Guerilladokumentation Bakur: Kino kann nicht verurteilt werden

Filmemacher*innen zeigten sich besorgt darüber, dass ein Filmwerk das erste Mal in der Türkei mit einer harten Strafmaßnahme konfrontiert ist.

Wegen Gerichtsferien wurde die Verhandlung im Fall der Anklage gegen die Macher des Dokumentationsfilms Bakur/Norden vertagt. Filmemacher*innen zeigten sich besorgt darüber, dass ein Filmwerk in der Türkei mit einer harten Strafmaßnahme konfrontiert ist.

Mehr als zwei Jahre nach Erscheinungsdatum wurde gegen die Regisseure des Dokumentationsfilms Bakur/Norden, Çayan Demirel und Ertuğrul Mavioğlu, Klage wegen „Propaganda für eine Organisation“ erhoben. Vor dem Gerichtsgebäude Çağlayan kamen mehrere Filmemacher*innen zusammen, um eine gemeinsame Presseerklärung abzugeben. Neben den beiden Angeklagten waren auch der HDP-Abgeordnete Garo Paylan sowie zahlreiche Schauspieler*innen und Journalist*innen anwesend.

Nachdem ein Transparent mit der Aufschrift „Das Kino darf nicht verurteilt werden“ ausgerollt wurde, verlasen im Namen des Kollektivs Zeynep Tül Akbal Süalp, Professorin für Film und Fernsehen an der Bahçeşehir Universität, und Melih Biçer, Vorstandsmitglied der Kinoarbeiter*innengewerkschaft Sinesen, die Erklärung.

In der Erklärung wurde darauf hingewiesen, dass das erste Mal ein Filmwerk in der Türkei mit einer harten Strafmaßnahme konfrontiert ist. Sie lautet folgendermaßen:

„Wir haben uns heute hier versammelt, um unseren Freunden Çayan und Ertuğrul wegen diesem unfairen Verfahren beizustehen. Das Verfahren widerspricht dem allgemeinen Recht, der Verfassung und den Gesetzen, den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und denen des Verfassungsgerichts. Die Freiheit der Meinungsäußerung umfasst auch die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks, die die Möglichkeit bietet, am Austausch von kulturellen, politischen und sozialen Informationen und Ideen teilzunehmen. Wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, 'tragen diejenigen, die Kunstwerke schaffen, ausstellen oder vertreiben, zur Verbreitung von Ideen und Ansichten bei, die für eine demokratische Gesellschaft von großer Bedeutung sind. Aus diesem Grund sollte der Staat nicht unnötiger Weise in die Meinungsfreiheit des Kunstschaffenden eingreifen.' Nach Ansicht des Verfassungsgerichts dürfen öffentliche Behörden keine Grenzen für nicht genehme Gedanken setzen, solange sie nicht Aufstachelung zu Gewalt, Rechtfertigung von Terrorakten und Aufstachelung zum Hass auf einen bestimmten Teil der Gesellschaft beinhalten.

Wir betrachten das Verfahren gegen die Macher des Dokumentarfilms Bakur als eine Intervention in die künstlerische Ausdrucksfreiheit. Bakur ist ein Kunstwerk, dass Gewalt weder fördert, noch terroristische Akte rechtfertigt, sondern Frieden statt Hass schafft und sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen versucht. Solche Eingriffe schaffen eine abschreckende Wirkung bei Künstler*innen und führen zur Selbstzensur. Da, wo Selbstzensur beginnt und Künstler*innen die eigenen Freiheiten einschränken müssen, endet die Existenz des Kunstschaffens. Die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks ist der Garant dafür, dass der Künstler frei arbeiten und sein Werk verbreiten kann, ohne dass es zu Eingriffen kommen kann. In der Tat ist es völlig gegen das Gesetz, Werke die als freie Meinungsäußerung wertgeschätzt werden sollten, zu verurteilen und Anklage zu erheben. Daher hätte von Beginn an kein Verfahren eröffnet werden sollen. Wir rufen Filmemacher*innen, Künstler*innen, Intellektuelle und Demokrat*innen aus der Türkei und der gesamten Welt dazu auf, Zeuge zu werden, wie die künstlerische Freiheit mit Füßen getreten und Kino verdunkelt wird und fordern das sofortige Ende dieses illegalen und unrechtmäßigen Prozesses.“

Verhandlung wurde wegen Gerichtsferien vertagt

Im Anschluss an die Erklärung begaben sich Demirel und die weiteren Filmemacher*innen in das Gerichtsgebäude. Auf Anordnung der 23. Strafgerichtskammer wurde die Verhandlung vertagt und auf den 8. Februar 2018 verschoben.

Über den Dokumentationsfilm

Der Film „Eine Guerilladokumentation: Bakur (Norden) von dem Regisseur Çayan Demirel und dem Journalisten Ertuğrul Mavioğlu sowie der Produzentin Ayşe Çetinbaş sollte auf dem 34. Istanbuler Filmfestival außerhalb des Wettbewerbs gezeigt werden. Die Vorführung wurde jedoch durch die Festivalleitung vier Stunden vor der geplanten Vorführung abgesagt.

Bakur dokumentiert den Alltag und das politische Leben der Guerilla und zeigt auch den Rückzug der PKK aus den Bergen nach 2013.