„Shengal - die Kraft der Frauen“ morgen in Reutlingen

Im Reutlinger Kulturzentrum franz.K ist am morgigen Dienstag das Theaterstück „Shengal - die Kraft der Frauen“ über die Selbstermächtigung der Ezidinnen zu sehen.

Im Reutlinger Kulturzentrum franz.K ist am morgigen Dienstagabend (10. Mai) ein ganz besonderes Theaterstück der Volksbühne Basel zu sehen: In „Shengal - die Kraft der Frauen“ erzählen Frauen und Männer aus dem Şengal-Gebiet – das letzte noch bestehende Siedlungsgebiet der ezidischen Bevölkerung –, wie sie nach der Befreiung vom sogenannten islamischen Staat beginnen, auf den Ruinen des Krieges ein neues Gesellschaftsmodel aufzubauen. Kein einfaches Unternehmen, aber eines, das großen Mut und Hoffnung macht.

„Ohne Widerstand zu leisten, wären viele von uns, die den Genozid erlebten, verrückt geworden. Später wurden wir immer wieder gefragt, ob wir Rache nehmen wollen. Das machen wir nicht. Andere Menschen anzugreifen, ist bei uns Sünde. Wenn jemand einen Fehler macht, hast du doch nicht das Recht ihn zu töten. Der Mensch kann sich verändern, daran glaube ich. Ich glaube an ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Menschen und Religionen.“ Dijwar, aus dem Shengal (2019)

Die Regisseurin Anina Jendreyko ist mit ihrem Team in den letzten Jahren mehrmals in den Şengal gereist, hat Material gesammelt und sich in eine enge Zusammenarbeit mit ezidischen Frauen begeben. Sie beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Ereignissen in den kurdischen Gebieten (Türkei, Iran, Irak, Syrien), arbeitete und lebte auch dort. Unterstützt wird sie von den kurdischen Musiker:innen, die den Dengbêj-Gesang aus dem Şengal zum Publikum bringen, und die, wie das ganze Ensemble, eine eigene biografische Verbindung zu der Region haben.

Vergangene Woche gab es Spieltermine in Zürich

Als im August 2014 der IS den Şengal überfällt, mit dem Ziel die ezidische Bevölkerung auszulöschen, ziehen sich die Peschmerga (Armee der südkurdischen Regierung KDP) und der irakische Staat zurück und überlassen die Ezid:innen ihrem Schicksal. Kämpfer:innen der kurdischen Befreiungsbewegung gelingt es, einen Korridor durch das vom IS besetzte Gebiet frei zu kämpfen und den drohenden Völkermord zu verhindern: Durch diesen Korridor können an die 150.000 ezidische Frauen, Männer und Kinder flüchten.

Die Rettung löste innerhalb der ezidischen Bevölkerung einen intensiven innergesellschaftlichen Diskurs aus. Die bis dahin nach innen orientierte und patriarchal strukturierte Gesellschaft befindet sich seitdem in einer tiefgreifenden Veränderung. Im Mittelpunkt stehen die ezidischen Frauen. Sie sind der Motor des gesellschaftspolitischen Aufbruchs.

Die Inszenierung spiegelt ein zeitgeschichtliches Zeugnis eines Aufbruchs wider, der weit über den Şengal hinaus reicht. Durch die künstlerische Arbeit des Ineinanderflechtens der Live-Musik der ezidisch-kurdischen Musiker:innen, der im Şengal gedrehten Video- und Tonaufnahmen, sowie des Textes und Spiels der Schauspieler:innen löst sich die objektive Distanz auf und schafft eine subjektive Verbindung zwischen vermeintlich fremden Welten.

„Es ist ein Theaterabend, der weit über sich hinausweist. Und heftig nachhallt, im Schrecken wie in seiner Überwindung. »Shengal – die Kraft der Frauen« setzt sich mit dem Genozid am kleinen Volk der ÊzidInnen auseinander und zeigt, wie im Widerstand und im Wiederaufbau neue Strukturen entstehen, die entscheidend von Frauen geprägt werden. Nichts in diesem Dokumentartheater ist erfunden, aber alles ist gestaltet. Der Schrecken ist nur auszuhalten, weil er eine Form bekommt. Das ist eine der zentralen Aufgaben von Kunst... Noch selten ist man aus einem thematisch so bedrückenden Abend auch so hoffnungsvoll herausgekommen.“ Alfred Schlienger (WOZ)

Mit Carmen Dalfogo, Ivan Anderson, Esrah Ugurlu, Ferhad Feqî

Musik: Süleyman Carnewa, Metin Yilmaz

Konzept, Text & Regie: Anina Jendreyko

Video: Hajo Stegers

Konzeptmitarbeit: Georg Faulhaber

Mitarbeit: Songül Talay (Vertreterin des Dachverbands des êzidischen Frauenrates e.V.)

Bühne und Kostüm: Martina Ehleiter

Regieassistenz: Petra Rotar

Hospitanz: Zeynep Yasar

Technik/Licht: Michel Jann, Haito Zimmermann

Produktionsleitung: Pascal Moor

Veranstaltungswebseite: https://www.franzk.net/eventsingle/2613