HPG geben Namen von vier Metîna-Gefallenen bekannt

Die Guerillakämpfer:innen Şevîn Çekdar, Arîn Armanc, Suphi Tolhildan und Çekdar Canfeda Med sind im Widerstand gegen die türkische Invasion in der Metîna-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen.

Die Guerillakämpfer:innen Şevîn Çekdar, Arîn Armanc, Suphi Tolhildan und Çekdar Canfeda Med sind im Widerstand gegen die türkische Invasion in der Metîna-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen. Das gibt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) bekannt: „Unsere Weggefährt:innen Şevîn, Arîn, Suphi und Çekdar waren seit Beginn der Besatzungsangriffe des türkischen Kolonialstaates pausenlos im Einsatz, um ihre Freund:innen in den Widerstandsgebieten durch ihre meisterhafte Anwendung der mobilen Guerillakampftaktik zu unterstützen. Vom ersten Moment der Invasion an eilten sie von einer Front zur nächsten, gaben die ersten Schüsse auf den Feind ab und versetzten ihm entscheidende Schläge. Sie alle trugen einen Geist in sich, der sich durch vollkommene Selbstlosigkeit auszeichnete. Zu verschiedenen Zeitpunkten schlossen sie sich der Karawane der Gefallenen an.“

                            

Codename: Şevîn Çekdar

Vor- und Nachname: Şeyda Eren

Geburtsort: Şirnex

Namen von Mutter und Vater: Suphiye – Ömer

Todestag und -ort: 24. September 2022 / Metîna

 

 

Codename: Arîn Armanc

Vor- und Nachname: Mizgîn Eren

Geburtsort: Aydın

Namen von Mutter und Vater: Yıldız – Emin

Todestag und -ort: 23. Juli 2022 / Metîna

 

 

Codename: Suphi Tolhildan

Vor- und Nachname: Yılmaz Beşaltı

Geburtsort: Adana

Namen von Mutter und Vater: Naime – Nasır

Todestag und -ort: 23. Juli 2022 / Metîna

 

 

Codename: Çekdar Canfeda Med

Vor- und Nachname: Enver Çelik

Geburtsort: Adana

Namen von Mutter und Vater: Fatim – Mahir

Todestag und -ort: 12. August 2022 / Metîna

 

Die HPG sprechen den Angehörigen der Gefallenen und der kurdischen Gesellschaft ihr Mitgefühl angesichts des Todes der vier Guerillakämpfer:innen aus und erklären: „Es wird unsere grundlegendste Pflicht sein, in die Fußstapfen dieser wertvollen Kamerad:innen zu treten, die sich zu keinem Zeitpunkt von ihrer kämpferischen Haltung in ihrem Leben und ihrer selbstlosen Teilnahme am Krieg abwandten. Die Erinnerung an Şevîn, Arîn, Suphi und Çekdar wird stets wach bleiben.“ Zu den Biografien der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

Şevîn Çekdar

Şevîn Çekdar wurde als Tochter einer dem kurdischen Befreiungskampf verbundenen Familie in Cizîr geboren. Die zur Provinz Şirnex (tr. Şırnak) gehörende Kreisstadt gilt als Herz der Widerstandshochburg Botan. In einem vom Widerstand gegen die staatliche Unterdrückung geprägten Umfeld wuchs Şevîn Çekdar zu einer kämpferischen jungen Frau heran und beteiligte sich als solche an den Aktivitäten der revolutionären Jugendbewegung. Sie zählte zu den federführenden Kämpferinnen gegen staatlich geförderten Drogenhandel und Prostitution, die in Nordkurdistan als Mittel der Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden. Im Zuge dieses Engagements geriet sie in den Fokus staatlicher Kräfte und wurde sogar verletzt. Nach dieser Erfahrung entschloss sie sich, in die Berge zu gehen.


Der Guerilla schloss sich Şevîn Çekdar 2015 in Amed (Diyarbakir) an. Nach einer Weile führte es sie in die Medya-Verteidigungsgebiete. Hier schloss sie ihre Grundausbildungen ab und setzte sich intensiver mit der Frauenbefreiungsideologie Abdullah Öcalans auseinander, bevor sie erste praktische Erfahrungen im Kampf sammelte. Parallel zum Umstrukturierungsprozess in den Bergen entwickelte sie sich zu einer versierten Kommandantin der autonomen Frauenguerilla YJA Star. Sie galt als Pionierin der neuzeitlichen Guerillataktiken. Ihr letztes Einsatzgebiet war Metîna. Dort beteiligte sie sich seit April am Widerstand gegen die türkische Invasion Südkurdistans.

Arîn Armanc

Arîn Armanc wurde im westtürkischen Aydın als Tochter einer kurdischen Familie aus Tetwan (Tatvan) geboren. Ihr bürgerlicher Name lautete Mizgîn – benannt nach der Guerillakommandantin und Pionierin der kurdischen Widerstandsmusik Hozan Mizgîn, die wie Arîn Armanc aus Tetwan stammte. „Auch wenn sie fern ihrer Heimat aufwuchs, schlug das Herz Hevala Arîns einzig für ihr Volk“, schreiben die HPG in einem Nachruf auf die Kämpferin.


