Drohnenterror auf der Hochalm
Ohne Sondergenehmigung gibt es keinen Zutritt zu der Berçelan-Hochalm in Colemêrg (Hakkari). Die Schäfer werden den ganzen Tag von Drohnen verfolgt.
Ohne Sondergenehmigung gibt es keinen Zutritt zu der Berçelan-Hochalm in Colemêrg (Hakkari). Die Schäfer werden den ganzen Tag von Drohnen verfolgt.
Um die Hochalmen in der nordkurdischen Provinz Colemêrg betreten zu können, braucht man einen Antrag, einen Stempel, einen Ausweis und eine Sondergenehmigung. Hunderte Hochweiden in der Region sind zu Sicherheitszonen erklärt worden, in denen der Zugang gänzlich verboten ist. Die nicht gesperrten Gebiete erfordern eine Sondererlaubnis.
Die Dorfbevölkerung der Region zieht traditionell in den Sommermonaten mit ihren Tieren auf die Hochalmen. Die Viehhaltung mit ihren Fleisch- und Milchprodukten ist oftmals ihre einzige Einkommensquelle. Aber auch die Käufer müssen für den Erwerb von Fleisch, Milch, Butter, Käse oder Wolle eine Genehmigung des Gouverneurs einholen.
Naif Kanat vergleicht die Prozedur mit der passpflichtigen Einreise in ein anderes Land. Den ganzen Tag über werden die Dorfbewohner auf der Hochweide von unbemannten Drohnen verfolgt. Nach Sonnenuntergang ist es zu gefährlich, das Zelt zu verlassen. „Wir kommen seit fünf Jahren auf diese Alm. Die Luft und das Wasser sind gut, aber alle anderen Bedingungen sind sehr schlecht. Es fühlt sich an, als ob man in einen anderen Staat reisen würde. Ohne Dokumente geht gar nichts. An Grenzübergängen reicht ein Pass aus, aber hier nicht. Du musst sowohl einen Ausweis als auch eine Sondergenehmigung haben. Ohne das hast du keine Chance, auf die Alm zu kommen.“
Die Genehmigung muss immer mitgetragen werden, erklärt Kanat. „Der Antrag muss beim Gouverneur gestellt und die Genehmigung von der Polizei abgestempelt werden. Ohne dieses Papier wird man nicht durchgelassen. Die Sommermonate auf der Alm waren immer ein Freudenfest. Berçelan gibt ganz Colemêrg die Luft zum Atmen. Seit zwei Jahren jedoch ist es hier menschenleer. Du kannst stundenlang durch die Gegend spazieren und siehst höchstens zehn Menschen. Das gesamte Gebiet ist entvölkert worden. Nach Sonnenuntergang können wir die Alm nicht verlassen. Die Hirten können nachts kein Feuer machen. Es ist hier wie in einem offenen Gefängnis. Ständig fliegen Drohnen über unseren Köpfen.“
Hayrettin Karataş ist Hirte. Zur neuen Situation auf den Hochweiden erzählt er: „Früher war es eigentlich sehr schön, hier Hirte zu sein. Es gibt weite Ebenen, viel Weidefläche und gutes Wasser. Als Erdoğan nach Colemêrg gekommen ist, hat er versprochen, dass das Hochalmverbot aufgehoben wird. Das stimmt leider nicht. Ohne Dokumente kann man nicht herkommen. Es ist fast so, als ob man in den Iran und nach Syrien reisen würde.“
Binnaz Kanat, eine der Schäferinnen in Berçelan, meint: „Wir finden hier keine Ruhe mehr. Viele der Dorfbewohner sind verhaftet worden. Unser Leben ist nicht einfach.“
Kumri Alpar ergänzt: „Die Schafe sind doch unsere einzige Einkommensquelle. Mit dem, was wir hier verdienen, kommen wir über die Runden und können unsere Kinder zur Schule gehen lassen. Jetzt sind fast alle Hochweiden Sperrgebiet. Das Leben wird immer schwieriger.“