Behörden schließen politisches Motiv aus
Der Mann, der den CHP-Vorsitzenden Özgür Özel nach einer Gedenkveranstaltung in Istanbul körperlich attackiert hatte, wurde in Untersuchungshaft genommen. Ihm wird vorsätzlicher Körperverletzung an einer Person mit öffentlichem Amt vorgeworfen, teilte das Gericht am Dienstag mit.
Selçuk Tengioğlu (66) hatte Özel am Sonntag beim Verlassen einer Trauerfeier für den verstorbenen DEM-Abgeordneten und Vizeparlamentspräsidenten Sırrı Süreyya Önder am Istanbuler Atatürk-Kulturzentrum (AKM) angegriffen. Leibwächter griffen sofort ein, hielten ihn fest und übergaben ihn der Polizei.
Nach der Festnahme wurde Tengioğlu zunächst ins Polizeipräsidium des Bezirks Beyoğlu gebracht, später übernahm die Abteilung für Allgemeine Kriminalität der Istanbuler Polizei den Fall. Laut Ermittlern soll es keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund des Angriffs geben. Auch medizinische Untersuchungen hätten keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung ergeben, hieß es weiter.
Özel hingegen vermutet einen geplanten Angriff und nannte den stellvertretenden Polizeichef als möglichen Drahtzieher. Dieser habe dem Oppositionspolitiker während der Gedenkfeier die Nutzung des Parkhauses am AKM verweigert, wodurch Özel den Haupteingang zum Verlassen des Kulturzentrums nutzen musste. Dort habe sich der Angreifer bereits Stunden vorher positioniert.
„Dies war ein Tag, an dem wir über Frieden und Menschenrechte sprechen wollten – stattdessen geschah dieser Angriff“, erklärte Özel nach dem Vorfall. Er verurteilte die zunehmende politische Polarisierung im Land und wies darauf hin, dass bereits mehrere Oppositionspolitiker:innen in der Vergangenheit Opfer von tätlichen Angriffen wurden. „Wir haben diese Risiken in Kauf genommen, als wir dieses Amt übernommen haben. Diese Tat richtet sich nicht nur gegen mich – sie ist ein Angriff auf das gesamte demokratische System.“
Tengioğlu bereits wegen eines aufsehenerregenden Verbrechens bekannt: Im Jahr 2004 erschoss er im südtürkischen Iskenderun seine damals 17-jährige Tochter und seinen 19-jährigen Sohn. Eine weitere Tochter überlebte verletzt. Tengioğlu wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und im Jahr 2020 unter Auflagen entlassen. Seitdem lebte er offenbar in Istanbul, wo er als Küchenhilfe gearbeitet haben soll.
In seiner ersten Aussage soll der Mann angegeben haben, den Angriff nicht geplant zu haben. Er habe sich durch die CHP vernachlässigt gefühlt, nachdem ihm dort Hilfe verwehrt worden sei. Angeblich sei ein Antrag bei der CHP auf eine Essenskarte mit der Begründung abgelehnt worden, er sei kein Parteimitglied. Der Angriff auf Özel wurde parteiübergreifend verurteilt.