HPG berichten über vier Gefallene

Koçerîn Rojîn, Botan Cûdî, Rênas Sason und Şevger Amed sind im September in den Medya-Verteidigungsgebieten ums Leben gekommen. Sie stammten aus Bakur und Rojhilat und kämpften im Westen und Süden Kurdistans gegen den IS und die türkischen Besatzer.

Die Guerillakämpfer:innen Koçerîn Rojîn, Botan Cûdî, Rênas Sason und Şevger Amed sind im September in den Medya-Verteidigungsgebieten gefallen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit. Die HPG würdigen die Gefallenen als beispielhafte Militante der PAJK und PKK und erklären, dass die Erinnerung an sie im Kampf weiterlebt. Den Angehörigen der Gefallenen und dem Volk Kurdistans sprechen die HPG ihr Mitgefühl aus. Zur Identität der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

                                   

Codename: Koçerîn Rojîn
Vor- und Nachname: Sabahat Güneş
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Marya – Hasan
Todestag und -ort: 15. September 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Botan Cûdî
Vor- und Nachname: Ömer Külter
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Meryem – Mahmut
Todestag und -ort: 15. September 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Rênas Sason
Vor- und Nachname: Muhammer Ezneb
Geburtsort: Makû
Namen von Mutter und Vater: Xanim – Qasim
Todestag und -ort: 15. September 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Codename: Şevger Amed
Vor- und Nachname: İbrahim Halil Yeşildeniz
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Emine – Hüseyin
Todestag und -ort: 17. September 2023 / Medya-Verteidigungsgebiete


Koçerîn Rojîn


Koçerîn Rojîn stammte aus einer Nomadenfamilie aus Botan und ist in Şirnex geboren. Ihre Familie lebte die kurdische Kultur in schlichter Form und hatte wenig Kontakt zum herrschenden System. Koçerîn wuchs auf den Hochweiden von Botan und in einer dörflichen Umgebung auf und lernte schon früh persönlich Guerillakämpfer:innen kennen. Die erste Begegnung hinterließ einen bleibenden Eindruck auf sie. Auch bei späteren Zusammentreffen war sie von dem Verhalten der Guerilla ihr gegenüber und untereinander fasziniert. Vor allem die Frauen, die mit großer Willensstärke und dem leidenschaftlichen Wunsch nach Freiheit unter schwierigen Bedingungen und mit hoher Opferbereitschaft kämpften, beeindruckten sie. 2013 schloss sie sich ihnen in Feraşîn an und folgte damit weiteren nahen Verwandten.

Weil sie das Leben in den Bergen gewöhnt war, fiel ihr die Umstellung in körperlicher Hinsicht nicht schwer. Sie war von Anfang an in der Lage, anderen neuen Kämpfer:innen zu helfen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Botan kam sie in die Medya-Verteidigungsgebiete und erhielt eine akademische Ausbildung, in der sie Lesen und Schreiben lernte und sich der ideologischen Ziele des Guerillakampfes bewusst wurde.

Nach dem IS-Überfall auf Şengal, Kerkûk und Mexmûr ging sie in das Flüchtlingslager Mexmûr, um die Bevölkerung gegen die Islamisten zu verteidigen. Sie gewann schnell die Sympathie und den Respekt der Menschen in Mexmûr, die zum größten Teil wie sie aus Botan stammten. Durch ihre aktive Beteiligung an der Verteidigung machte sie wichtige militärische Erfahrungen und wurde zu einer kompetenten Kämpferin der Frauenguerillaarmee YJA Star. Als die IS-Gefahr in Südkurdistan weniger wurde, kehrte sie in die Berge zurück und kämpfte in den folgenden Jahren gegen die türkische Armee. Sie übernahm Aufgaben in vielen verschiedenen Regionen innerhalb der Medya-Verteidigungsgebiete und kam am 15. September 2023 bei einem feindlichen Angriff ums Leben.

Botan Cûdî


Botan Cûdî ist in Şirnex geboren und gehörte dem für seinen patriotischen Widerstand bekannten Stamm der Goyî an. Die Guerilla kannte er bereits als Kind, auch die feindliche Realität des türkischen Staates lernte er früh kennen. Als Heranwachsender beteiligte er sich an der Arbeit der kurdischen Jugendbewegung. Als der IS 2014 Şengal und Rojava angriff, empfand er große Wut und suchte nach effektiven Wegen des Widerstands. 2015 ging er nach Rojava und kämpfte nach einem Ausbildungslehrgang an der Front gegen die Islamisten. Er nahm in zunächst in Rojava und dann auch in Şengal an diversen Befreiungsoffensiven teil und bewies dabei außerordentlichen Mut. In Rojava war er an der Befreiung von Tabqa und Minbic beteiligt. Im Kampf wurde er am Arm verletzt, nach seiner Genesung kehrte er zurück an die Front.

Nachdem der IS weitgehend zurückgeschlagen war, ging Botan in die Berge und schloss sich der Guerilla an. Nach einem kurzen Aufenthalt in Metîna kam er an eine Militärakademie, an der er fundierte Kenntnisse in modernen Guerillataktiken erwarb und sich zugleich ideologisch weiterbildete. Danach ging er in die Praxis und war unter anderem in Metîna, Gare, Xakurke und Xinêre. Obwohl seine alte Verwundung ihm körperliche Schwierigkeiten bereitete, war er mit großer Opferbereitschaft im Einsatz. Botan Cûdî kam am 15. September bei einem feindlichen Angriff ums Leben.

