Brûsk – Ein Hirte aus Efrîn in der Guerilla
Der Kämpfer Brûsk stammt aus Efrîn. Seine Familie steht unter dem Einfluss der türkischen Besatzer dort. Er war Hirte in Efrîn, jetzt führt er Karawanen für die Guerilla.
Der Kämpfer Brûsk stammt aus Efrîn. Seine Familie steht unter dem Einfluss der türkischen Besatzer dort. Er war Hirte in Efrîn, jetzt führt er Karawanen für die Guerilla.
Der junge Mann geht, Schritt um Schritt, pausenlos längste Strecken, ohne irgendetwas dafür zu erwarten; er geht mit sicherem Schritt durch schwierigstes Gelände. Dieser junge Guerillakämpfer, den ich jeden Morgen schlammbedeckt gesehen habe, steht eines Tages in makelloser Kleidung vor mir. Eine Augenbraue hochziehend kommt er mit erwartungsvollem Blick auf mich zu und sagt: „Ich bin bereit, Heval.“ Zuerst begreife ich die Situation nicht, aber ich erkenne sie, weil er seine Socken diesmal nicht über die Şalvar gezogen hat. „Haa“, sage ich und drehe mich mit einem verlegenen Gesichtsausdruck zu ihm um. Sofort springt er auf und drückt mir den Tee in die Hand, den er mit dem aus der Schlucht gesammelten Wasser aufgebrüht hat. Ich nehme meine Kamera und gehe vor ihm in die Knie.
Wir hatten ein Interview vereinbart, aber es kam nicht zustande, weil ich mit seinem allmorgendlichen Aufbruch mit der Karawane und seiner Rückkehr nicht Schritt halten konnte. Ich traf ihn an einem Donnerstagmorgen, als es wie verrückt regnete. In der einen Hand hatte er Brennholz, in der anderen einen Maultierzügel. Ich ging den Hügel einen Pfad hinauf, während er den Hügel hinunter zu gleiten schien. Es war, als hätte er selbst den Weg an den Hängen des Berges gebaut. Er hat ihn sich so fest eingeprägt, dass er weiß, wo er anhalten muss, wo er weitergehen muss, wo er atmen muss, wo er Wasser trinken muss. Ich rufe „Hevaalll“, und er kommt mir ruhig entgegen. Maultiere mit 90 bis 100 Kilogramm Last auf dem Rücken laufen hinter ihm her, ohne sich umzusehen. Er geht ruhig im Tempo der Maultiere und die Maultiere in seinem Tempo. Ich glaube, er hat meine Stimme nicht gehört und rufe noch einmal: „Hevaalll, Hevalll!“, und plötzlich ist er verschwunden. Gerade als ich befürchtete, wir hätten uns verlaufen, steht er vor mir. Seine Socken sind über seiner Şalvar, seine Mekaps sind durch den Schlamm kaum zu erkennen. Er trägt ein dünnes braunes Hemd und eine grüne Şalvar, eine der neuen Guerillauniformen. In der Nähe seiner Augen hat er ein mittelgroßes Muttermal, das jedoch mit Schmutz und Staub bedeckt ist. In seinem Gesicht überdecken sich Sommersprossen und Staubpartikel. Er sagt „Hallo Heval“ und sofort fühle ich seine sehr ruhige Art, als ob ihm der Himmel gehöre, den wir zu erklimmen versuchen. Mit einem kurzen Lächeln durchdrang seine Wärme den eisigen Sturm. Seine Arbeit spiegelte sich in seinen Händen und seinem Gesicht wider. Er hatte auf seinem Lebensweg den unumkehrbaren Pfad in die Berge beschritten.
