80-jähriges Ehepaar wegen „PKK-Unterstützung“ verhaftet

In Wan sind eine 80-Jährige und ihr ein Jahr jüngerer Ehemann aufgrund eines rechtskräftigen Urteils über zweieinhalb Jahre Haft verhaftet worden. Der Vorwurf: „Unterstützung für eine Terrororganisation“.

Als praktischer Ausdruck des antikurdischen Rassismus in der Türkei und des von der Justiz bereitwillig praktizierte Feindstrafrechts wird die Verhaftung von Makbule und Hadi Özer im Netz von kurdischen Usern bezeichnet. Die 80-Jährige aus Wan und ihr ein Jahr jüngerer Ehemann sitzen seit gestern in Haft. Dort sollen sie die nächsten zweieinhalb Jahre verbringen, falls sie den türkischen Gefängnisalltag überhaupt überleben. Grund dafür ist ein vom Kassationsgerichtshof in Ankara bestätigtes Urteil gegen das Seniorenpaar. Der Vorwurf: „Unterstützung für eine Terrororganisation“ – gemeint ist die PKK.

23. Juli 2018: Im Kreis Ertemêtan (tr. Edremit) stürmen Antiterroreinheiten der türkischen Polizei das Haus von Makbule und Hadi Özer. Siebzehn Personen halten sich zu dem Zeitpunkt dort auf, darunter vier Minderjährige. Das ältere Ehepaar sowie drei Familienmitglieder und eine Bekannte werden rund drei Stunden von den Beamten terrorisiert, beleidigt, geschlagen und bedroht. Anschließend werden sie festgenommen und zwei Tage lang in Polizeihaft verhört. Am 26. Juli findet die Überstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft statt. Şükran Yıldız, die am Tag der Razzia zu Besuch bei den Özers war, wird wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft verhaftet. Makbule, Hadi, Medeni, Übeydullah und Emrullah Özer werden freigelassen.

Hintergrund der Razzia ist ein Vorfall, der sich eine gute Woche zuvor im 45 Kilometer nordöstlich liegenden Stadtbezirk Rêya Armûşê (Ipekyolu) zugetragen hat. In der Nacht auf den 15. Juli 2018 führten paramilitärische Spezialeinheiten der türkischen Polizei eine Operation in einem Haus in der Yalım-Erez-Straße durch. Dort hatten sich zwei YPS-Mitglieder (Zivile Verteidigungseinheiten) verbarrikadiert. Erst später wurde bekannt, dass es sich um Metin Ünalmış (Numan Serhat) und Bilal Şimşek (Serhıldan Ararat) handelte. Beide Kämpfer lieferten sich zunächst ein Gefecht mit den Operationseinheiten. Die YPS nannten zwei Tote und sechs Verletzte bei der Polizei, der türkische Gouverneur sprach lediglich von drei verwundeten Beamten. Tot seien nur die beiden Personen, „die eine illegale Aktion vorbereitet“ hätten.

Anwohnende erklärten damals zu den Geschehnissen: „Um etwa 0.00 Uhr wurde das Viertel mit Dutzenden von Fahrzeugen abgesperrt. Gegen 0.20 Uhr waren zuerst zwei Schüsse zu hören. Dann war es eine Stunde still. Darauf folgten Schüsse und zwei Explosionen. Danach rissen die Schüsse bis 5.00 Uhr morgens nicht ab. Gegen 6.00 Uhr zog die Polizei mit ihren Panzern aus dem Viertel ab.“ Menschenrechtsorganisationen hatten die Vermutung geäußert, dass Metin Ünalmış und Bilal Şimşek möglicherweise Opfer von extralegalen Hinrichtungen geworden sind, als ihre Munition ausging.

Misshandelte Familie Şahin auf dem Polizeirevier in Wan

Noch in derselben Nacht war es damals zu mehreren Festnahmen gekommen. Damals traf es die Familie Şahin, die ganz in der Nähe des Tatortes wohnte. Mit Panzern wälzten Beamte den Gartenzaun ihres Hauses nieder und misshandelten die Familie – auch zwei 16-Jährige. Auf dem Polizeirevier wurde die Tortur fortgesetzt. Nur vier Tage später wurden sechs Familienmitglieder in Untersuchungshaft genommen. Auch hier lautete der Vorwurf auf PKK-Unterstützung, konkret ging es um die YPS-Kämpfer, denen geholfen worden sein soll. Hinzu kamen Beschuldigungen wie „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Beamtenbeleidigung“. Die Folter setzte sich im Gefängnis fort, neben Schlägen und Tritten wurden die Betroffenen entwürdigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen. Erst Ende 2019 konnten alle verhafteten Personen aus der Familie Şahin das Gefängnis verlassen. Die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen 66 beteiligte „Folterer“ bei der türkischen Polizei wurde mit dem Veto des Provinzgouverneurs unterbunden.