Buchvorstellung in Mailand: Die Blume aus der Wüste

In Mailand hat der ehemalige YPG-Kämpfer Davide Grasso sein Buch „Il fiore del deserto” (Die Blume aus der Wüste) vorgestellt.

Das Piano Terro, ein linkes Zentrum im Herzen einer kürzlich modernisierten, gentrifizierten Nachbarschaft in Mailand, füllte sich am Donnerstagabend bis auf den letzten Platz, weitere Menschen hörten der Präsentation stehend zu. Davide Grasso, ein Aktivist der italienischen radikalen Linken und ehemaliger YPG-Kämpfer, stellte sein neues Buch, „Il fiore del deserto” vor, welches im Dezember 2018 im Mailänder Verlag Agenzia X erschienen ist.

Das Buch handelt von der Revolution in Nordsyrien, zeigt die Prozesse auf, welche sich in der Region abspielen und gibt einen Einblick in die Mechanismen der Revolution. Es wird vom Alltag in den Kommunen, von den selbstverwalteten Flüchtlingscamps, von den freiwilligen Selbstverteidigungskräften und den Fronten der Kämpfe berichtet. Grasso schreibt über die alltägliche Kämpfe, über die Praktiken und Perspektiven der direkten, konföderalen Demokratie, über die Revolution der Frauen und all die Aspekte, in denen an der Transformation der Gesellschaft hin zu einer demokratischen, friedvollen, selbstbestimmten, organisierten Gesellschaft gearbeitet wird.

YPG-Kämpfer im Fokus der italienischen Staatsanwaltschaft

Die Veranstaltung stand zudem unter dem Einfluss der Ankündigung der Turiner Staatsanwaltschaft, Grasso und vier weitere Internationalisten unter „besondere Beobachtung” stellen zu wollen, was einer Geiselhaft gleichen und einen erheblichen Einschnitt in die Freiheit der fünf darstellen würde. Diese präventive Maßnahme, welche dadurch gerechtfertigt werden soll, dass die ehemaligen YPG-Kämpfer „die Gesellschaft gefährden könnten”, stammt noch aus der faschistischen Zeit. Laut Grasso versuchen rechte Staatsanwälte seit geraumer Zeit, Freiwillige der YPG/YPJ zu bestrafen: „Im vergangenen September beispielsweise behauptete ein Staatsanwalt, die YPG gehöre zur PKK. Er kam mit seiner Behauptung nicht durch, daher kam es nicht zu einer Klage. Doch ganz gleich, ob nun fünf Jahre vergehen oder auch zehn; die Staatsanwaltschaften werden immer Druck auf Menschen ausüben, von denen sie glauben, dass sie gegen den Kapitalismus und das Patriarchat sind. Darüber hinaus war und ist Europa nicht dafür bereit, dass sich in Syrien und Kurdistan eine egalitäre und freie Gesellschaft etabliert. Aus diesem Grund ist es ein Problem für Europa, wenn sich ein Bürger seiner Gemeinschaft entscheidet, mit revolutionären Kräften zu kämpfen und gemeinsam mit ihnen Widerstand zu leisten“.

Von der kurdischen Befreiungsbewegung lernen

In der anschließenden Fragerunde ging es auch viel um die Besatzung Efrins durch den türkischen Staat, die aktuelle Situation und den Angriffskrieg, den das türkische Militär laut Erdoğan in Kürze gegen die freien Gebiete Rojavas durchführen will. Außerdem wurde über das faschistische Potential des türkischen Staates und der verbündeten islamistischen Milizen diskutiert. Grasso sprach über den militärischen Kampf gegen diese und berichtete von seinen Fronterfahrungen. Er betonte jedoch, dass in Nord- und Ostsyrien nicht nur der Krieg das Leben bestimmt, sondern die Revolution auch eine soziale ist.

In der Diskussion zeigte sich der Unterschied zur ersten Buchpräsentation Anfang Dezember. Damals wurden im Centro Sociale Lambretta insbesondere die revolutionäre Mentalität, die Praxis dort und hier sowie das transformative Potential auf die europäische Situation diskutiert. Die Aktivistinnen und Aktivisten des Kollektivs zeigten sich vor wenigen Wochen besonders wissbegierig in der Hinsicht, inwiefern sie von der kurdischen Freiheitsbewegung für ihre eigene Praxis lernen können. Dennoch wurde am Ende auch im Piano Terra betont, wie wichtig es sei, dass alle, die sich in Europa mit der Transformation der Gesellschaft befassen, ihren Orientalismus überwinden und sich intensiv mit der Situation in Kurdistan auseinandersetzen sollten.