIT habe ein terroristisches Netzwerk aufgebaut, warnte der KNK in einer Mitteilung.
Deniz Cevdet Bülbün ist am 18. September 2023 in der KNK-Vertretung im Raperîn-Viertel in Hewlêr erschossen worden. Der 36-Jährige stammte ursprünglich aus Gever (tr. Yüksekova) in Nordkurdistan und floh vor politischer Verfolgung durch das türkische Regime. 2011 wurde Bülbün verhaftet und war knapp anderthalb Jahre in Wan im Gefängnis. Nach seiner Entlassung arbeitete er im Vorstand des Vereins Kurdî-Der in Gever und gab Kurdischunterricht. Zwischen 2014 und 2016 unterrichtete er in der Politikakademie Gever und war Mitglied in dem selbstverwalteten Volksrat der Stadt. Weil nach dem Widerstand für Selbstverwaltung im Jahr 2015 nach ihm gefahndet wurde, ging er 2016 nach Rojava und setzte seine Forschungsarbeit zur kurdischen Sprache und Kultur fort. Seit 2019 lebte er in der Hewlêr, wo er für den KNK arbeitete.
Der KNK erklärte, dass Bülbün von einem bisher nicht gefassten MIT-Attentäter erschossen wurde. Nach dem Mord seien zwei Tatverdächtige in Hewlêr festgenommen worden, der Prozess ein mehrmals verschoben worden. „Ein Jahr nach dem Verbrechen verkündete das Strafgericht Hewlêr in der zweiten Sitzung ein Urteil. Am 10. September 2024 wurden die beiden Angeklagten C.S. und N.E. gemäß Artikel 2 des Antiterrorismusgesetzes der Region Kurdistan zu lebenslanger Haft verurteilt“, so der KNK.
Zusätzlich seien die Beschuldigten wegen Spionage und Gefährdung der Sicherheit zu weiteren zehn bzw. sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die beiden Angeklagten hätten gestanden, für den MIT zu arbeiten und dem Attentäter Beihilfe geleistet zu haben. Ebenso hätten sie zugegeben, auf Anweisung des MIT Spionagenetze in der Region Kurdistan aufgebaut und Dutzende Menschen überwacht zu haben.
Der KNK wies darauf hin, dass laut der Ermittlungen der Sicherheitsbehörden weitere acht Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord an Bülbün gesucht werden. Darunter seien neben dem Haupttäter weitere Funktionäre und Mitarbeiter des MIT.
„Als KNK werden wir diesen Fall bis zum Ende verfolgen. Alle Beteiligten und Verantwortlichen des terroristischen Anschlags müssen entlarvt, vor Gericht gestellt und bestraft werden. Andernfalls wird ein riesiges Spionagenetz unter der Führung des MIT in Zukunft weitere Terrorakte verüben. Die Aufgabe der Regierung der Region Kurdistan besteht nicht darin, Geheimdienstorganisationen die Tür zu öffnen, sondern sie aufzudecken und Verbrechen zu verhindern“, erklärte der kurdische Nationalkongress.