HDP/YSP lehnen Boykott ab: „Diese Wahl ist unsere Wahl“

HDP und YSP werden die Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei nicht boykottieren. „Es ist keine Wahl zwischen Erdoğan und Kılıçdaroğlu. Diese Wahl ist unsere Wahl“, erklärte YSP-Sprecherin Çiğdem Kılıçgün Uçar in Ankara.

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) und die Grüne Linkspartei (YSP) werden die Stichwahl für das Präsidentenamt in der Türkei am Sonntag nicht boykottieren. Das gaben die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar und die YSP-Sprecher:innen Çiğdem Kılıçgün Uçar und Ibrahim Akın nach einer Beratung der Parteivorstände bekannt. „Wir werden in der zweiten Runde der Wahlen gemeinsam an die Urnen gehen und das Ein-Mann-Regime ändern", sagte Buldan auf einer Pressekonferenz in Ankara.

„Die Stichwahl hat den Charakter eines Referendums“

Pervin Buldan erklärte, dass am 28. Mai eine Wahl stattfinde, deren Ergebnis die kommenden Jahre prägen werde: „Wir haben es mit einem totalitären, auf absolute Macht ausgerichteten Verständnis und einer Struktur zu tun, die 21 Jahre lang ein auf einem Mann basierendes System aufgebaut hat. Deshalb ist die Wahl am 28. Mai ein Referendum zwischen denjenigen, die für einen demokratischen Wandel des Systems sind, und denjenigen, die dieses monistische Regime aufrechterhalten wollen. Lassen Sie uns zunächst feststellen, dass wir kein politisches Verständnis gutheißen, das den Widerstand gegen den demokratischen Wandel in der Gesellschaft bricht, ausnutzt, abschwächt oder ablenkt. Wir werden unseren demokratischen Kampf gegen solche Ansätze bis zum Ende fortsetzen."

Reaktion auf Absprache von Kılıçdaroğlu mit Rechtsextremisten

Mit Blick auf das gestern unterzeichnete Protokoll zwischen der nationalistischen „Siegespartei“ (Zafer Partisi) und dem Kandidaten der Nationalen Allianz, Kemal Kılıçdaroğlu (CHP), sagte Buldan: „Das Hauptziel unseres Kampfes und unserer Politik des Dritten Weges ist es, das System auf einen universellen Standard zu bringen, der die Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger, die soziale Gerechtigkeit und die Demokratie in den Vordergrund stellt, und zu verhindern, dass eine Handvoll Profiteure die Möglichkeiten des Staates und der Gesellschaft an sich reißt. Das einzige, was uns kompromisslos und unnachgiebig macht, ist diese Forderung und das Bedürfnis der unterdrückten Bevölkerung. Wir betonen nachdrücklich, dass diejenigen, die den politischen Willen der Kurdinnen und Kurden durch die Zwangsverwaltung verpfänden, auch diejenigen sind, die die Rechte und Freiheiten aller Völker der Türkei verpfänden. Es liegt nicht im Interesse der Gesellschaft, dass die kurdische Frage ungelöst bleibt. Die Republik wird sich nicht in die Demokratie integrieren können, solange dieses unlösbare Spiel nicht durchbrochen wird.

Zu Beginn des zweiten Jahrhunderts der Republik werden wir den Willen des Volkes über jeden anderen Willen stellen, egal unter welchen Umständen. Wir werden unseren Kampf für eine gemeinsame und gleichberechtigte demokratische Zukunft fortsetzen. Es muss noch einmal betont werden, dass es falsch und unmenschlich ist, Migrantinnen und Migranten oder geflüchtete Menschen für politische Interessen zu instrumentalisieren. Nicht diese Menschen sind für die aktuelle Situation verantwortlich, sondern die Regierung, die auf einer Kriegspolitik besteht und Flucht und Migration für wirtschaftliche und politische Zwecke instrumentalisiert. Das Flüchtlings- und Migrantenproblem kann nur gelöst werden, indem ein starker Friedenskampf gegen die Kriegspolitik geführt wird.“

