Junger Mann in Midyad von Dorfschützer erschossen

In Midyad ist ein junger Mann offenbar vom Chef eines Dorfschützerverbands erschossen worden. Das Dorf, in dem sich der Vorfall zugetragen hat, wurde von der Gendarmerie abgeriegelt.

In der nordkurdischen Provinz Mêrdîn ist ein junger Mann offenbar von einem Dorfschützer erschossen worden. Angehörige des Opfers Mazlum Çelik sagten am Sonntag der kurdischen Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), der Mann sei von Kugeln aus der Waffe des Dorfschützerchefs Şirin Akçay getroffen worden und sofort tot gewesen. Zuvor soll es einen Streit zwischen den Männern gegeben haben, die Hintergründe seien aber noch völlig unklar.

Der tödliche Vorfall ereignete sich demnach am Sonntagnachmittag im Dorf Mesken (tr. Çamyurt), das im Kreis Midyad liegt. Die Leiche von Mazlum Çelik wurde zunächst in eine Klinik in Midyad gebracht, die Autopsie soll aber im staatlichen Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Mêrdîn durchgeführt werden. Die Ortschaft Mesken wurde derweil von der Militärpolizei (Gendarmerie) abgeriegelt, an den Zufahrtswegen patrouillieren Soldaten. Ob der zunächst flüchtige Şirin Akçay, der zugleich auch der Ortsvorsteher von Mesken ist, inzwischen festgenommen wurde, ist nicht bekannt.

Das erste Mal für Schlagzeilen sorgte Şirin Akçay im Jahr 2013, als er mit zwei weiteren Dorfschützern in Midyad zielgerichtet auf Demonstrierende schoss, die gegen die Tötung von Medeni Yıldırım protestieren. Der 18-Jährige war am 28. Juni 2013 in einem Dorf nahe Licê bei einem Protest gegen den Ausbau eines Militärstützpunkts von einem türkischen Soldaten erschossen worden. Bei der Demonstration in Midyad wurden drei Menschen von den Dorfschützern verletzt. Nur Şirin Akçay kam damals vorübergehend in Untersuchungshaft. Nach gerade einmal einem Jahr konnte er das Gefängnis verlassen.

Was sind Dorfschützer?

Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und unliebsame Oppositionelle eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil der Dorfschützer tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Als historisches Vorbild der Dorfschützer gelten die Hamidiye-Regimenter im Osmanischen Reich. Das heutige Dorfschützersystem ist 1985 entstanden, ein Jahr nach dem Auftakt des bewaffneten Kampfes der Arbeiterpartei Kurdistans. Damals begann die türkische Regierung unter Turgut Özal damit, kurdische Stämme und Clans im Krieg gegen die PKK anzuwerben und zu bewaffnen. Tausende kurdische Dörfer, die das Dorfschützersystem ablehnten, wurden in den 1990er Jahren vom Staat niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.