Bundesinnenministerium unbeeindruckt von bayerischem Fahnenurteil

Trotz des eindeutigen Urteils in Bayern zur Verwendung von YPJ/YPG-Fahnen sieht das Bundesinnenministerium keinen Anlass, seine bisherige Position der Kriminalisierung dieser Symbole zu korrigieren.

Trotz eines eindeutigen Urteils des Bayerischen Oberlandesgerichts bezüglich der Verwendung von Fahnen der syrisch-kurdischen Volks- und Frauenbefreiungseinheiten YPG und YPJ sieht das Bundesinnenministerium keinen Anlass, seine bisherige Position der Kriminalisierung dieser Symbole zu korrigieren. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum „Umgang mit den Symbolen der syrisch-kurdischen Vereinigungen YPG und YPJ“.

Anfang Dezember 2020 hatte das Bayerische Oberlandesgericht in München mit einem richtungsweisenden Urteil einen vorläufigen Schlussstrich unter die massive Kriminalisierung von Symbolen und Fahnen der YPG und YPJ gesetzt. Das Gericht wies eine Revision der Staatsanwaltschaft München I gegen einen Freispruch des Amtsgerichts München bezüglich des Zeigens einer YPJ-Fahne auf einer Demonstration zurück. In seiner Urteilsbegründung stellte das Oberlandesgericht klar, dass die YPJ keine Nachfolge oder Ersatzorganisation der seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sei. Es bestehe „keine Identität zwischen YPG´J und PKK“ und es gebe keine Hinweise darauf, dass sich die PKK „durch eine formelle Widmung“ die YPJ-Fahnen zu eigen gemacht habe.

Auslöser der massiven Verfolgung der YPG- und YPJ-Symbole insbesondere im Freistaat Bayern war ein Informationsschreiben des Bundesinnenministeriums an die Länder vom 2. März 2017, das eine erweiterte Liste von Symbolen enthielt, die unter das PKK-Verbot fallen können. Enthalten waren darin auch die Symbole von YPG und YPJ sowie der in Nordsyrien aktiven Partei für eine demokratische Einheit (PYD), soweit diese nach Ansicht des Ministeriums von der PKK genutzt würden. Im Jahr 2017 wurden nach dem Rundschreiben bereits bundesweit elf Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz aufgrund von YPG- und YPJ-Symbolen eingeleitet. 2018 waren es bereits 243 solcher Verfahren, 2019 144 und 2020 89. Über die Anzahl von Verurteilungen sowie die derzeit noch bei den Staatsanwaltschaften der Länder anhängigen Ermittlungsverfahren liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

Das Bayerische Oberlandesgericht hatte in seiner Urteilsbegründung auch deutlich gemacht, dass das Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 2. März 2017 „keine Verbotsverfügung, sondern ein verwaltungsinternes Schreiben“ gewesen sei, das nur die Rechtsauffassung des Ministeriums abbilde. Die Abgeordnete Ulla Jelpke wollte nun wissen, ob die Bundesregierung angesichts der Zurückweisung der Revision durch das Bayerische Oberlandesgericht eine Aktualisierung der ihrer Ansicht nach unter das PKK-Verbot fallenden Symbole gegenüber den Ländern vornehmen wolle. „Die Bundesregierung sieht sich derzeit nicht zu einer Aktualisierung veranlasst“, stellte das Bundesinnenministerium in seiner Antwort klar. Zwar erklärte das Ministerium erneut, dass weder PYD noch YPJ in Deutschland „vereinsrechtlichen Beschränkungen“ unterliegen. Dies gelte auch für ihre Symbolik. „Nach den Feststellungen der Sicherheitsbehörden des Bundes, die auf einer Auswertung des PKK-Verbotsgeschehens in Deutschland fußen, weicht die PKK jedoch auf Kennzeichen aus, die für sich genommen zunächst keinen unmittelbaren Organisationsbezug ausweisen“, heißt es weiter. Dies gelte auch für die „in Rede stehenden Kennzeichen“ von YPG und YPJ, beharrt das Ministerium auf seiner bisherigen Auffassung.

Abzuwarten bleibt von daher, inwieweit sich das bayerische Urteil tatsächlich richtungsweisend für den Umgang der Polizei- und Justizbehörden bundesweit mit den Fahnen und Symbolen der syrisch-kurdischen Vereinigungen erweisen wird.

„Auch in Deutschland hatten YPG und YPJ aufgrund ihres Kampfes gegen die Terrororganisation IS breite Anerkennung genossen“, erklärt Ulla Jelpke zur Antwort auf ihre Kleine Anfrage. „Die plötzliche Kriminalisierung der Fahnen dieser Vereinigungen ging allein auf das Informationsschreiben des Bundesinnenministeriums zurück.“ Damit wollte die Bundesregierung dem türkischen Despoten Erdogan offensichtlich Schützenhilfe leisten, während dessen Truppen auch mit Panzern aus deutscher Lieferung in Nordsyrien einmarschierten und dort ein grausames Besatzungsregime errichteten, meint Jelpke. Die Abgeordnete weiter: „Ich erwarte vom Bundesinnenministerium, dass es nach dem Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts gegenüber den Ländern mit einem neuen Informationsschreiben für Klarheit sorgt.“ Andernfalls drohten weiterhin polizeiliche Übergriffe auf kurdische Kundgebungen aufgrund von YPG- und YPJ-Fahnen, selbst wenn deren Träger nachträglich vor Gericht Recht bekommen.