Der Sturz des Erdoğan-Regimes ist alternativlos

Weiter führte Pervin Buldan aus: „Wir möchten betonen, dass kein politisches Kalkül und keine Interessen wertvoller sein können als die Zukunft der armen, werktätigen Völker, der Frauen und der Jugend. Wir wissen, dass nur die Grundsätze der Demokratie, des Rechts und der Freiheit gegen die Politik der Volksallianz [Bündnis der Regierungspartei AKP mit nationalistischen und islamistischen Parteien] bestehen können. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um der Öffentlichkeit noch einmal die Haltung der HDP und der Grünen Linkspartei vorzustellen, die keine anderen Sorgen haben als die gemeinsamen Interessen der Gesellschaft und ihre demokratische, gleiche und freie Zukunft, und die keine geheimen Abmachungen oder Bedingungen auf ihrer Agenda haben. Wir, die HDP und die Grüne Linkspartei, stehen einzig und allein für den Kampf des Volkes für Gleichheit, Gerechtigkeit, Recht und Freiheit ein; diese Werte sind unser einziges Kriterium, unser unerschütterliches Engagement. Wir wiederholen unser Versprechen, dass wir von dieser Haltung unter keinen Umständen abrücken werden. Das derzeitige, von Erdoğan und seinen Partnern geschaffene Freak-Regime ist die Ursache für die gesellschaftlichen Probleme. Bei den Wahlen am 28. Mai wird darüber abgestimmt, ob dieses irrationale Regime fortbestehen wird oder nicht. Bei den Wahlen am 14. Mai wurde die Forderung nach demokratischem Wandel und Wohlstand stark unterstützt, und diese Forderung spiegelte sich an den Wahlurnen wider. Millionen von Stimmen, die sich gegen das derzeitige System aussprechen, stehen für die Forderung nach mehr Freiheit, mehr Demokratie und mehr Wohlstand. Das Ziel ist der Aufbau eines freien, demokratischen und gerechten Systems ohne Diskriminierung, in dem die Menschen an der Regierung teilhaben können.

Einmal mehr zeigt sich, dass das Erdoğan-Regime diese Erwartungen und Forderungen nicht erfüllen kann. Das größte Hindernis für die Verwirklichung dieser Forderungen werden auch in Zukunft Erdoğan und dieses Regime selbst sein. Deshalb ist Erdoğan für uns niemals eine Option und die einzige Option ist, ihn und die Macht, die er repräsentiert, zu verändern. Aus diesem Grund bekräftigen wir noch einmal, dass die Anerkennung des demokratischen Urnengangs des kurdischen Volkes und der Gesellschaft der Türkei insgesamt und ihrer Erwartungen und Sehnsucht nach Demokratie, Recht, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit für uns von größter Bedeutung und Priorität ist. Am 28. Mai geben wir gemeinsam mit Millionen von Menschen der Hoffnung Ausdruck, dass wir erfolgreich sein und gemeinsam den Lauf der Geschichte in Richtung eines demokratischen Wandels drehen können. Wir glauben daran, und Sie glauben es auch. Wir werden vollzählig zur Wahl gehen, und gemeinsam werden wir das Ein-Mann-Regime verändern. Unsere eigene Stärke und der Wunsch von Millionen von Menschen nach Veränderung ist unsere größte Inspirationsquelle. Wir werden unseren Kampf beharrlich und hartnäckig fortsetzen, wir werden niemals, niemals aufgeben. Wir werden ganz bestimmt, ganz bestimmt gewinnen."

Uçar: Für den Wandel stimmen

Ähnlich äußerten sich auch die Ko-Sprecher:innen der YSP, Çiğdem Kılıçgün Uçar und Ibrahim Akın. „Mit der Entscheidung, die wir im ersten und zweiten Wahlgang getroffen haben, hat unsere Partei erklärt, dass sie für den Wandel, die Transformation und die Demokratie stimmen wird. Dabei hat sie von Anfang an auf ihrer prinzipiellen Haltung bestanden, die keiner Protokolle und Verhandlungen bedurfte, und diese verteidigt. Mehr als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler, die in der Türkei zur Wahl gegangen sind, haben den Wandel, die Transformation und die Demokratie verteidigt und dafür gestimmt. Die HDP und die Grüne Linkspartei sind das Lebenselixier dieser Forderung nach Wandel und Demokratie. Wir haben mit der Kraft, die wir von unseren Völkern erhalten haben, einen großen Kampf geführt, und wir werden dies auch weiterhin tun. Wir waren gestern die Antwort auf die Politik der Zwangsverwaltung und wir werden auch heute die Antwort auf die neuen Treuhänderdiskussionen sein. Wir werden die Politik in der Türkei von chauvinistischer und nationalistischer Sprache reinigen, denn sie entspricht nicht der Realität der Gesellschaft und der Völker. Dies ist unser Aufruf an die Bevölkerung: Unsere absolute Priorität ist es, dieses pharaonische System, das Ein-Mann-Regime, das frauenfeindliche Regime zu beenden“, erklärte Uçar und stellte klar: „Die Wahl, die uns bevorsteht, ist keine Wahl zwischen Erdoğan und Kılıçdaroğlu. Diese Wahl ist unsere Wahl. Unser Votum fällt erneut zugunsten von Demokratie, Wandel und Transformation aus.“