Kurdischsprachkurs für neue Interessierte startet in Hannover

Am 21. Februar, dem Internationalen Tag der Muttersprache, hat in Hannover ein neuer Kurdischsprachkurs begonnen.

Am 21. Februar, dem Internationalen Tag der Muttersprache, der 1999 von der UNESCO ausgerufen wurde, startete in Hannover ein selbstorganisierter Kurdischsprachkurs. Angelegt an neue Interessierte wurde die Geschichte der Kurdinnen und Kurden kurz skizziert und die Folgen der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik der Türkei und der internationalen Staatengemeinschaften näher angeschaut.

Am selbstorganisierten Kurdischsprachkurs nahmen 39 Personen teil. „Obwohl in Hannover am gestrigen Dienstag die öffentliche Verkehrsdienste aufgrund eines Generalstreiks lahmgelegt waren und es kaum Bewegungsmöglichkeiten gab, wurden die ersten beiden Stunden des ersten Unterrichttags sehr gut besucht“, so eine der Organisatorinnen.


Zum inhaltlichen Ablauf erklärte sie: „Wir haben eine Begrüßung, Schweigeminute, Vorstellungsrunde sowie eine geschichtliche und politische Einführung zum Thema Kurdistan gemacht und die Rolle der jeweiligen Besatzermächte nach dem ersten Weltkrieg bis in die heutige Zeit skizziert, um zu unterstreichen, dass die Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern vielmehr als dies es für Kurd:innen um ihr Überleben und ihre Existenz geht.

Kurdisch ist eine der ältesten Sprachen der Welt. Es ist eine Sprache, die viel mit Bildern und Geschichten arbeitet und ganz eng mit der Gesellschaft und Natur verbunden ist. Auch ist die Sprache eine Methode, die Familien, Clans, Stämme und eine ganze Gesellschaft über Ethnie und Religion hinaus definiert und ihre Existenz gewährleistet.

Eines der Merkmale der kurdischen Sprache ist, dass sie zum größten Teil lebendig, weiblich und ohne Hierarchie ist. Auch weil kurdisch immer von der Mutter vermittelt wurde, hat die kurdische Sprache ihre Besonderheit bis heute inne und wird meistens mündlich weitergegeben. Deshalb ist kurdisch sehr lange nur eine gesprochene Sprache gewesen.

Erst nachdem Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland etc. von Europa aus ihre Politik den Regionen des Mittleren und Nahen Osten aufgezwungen und die gesamte Region unter sich aufgeteilt haben, wurde spätestens vor 100 Jahren eine Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegen die Kurd:innen Stück für Stück in die Praxis umgesetzt. Kurd:innen und ihre kurdische Sprache sind seitdem unterdrückt und verboten und einer systematischen Assimilationspolitik ausgesetzt. Weil die Sprache erst seit dem letzten Jahrhundert mehr und mehr geschrieben wurde und sich nicht richtig, auch aufgrund des Verbots, im Bereich Bildung, Kultur und Verwaltung entwickeln konnte, konnte nahezu ein kultureller Genozid vollzogen und die kurdische Sprache zu einer fast ausgestorbenen Sprache werden. Auch heute sind Kurd:innen dieser zerstörerischen und faschistischen Politik in ihren Lebensbereichen ausgesetzt.

Kurd:innen gibt es de facto nicht, sie sind nicht offiziell anerkannt. In vielen Länder und auch in Deutschland gelten Kurd:innen als kurdischstämmige Türk:innen, Araber:innen, Iraner:innen ... mittlerweile gibt es beispielsweise sogar die Definition Deutsch-Kurde.

Wie wir aktuell bei der Erdbebenkatastrophe beobachten können, sind es unter anderem Kurd:innen, die die Bergungsarbeiten selbst organisieren, während der Staat bis zum dritten Tag nicht reagierte. Aber auch nachdem der Staat aufgetaucht ist, lässt sich sagen, dass die Hilfe nicht allen betroffenen Menschen gleich zu Gute kommt und Bergungsarbeiten nicht überall angekommen sind. Selbst in dieser tragischen Situation setzt der Staat auf seine Vernichtungspolitik.

Um dem entgegenzuwirken, bedarf es starken einer Selbstorganisierung. Das gilt auch für die kurdische Sprache. Dieser Kurdischsprachkurs sollte in diesen Rahmen verstanden werden und als Widerstand begriffen werden.

Es gibt Kurdinnen und Kurden und sie haben eine eigene Sprache und Kultur, die viel älter ist und zu den Errungenschaften der Zivilisationsentwicklung beigetragen hat. Deshalb sollte dieser Kurs nicht nur genutzt werden, um den eigenen Wortschatz zu erweitern. Vielmehr soll darüber auch ein solidarisches Bewusstsein entstehen, um die Geschlechter- und Ökologiefrage aus einer neuen Perspektive zu betrachten und um gleichzeitig Lösungsansätze aus der kurdischen Geschichte kennenzulernen. Nur so kann die kurdische Sprache am Leben gehalten und gelebt werden und zu einer lebendigen Gesellschaftsform beitragen, die im Einklang mit der Natur, Tier- und Pflanzenwelt, der Gesellschaft und unterschiedlicher Geschlechter steht.“

Der Lehrer, auf kurdisch „Mamoste“, fügte dem hinzu: „Ziel dieses Kurses ist es auch, neue Lehrerinnen und Lehrer für die kurdische Sprache über einen künftigen Intensivkurs auszubilden.“

Jeden Donnerstag, ab 2. März, um 19 Uhr findet der Sprachkurs regelmäßig an der Uni statt. Interessierte können sich gerne noch an Nav-Dem Hannover per E-Mail melden: [email protected]. Der Kurs kostet monatlich 10 Euro pro Person, um die entstehenden Kosten kollektiv decken zu können.