Als der türkische Staat 2015 den totalen Vernichtungskrieg gegen die kurdische Bevölkerung einleiteten und im darauffolgenden Winter ganze Städte in Nordkurdistan im Zuge der Ausgangssperren und Militärbelagerungen dem Erdboden gleichgemacht wurden, entschloss sich Arîn Armanc gemeinsam mit ihrer Cousine Tülay Eren, zur Guerilla zu gehen. Den ersten Schritt in den bewaffneten Widerstand machten beide Frauen in Gever (Yüksekova), wo sie sich am „Städtekrieg“ beteiligten. Dort kam Tülay Eren ums Leben. Arîn Armanc ging daraufhin in die Medya-Verteidigungsgebiete und engagierte sich zunächst in den Reihen von Komalên Ciwan. In Gare ließ sie sich zur Guerillakämpferin ausbilden und war danach drei Jahre lang in dieser Region aktiv. Seit 2020 hielt sie sich mit Unterbrechungen in Metîna auf. Sie beteiligte sich am Widerstand in Heftanîn und kämpfte auch in Zap und Avaşîn. Außerdem war sie Teil der Guerillaeinheiten, die den legendären Widerstand am Zendûra anführten. Mit Beginn der Invasion im April bezog sie Stellung am Girê Hekarî und war an den dortigen Aktionen in federführender Mission beteiligt. Am 30. Juni führte sie eine „Fedai-Aktion“ durch, indem sie eine türkische Militärstellung am Girê Hekarî überrannte. „Hevala Arîn kämpfte bis zur letzten Kugel. Sie hat zahlreiche Feinde mit dem Tod bestraft.“

Suphi Tolhildan

Suphi Tolhildan stammte gebürtig aus Pirsûs (Suruç), wurde jedoch in der türkischen Südprozinv Adana geboren. Er wuchs in einem patriotischen Umfeld auf und lernte die kurdische Befreiungsbewegung im Kindesalter kennen. Als Jugendlicher wurde er aktiv und beteiligte sich lange Jahre „an den revolutionären Aufgaben“, wie die HPG schreiben. Dazu zählten neben Organisierungsarbeiten auch „Aktionen gegen den genozidalen türkischen Staat“, heißt es. Er war befreundet mit Suphi Nejat Ağırnaslı, einem führenden Linken in der Türkei, der als internationalistischer YPG-Kämpfer 2014 bei der Verteidigung von Kobanê im Kampf gegen den IS ums Leben kam.


Suphi Tolhildan benannte sich nach seinem alten Freund, als er sich 2015 in Garzan der Guerilla anschloss. Nach einer Weile führte es ihn in die Medya-Verteidigungsgebiete und von dort aus zunächst nach Şengal, wo er an der Verteidigung des ezidischen Volkes teilnahm, das kurz zuvor Opfer eines Genozids durch den IS geworden war. Die Erfahrungen zahlreicher Anti-IS-Offensiven prägten ihn in vielerlei Hinsicht und er entwickelte sich zu einem geschätzten Guerillakommandanten. Als solcher ging er nach Metîna. Hier war er unter anderem für die Anlegung und Verteidigung der Kriegstunnel verantwortlich. Sein letztes Einsatzgebiet war ebenfalls der Girê Hekarî. Am 23. Juli kam er im nahegelegenen Çarçel-Gebiet im Zuge einer Guerillaaktion gegen türkische Trupps, die von PDK-Einheiten unterstützt wurden, ums Leben.

Çekdar Canfeda Med

Çekdar Canfeda Med wurde ebenfalls in Adana als Sohn einer dem kurdischen Befreiungskampf verbundenen Familie geboren. Die PKK lernte er bereits früh kennen. Er galt noch als Jugendlicher, als er nach der Schule zu arbeiten begann, um seine finanziell schlecht situierte Familie zu unterstützen. Später war er zunächst innerhalb der kurdischen Jugendbewegung aktiv – als Antwort auf die antikurdische Unterdrückungspraxis des türkischen Staates. Prägend für seinen Entschluss zur Guerilla zu gehen, war aber auch der Tod eines Onkels väterlicherseits, der als HPG-Kämpfer fiel.


In den Bergen war Çekdar Canfeda Med seit 2019, die meiste Zeit in Metîna. Er zählte gleichermaßen zu jenen Kämpferinnen und Kämpfern beweglicher Guerillagruppen, die mit großer Professionalität und kreativen Taktiken gegen die türkischen Invasionstruppen in Südkurdistan vorgehen. Seit Beginn der Besatzungsoperationen war er Teil des dortigen Widerstands und beteiligte sich an diversen Guerillaoffensiven. Am 12. August kam er im Kampf ums Leben.