Bielefeld: Strafbefehl wegen Gedenk-Graffiti

2018 wurde das AJZ-Bielefeld von der Polizei aufgefordert, ein Abbild des kurdischen Jugendlichen Halim Dener zu entfernen, der 1994 in Hannover von einem Polizisten erschossen wurde. Wegen Nichtentfernens hat der Vorstand nun einen Strafbefehl erhalten.

Mehr als 24 Jahre lang prangt ein großes Gedenk-Graffiti, das an den 16-jährigen Kurden Halim Dener erinnert, der im Juni 1994 von einem Polizisten in Hannover erschossen wurde, an den Rolladen des AJZ (Arbeiter*innenjugendzentrum) in Bielefeld. Nach mehr als zwei Jahrzehnten forderte die Polizei im Februar 2018 das AJZ auf, das Kunstwerk zu entfernen, da es eine Straftat darstelle. Die AJZ-Verantwortlichen lehnten die Entfernung des Wandbildes ab, obwohl die Polizei für diesen Fall angeboten hatte, von einer Strafverfolgung abzusehen. Wegen Nichtentfernens hat der Vorstand nun einen Strafbefehl in Höhe von 3000 Euro erhalten.

Nach neuerer Erlasslage stellt Graffiti Verstoß gegen Vereinsgesetz dar

Das Mahnmal am Eingang des Arbeiter*innenjugendzentrums auf der Heeper Straße entstand wenige Wochen nach dem gewaltsamen Tod Halim Deners. Schockiert und wütend über diesen Mord, malte ein junger Sprayer das Gedenk-Graffiti auf den Rollladen vom Infoladen Anschlag im Gebäude des AJZ. Auf dem Bild zu sehen: „Ermordet von Bullen. Ich hoffe, dass ich nie von Bullen beim Sprühen erschossen werde“ und ein Portrait Halim Deners.

Halim Dener musste 1994 vor dem Krieg in Kurdistan fliehen, der Anfang der 1990er Jahre von Seiten des türkischen Militärs gegen die Bevölkerung eskaliert wurde. Er selbst wurde vor seiner Flucht in Polizeihaft gefoltert, sein Dorf zerstört.

Als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ kam der 16-Jährige in die Bundesrepublik Deutschland. Kurz zuvor gipfelten deutschlandweit öffentliche Hetze und ein gesellschaftlich weit verbreiteter Rassismus in Pogromen gegen Geflüchtete und Migrant*innen. In der Folge verschärfte die Bundesregierung das Asylrecht. Zur gleichen Zeit lief gegen die kurdische Bevölkerung in der Bundesrepublik eine regelrechte Hetzkampagne, die im November 1993 zum Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihr nahestehender Organisationen führte.

Am 30. Juni 1994 wurde Halim Dener beim Kleben von Plakaten von Polizisten in Zivil überrascht und bei der Festnahme aus kürzester Entfernung in den Rücken geschossen. An dieser Schussverletzung starb er wenig später. Der Polizist wurde von seinen Kollegen gedeckt, sodass die Tat nie angemessen aufgeklärt werden konnte.

Polizei verbietet Erinnerung an Opfer von Polizeigewalt

Weil der Sprayer vor fast 25 Jahren ein Symbol des kurdischen Befreiungskampfes um das Gesicht von Halim Dener setzte, sei dies jetzt strafrechtlich relevant, meint der Staatsschutz der Polizei. Seit dem Frühjahr 2017 stellt das Symbol der kurdischen Organisation CDK (Demokratische Gemeinschaft Kurdistans), die nach Auffassung der Bundesregierung eine Nachfolgeorganisation der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) ist, nach einem Erlass des Bundesinnenministeriums einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz dar. Denn das Symbol werde von der seit 1993 in Deutschland verbotenen PKK genutzt, heißt es.

Der AJZ-Vorstand hat angekündigt, sich gegen die Kriminalisierung des Graffitis juristisch zur Wehr zu setzen. In einer Erklärung riefen die Verantwortlichen zu Solidarität auf.