Erdoğan-Anhänger wegen frauenfeindlicher Aggression verurteilt

Ein in Esslingen wohnender Erdogan-Anhänger ist wegen Beleidigung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der 48-Jährige hatte im vergangenen Jahr Teilnehmerinnen und einen männlichen Ordner der Frauentagskundgebung attackiert.

40 Tagessätze in Höhe von 40 Euro – so lautete das Urteil des Amtsgerichts Esslingen gegen einen 48 Jahre alten Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der wegen Beleidigung und Körperverletzung angeklagt war. Der Architekt, der unter anderem auch die Esslinger DITIB-Moschee entworfen hat, hatte im vergangenen Jahr einzelne Teilnehmerinnen und einen männlichen Ordner der Kundgebung zum internationalen Frauenkampftag beleidigt und sogar körperlich attackiert. Seine frauenfeindliche Aggression brachte ihm insgesamt vier Strafbefehle ein.

Vor Gericht gab der Mann an, nur „zufällig“ in eine Auseinandersetzung am Rande der Veranstaltung am 9. März auf dem Bahnhofsvorplatz geraten zu sein. Es sei mit dem Bus in die Stadt gefahren und auf dem Weg zum Einkaufen gewesen, als er an einer Demonstration vorbeikam. Beim Näherkommen habe er dann gehört, wie eine Frau mit einem Mikrofon auf Türkisch Beleidigungen gegen die Türkei und Staatschef Recep Tayyip Erdoğan von sich gegeben habe. Auf einem Flugblatt, das ihm in die Hand gedrückt worden sei, hätten zudem unwahre Aussagen über die Türkei gestanden. Desweiteren hätte es Fahnen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und Transparente mit dem Konterfei des inhaftierten Gründers Abdullah Öcalan gegeben. Den Zettel habe er sodann zerknüllt und weggeworfen. Anschließend habe es einen Streit darüber gegeben, ob die Veranstaltung angemeldet gewesen sei. Dabei sei er von immer mehr Teilnehmer*innen der Kundgebung umzingelt worden und habe um sein Leben gefürchtet. Mehrfach habe er den Notruf gewählt und über den Oberbürgermeister schließlich erreicht, dass Hilfe gekommen sei.

Vollkommen andere Version von Geschädigten

Die Version der Geschädigten und der Nebenklage klang vollkommen anders. Von PKK-Fahnen war nicht die Rede, es sei ihnen lediglich bei der Kundgebung darum gegangen, auf Frauenrechte und auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, sagten zwei Zeuginnen und der Nebenkläger einheitlich aus. Der Angeklagte sei dazugekommen, habe ein Flugblatt entgegengenommen und es zerknüllt in das Gesicht einer Teilnehmerin geworfen. Im Anschluss habe er begonnen, die Anwesenden als „Huren“ und „Schlampen“ zu beschimpfen. Als der Nebenkläger, der als Ordner bei der Veranstaltung eingesetzt war, ihm einen Platzverweis erteilen wollte, habe der Angeklagte ihm gegen den Solarplexus geschlagen, um wieder auf den Bahnhofsvorplatz zu gelangen.

Kundgebung am 9. März 2019 in Esslingen. Weit und breit keine Öcalan-Bilder | © Yeni Özgür Politika

Die drei Anklagepunkte gegen den Erdoğan-Anhänger lauteten auf Beleidigung, Beleidigung in mehreren tateinheitlichen Fällen und Körperverletzung. Nachdem zwei der fünf geladenen Zeug*innen gehört worden waren, einigten sich Staatsanwaltschaft, Verteidiger und der Nebenkläger darauf, den Vorwurf der Körperverletzung fallen zu lassen. Der Schlag habe keine schwerwiegenden Folgen gehabt und sei möglicherweise nur dazu gedacht gewesen, den Ordner aus dem Weg zu schieben. Die Vorwürfe der Beleidigung wurden aufgrund der kurzen zeitlichen Abfolge zusammengefasst.

Beteiligte verzichten auf Rechtsmittel

Insgesamt beläuft sich die Geldstrafe gegen den Angeklagten somit auf 1600 Euro. Zudem trägt er die Kosten des Verfahrens und muss für die Auslagen des Nebenklägers aufkommen. Die Beteiligten haben bereits angekündigt, dass sie auf weitere Rechtsmittel wie eine Berufung oder Revision verzichten.

Anschließende Kundgebung

Die Zuschauer*innen des Verfahrens, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelte, veranstalteten im Anschluss an die Verhandlung noch eine Kundgebung am Postmichelbrunnen, bei der sie Gewalt gegen Frauen verurteilten. Die Kommunalrätin Dilek Toy äußerte gegenüber der Tageszeitung Yeni Özgür Politika: „Wie bereits eine Zeugin vor Gericht aussagte: Dieser Angriff galt allen Frauen. Deshalb werden wir gegen Personen, die unsere demokratischen Aktionen angreifen und uns beleidigen, juristisch vorgehen. Bei diesem Verfahren ging es nicht lediglich darum, eine Bestrafung des Täters zu erwirken. In erster Linie wollten wir eine kritische Öffentlichkeit schaffen, was uns auch gelungen ist. Man kann sehr schnell vom Opfer zum Täter werden. Viele Frauen wissen nun, was wirklich geschehen ist und unterstützen uns.“