Rênas Sason


Rênas Sason ist in einem Dorf bei Makû in Rojhilat (Ostkurdistan) geboren und mit der kurdischen Kultur aufgewachsen. Bereits im jungen Alter begann er, als Teppichweber zu arbeiten. Seine Arbeit erforderte Geduld und Sorgfalt. Diese Eigenschaften wurden zu Merkmalen seiner Persönlichkeit. Weil sein Onkel bei der Guerilla war, war ihm die PKK bereits als Kind vertraut. Sein Interesse an der kurdischen Freiheitsbewegung, die in allen Teilen Kurdistans aktiv war, wuchs mit zunehmendem Alter. 2018 ging er in die Berge und schloss sich in Xakurke der Guerilla an. Sein Weg in die Berge war eine eher emotionale Entscheidung. In seiner Ausbildung beschäftigte er sich intensiv mit der Ideologie von Abdullah Öcalan sowie mit der Geschichte Kurdistans. In seiner Auseinandersetzung mit der Realität des kurdischen Volkes lernte er auch sich selbst besser kennen und erforschte die ihm bisher nicht bewussten Seiten seiner Persönlichkeit, die ihn daran hinderten, ein freies Individuum und ein revolutionärer Militanter zu sein. Gleichzeitig hatte er großes Interesse an militärischer Kompetenz, was angesichts der türkischen Angriffe auf Xakurke in dieser Zeit auch überlebensnotwendig war.


Nach der Ausbildungsphase blieb Rênas in der Region und nahm 2019 am Widerstand gegen die Besatzungsangriffe der türkischen Armee in den Gebieten Şehîd Bêrîtan und Lêlikan teil. Obwohl er noch keine militärische Erfahrung hatte, trug er mit seinem Mut und seiner waghalsigen Zielstrebigkeit zu vielen erfolgreichen Aktionen bei. Er war voller Wut auf den Feind und wurde angetrieben von dem unbändigen Wunsch, seine gefallenen Mitkämpfer:innen zu rächen. Dabei reflektierte er die in der Praxis aufgetretenen Fehler und Mängel und zog seine Lehren daraus. In der folgenden Zeit brachte er seine Fähigkeiten mit großer Begeisterung und Überzeugung in die Errichtung und den Ausbau unterirdischer Tunnelanlagen ein. In einem Bericht an die Organisation schrieb er, sein größtes Ziel sei die Freilassung von Abdullah Öcalan. Dafür sei er bereit, jede Aufgabe zu übernehmen. Rênas Sason kam am 15. September bei einem feindlichen Angriff ums Leben.

Şevger Amed


Şevger Amed ist in Amed-Erxenî geboren und in einer großen Familie mit der kurdischen Kultur aufgewachsen. Für ein Informatik-Studium zog er nach der Schule nach Konya und lebte erstmalig außerhalb Kurdistans. An der Universität wurde ihm die staatliche Verleugnung der kurdischen Identität und der herrschende Klassenwiderspruch bewusst. Er nahm die systematischen Angriffe auf sein Volk und die Ausbeutung der Menschen im Kapitalismus wahr und entwickelte eine Abwehrhaltung dagegen. Auf der Suche nach Alternativen las er viel und beschäftigte sich mit der Realität Kurdistans. Der IS-Angriff auf Şengal und Kobanê im Jahr 2014 und der unter hohen Opfern geleistete Widerstand von Kämpfer:innen aus allen Teilen Kurdistans hatten einen großen Einfluss auf ihn. Er wollte Teil dieses Widerstands sein und ging in Amed in die Berge, um sich der Guerilla anzuschließen.

Nach einer kurzen Ausbildung in Amed kam Şevger nach Besta, wo er innerhalb weniger Wochen den Gebrauch verschiedener Waffen trainierte, um sich am Kampf in Kobanê zu beteiligen. Er überquerte die türkisch-syrische Grenze und nahm an der Befreiung von Kobanê und den anschließenden Offensiven gegen den IS in Rojava teil. Diesen Einsatz empfand er als Verpflichtung, die sich aus seinem Verantwortungsgefühl gegenüber seinem Volk und der Revolution von Rojava ergab. Zu seinen Grundsätzen gehörte es, immer ganz vorne zu kämpfen. Er gewann große militärische Erfahrung und wurde zu einem professionellen Kämpfer, der verschiedene Waffengattungen und Taktiken einzusetzen wusste und seine Fähigkeiten an andere weitergab. An einer Militärakademie machte er eine Ausbildung zum Sniper und bildete Mitkämpfer:innen aus. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass der Freiheitskampf nicht nur auf militärischen Erfolgen beruht und auch eine geistige Überlegenheit erfordert. Als Wegweiser nutzte er die Schriften von Abdullah Öcalan, dessen Philosophie auch die Revolution von Rojava inspirierte.

Als der IS weitgehend zurückgeschlagen war und die Türkei 2018 Efrîn besetzte, ging Şevger zurück in die Berge zur Guerilla und setzte sich mit seiner bisherigen Praxis auseinander. Er arbeitete lange Zeit an der Errichtung von Tunnelanlagen und perfektionierte seine Fähigkeiten als Scharfschütze. Seinen Kampf setzte er bis zuletzt uneingeschränkt und mutig fort. Şevger Amed kam am 17. September bei einem feindlichen Angriff ums Leben.