Moderne Sklaverei: Saisonarbeit in der türkischen Landwirtschaft

Binnenflüchtlinge aus Kurdistan und Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan werden brutal in der türkischen Landarbeit ausgebeutet. Eine der Landarbeiterinnen ist die Universitätsabsolventin Mevla Yıldız.

Insbesondere in den Sommermonaten brechen viele Saisonarbeiterinnen aus Nordkurdistan in die Metropolen der Türkei auf, um ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft zu verdienen. Viele Landarbeiter*innen kommen in die Region um Manisa. Die Saisonarbeiter*innen werden langen Arbeitszeiten, gesundheitsschädlichen, oft gar lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen unterworfen. Nach einem langen Arbeitstag werden sie in katastrophalen Verhältnissen mit dutzenden anderen Arbeiter*innen in einem Raum untergebracht. Manisa liegt gut 1.500 Kilometer von der kurdischen Metropole Amed entfernt. Mevla Yıldız (24) kommt aus Amed und arbeitet in Manisa als Saisonarbeiterin. Wir sprechen mit ihr über ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Millionen ohne Arbeit

Yıldız hat einen Abschluss in Medienwissenschaften, aber fand in ihrer Branche wie Millionen andere Akademiker*innen auch keinen Arbeitsplatz. Sie war gezwungen, ihren Lebensunterhalt in der saisonalen Landwirtschaft zu verdienen. Sie erzählt: „Die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, ähneln in vielerlei Hinsicht denen von kriegsgefangenen Sklavenarbeitern. Die Menschen, die im Krieg als Sklaven gefangen genommen wurden, wurden mit Gewalt aus ihren Heimatorten verschleppt. Auch wir sind gezwungenermaßen hierhergekommen. Wir sind 1.500 Kilometer gereist und versuchen hier mit 20 bis 25 Personen unseren Unterhalt zu verdienen. Unsere Arbeit wird von den Aufsehern zudem nicht geachtet. Wir können hier von einer Form der modernen Sklaverei sprechen. In Amed betreiben wir eigentlich auch Landwirtschaft, aber das geht nicht mehr. Weil wir die Rechnung für die ökonomische Krise bezahlen müssen, waren wir gezwungen, wie Geflüchtete unser Land zu verlassen.“

Yıldız berichtet weiter: „Uns wurde gesagt, man suche Arbeiter*innen zum Traubenpflücken. Als wir in Manisa ankamen, sagten sie uns, die Trauben seien einen Monat später dran, wir müssten Tomaten ernten. Sie gaben uns die Garantie, dass wir 50 bis 60 Tage arbeiten könnten. Wir hatten 15 Tage auf eine Arbeitsstelle gewartet und begannen dann mit der Tomatenernte. Es gibt verschiedene Techniken, um Tomaten zu ernten. Es wird nach Tonnen abgerechnet und egal wer gerade intensiv arbeitet und wer es gerade nicht tut, erhält am Ende den gleichen Lohn. Es wird in Kisten gesammelt. Für vierzig Kisten bekommen wir 75 TL (rund zwölf Euro). Wir arbeiten bis spät in den Abend hinein unter der prallen Sonne und schafft gerade so 50 bis 60 Kisten. Die Tomaten sind sehr klein. Von uns wird verlangt, dass wir die Tomaten nach Größe und Qualität wählen. Am Ende des Tages haben wir 50 bis 60 Kisten gesammelt, zehn davon gehen an den Vorarbeiter. Es gibt keine geregelten Arbeitszeiten. Wir wissen nie, wann wir zurückkehren. Wir steigen am Morgen spätestens um 4.30 Uhr auf den Traktor. Wann wir zurückkommen, ist unklar. Manchmal gehen wir früh, manchmal bleiben wir bis in die tiefe Nacht. Wir sind seit mehr als zwanzig Tagen hier.“

20 bis 30 Personen in einer Wohnung

Bevor Mevla Yıldız und die anderen aus Amed kamen. wurde ihnen eine Wohnung mit Strom, Wasser und Einrichtung versprochen. Aber die wirklichen Bedingungen waren andere: „Wir sind ein Team von 20 bis 30 Personen und leben in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. Hier gibt es nur ein Bad und eine Toilette. Es reichen keine zwei Stunden, wenn wir sie der Reihe nach benutzen. Wenn wir auf die Toilette müssen, gehen wir in die Moschee.“

Mevla Yıldız beendet ihre Ausführungen mit den Worten: „Es gibt eigentlich noch viel zu erzählen. Ich glaube aber nicht, dass es viele Menschen hören wollen.“