Als Hirte in Efrîn lernte er die Guerilla kennen
Eine Woche später, an einem anderen Donnerstag, lachen wir Seite an Seite zusammen über diese Erinnerung. Die Zeit ist hier ein sich akkumulierender Augenblick. Augenblick über Augenblick ergibt die Lebenszeit. Ich gehe mit schnellen Schritten nach draußen. „Überall ist Nebel, man kann nichts sehen“, sage ich und gehe weiter durch den Nebel. Während ich wie immer staune, erzählt er mir, wie ein Meister in der Kunst des Gehens, wie scheu der Nebel sei und dass sich der Nebel, wenn wir weiter gehen, vor uns öffnen werde. Wir durchdringen die neblige Luft und bewegen uns vorwärts. Dieses Geheimnis des Nebels hat er als Hirte in Efrîn gelernt.
Dieser junge Guerillakämpfer kam vor einem Jahr in die Berge. Weil seine Familie ihr Land während des Krieges in Efrîn nicht verlassen und geblieben ist, befindet sie sich unter der Kontrolle der Söldner der Besatzungstruppen. „Denkst du jemals an sie?“, frage ich. „Meine Familie ist Teil meines Volkes. Freiheit ist nicht einfach, das habe ich am deutlichsten von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] gelernt. Wenn wir unser Volk befreien, wird auch meine Familie befreit werden. Ich stehe in der Schuld meiner Mutter, die mich neun Monate lang im Mutterleib trug. Wenn ich meine Schuld gegenüber meinem Volk begleiche, werde ich auch meine Schuld gegenüber meiner Mutter begleichen. Die physische Geburt ist wichtig für uns, aber unsere geistige, freiwillige, gedankliche und gefühlsmäßige Geburt im Sinne der Existenz ist wichtiger und bedeutungsvoller. Das nehmen wir als Grundlage.”
Als ich ihm eine andere Frage stelle, schaut er sofort wieder auf. Ich suche einen Felsen, der weniger nass ist als die übrigen, und zeige auf ihn. Er geht hin und setzt sich dorthin, ohne etwas sagen zu müssen. Er rückt den Kragen des blauen Hemdes, das er unter seiner Uniform trägt, zurecht, faltet die Ärmel ordentlich und zieht sie hoch. „Du wirst dich erkälten“, sage ich und er antwortet: „Ich wärme mich auf, wenn ich rede.“ Dabei blickt er auf das Wasser, das durch Löcher in der Felswand fließt. Ich baue meine Kamera auf und lehne mich mit dem Rücken an einen Felsen. Aber die meisten Fragen, die ich stellen wollte, hatte er bereits beantwortet, während er lief, mit der Waffe auf dem Rücken vorwärts sprang und in das Meer aus Felsen tauchte. Und als ich sagte „Jetzt gehts los“ und auf Aufnahme drückte, gab er mir ein Zeichen zum Anhalten. Er stützte seine rechte Hand auf sein Knie, hielt dabei mit der linken Hand sein Gewehr und beobachtete, wie der Nebel über den hohen Gipfel zog.
Er sieht mir nicht in die Augen. Er berührt die Felsen, sieht zu, wie der Nebel vom Himmel in die Täler hinabsteigt, spürt den Wind auf seiner Wange und senkt wieder den Blick. Als er sagt: „Du stellst immer Fragen, Heval, lass mich doch einmal Fragen stellen“, wird mir klar, dass ich ehrlich gesagt große Angst davor habe. Er hebt den Kopf und sagt: „Hör mit dem Aufnehmen auf.“ Sein selbstbewusster Ton und sein Auftreten unterdrücken seine innere Aufregung und Besorgnis. „Du filmst, hörst und schreibst über so viele Guerillakämpfer. Wie kannst du dir das merken?“, fragt er. Bevor er seinen Satz beenden kann, bin ich es diesmal, die in den Nebel eintaucht und die Felsen berührt ...
Er ist der Guerillakämpfer Brûsk, dessen Familie unter der Kontrolle der Söldner in Efrîn lebt, der in der Gegend, in der er geboren wurde, als Schafhirte gearbeitet hat, der jetzt eine Karawane führt und für die Freiheit seines Volkes durch die Berge zieht ...