Heval Erdal: Kommandant mit lachendem Gesicht

Der Guerillakommandant Erdal (Engin Sincer) ist vor zwanzig Jahren bei einem Unfall im Qendîl-Gebirge in Südkurdistan ums Leben gekommen. Sein Weggefährte Haki Armanc erinnert sich an ihn als „Kommandant mit lachendem Gesicht“.

Der Guerillakommandant Erdal (Engin Sincer) ist am 18. August 2003 bei einem Unfall im Qendîl-Gebirge in Südkurdistan ums Leben gekommen. Haki Armanc, einer der Kommandanten im zentralen Hauptquartier der Volksverteidigungskräfte (HPG), hat sich aus Anlass des 20. Todestages im ANF-Interview zu seinem Weggefährten geäußert. Bei der Guerilla sei Erdal als „Kommandant mit lachendem Gesicht“ bekannt gewesen, so Armanc: „Er war ein führender Kommandant, der in seinem gesamten revolutionären Leben großen Einsatz für sein Land, sein Volk und die Menschheit geleistet hat. Er war einer unserer Kommandanten, der mit seiner Aufrichtigkeit und Bescheidenheit die Liebe aller Genossen und Genossinnen gewann. Er hat ein großes Erbe hinterlassen.“

Wie, wann und wo haben Sie Şehîd Erdal kennengelernt? In welchen Gegenden waren sie gemeinsam?

Heval Erdal ist in Maraş-Pazarcık geboren und in einer patriotischen Familie aufgewachsen. Obwohl er seit seiner Kindheit bis zu seinem Beitritt zur PKK in Deutschland lebte, blieb ihm die Liebe zu seinem Land erhalten. In jungen Jahren nahm er aktiv und in führender Position an verschiedenen Arbeiten der Freiheitsbewegung teil. 1992 kam er an die Mahsum-Korkmaz-Akademie und lernte Rêber Apo [Abdullah Öcalan] kennen. Nach seiner Ausbildung an der Akademie wurde er nach Botan geschickt und kam zunächst nach Heftanîn. 1993 kam er mit großer Freude und Stolz in die Botan-Region, in der früher unsere Kommandanten Egîd und Mustafa Yöndem, dessen Codenamen er übernahm, jahrelang in der Praxis waren. Er durchstreifte fast alle Gebiete in Botan und zeigte bei allen Aufgaben eine erfolgreiche Performance.

Bevor ich Heval Erdal persönlich kennenlernte, hatte ich von einem jungen Kommandanten gehört, der zunächst in der Kommandantur von Botan als Funker tätig und an weiteren Arbeiten beteiligt war und später in beweglichen Einheiten aktiv am Kampf teilnahm. Die Freundinnen und Freunde, die mit ihm zusammenarbeiteten, erzählten immer, dass er lebendig, fröhlich, opferbereit und mutig war.

Heval Erdal und ich lernten uns im November 1996 im Basret-Wadi in Gabar kennen. Während einer Unterhaltung mit Heval Cemal, der Kommandant der Botan-Region war, sahen wir zwei oder drei Freunde auf uns zukommen. Ohne dass jemand etwas sagte, war mir sofort klar, dass der Freund, der ganz vorne lief, Heval Erdal war. Er war mir so oft beschrieben worden, dass ich ihn auf den ersten Blick erkannte.

Wir erfuhren, dass die Einheit unter Heval Erdals Kommando in diesen Tagen eine erfolgreiche Aktion im Findikê-Gebiet durchgeführt hatte und danach zu uns gekommen war. Nachdem wir uns in den ersten Minuten gegenseitig nach unserem Befinden gefragt hatten, erzählte er detailliert, wie sie die Aktion geplant und organisiert hatten. In diesen wenigen Tagen, die wir damals zusammen verbrachten, bestätigte sich alles, was ich über ihn gehört hatte, als richtig. Mir war sogar zu wenig erzählt worden.

Dutzende erfolgreiche Aktionen in Gabar

Unsere zweite Begegnung war im Dezember 1997 in der Nähe des Dorfes Sipîviyan, ebenfalls in Gabar. Von dort aus wollten wir für eine taktische Fortbildung, die von der Botan-Kommandantur organisiert wurde, nach Besta gehen. In einer bewölkten und regnerischen Nacht machten wir uns mit Erdal und einigen weiteren Freunden auf den Weg. Als wir gegen Morgen die Rusor genannte Gegend im Şerîban-Gebiet erreichten, erfuhren wir über Funk, dass in Gabar eine umfassende Operation begonnen hatte und es an vielen Stellen zu heftigen Gefechten kam. Erdal versuchte über das kleine Funkgerät eine Verbindung zu den Freundinnen und Freunden im Kampfgebiet herzustellen, um herauszufinden, aus welcher Richtung der Feind kam und wo die Gefechte weitergingen. Er wollte ihnen eine Perspektive geben, weil er seit zwei Jahren in der Gabar-Kommandantur war und das gesamte Gelände gut kannte. Noch bevor wir Besta erreichten, hörten wir, dass die Freunde schlagkräftige Aktionen durchgeführt hatten. Dutzende feindliche Soldaten waren bestraft worden, und es wurden mehrere Waffen von ihnen erobert.

Heval Erdal hatte in dieser kurzen Zeit mit den Freundinnen und Freunden im Operationsgebiet kommuniziert und ihnen die Richtung gewiesen. Dadurch wurde mir noch klarer, welch ein kompetenter Kommandant er war.

Wir kamen nach Çalan in Besta und erfuhren, dass Heval Cemal und Kommandantinnen und Kommandanten aus allen Gebieten in Botan bereits da waren. Die Vorbereitungen auf die Bildung waren abgeschlossen, es konnte losgehen. Hier waren wir den Winter über zusammen in der Bildungsleitung. An der Bildung nahmen wertvolle Kommandanten wie Eşref Başkale, Kasım Engin, Kurtay Feraşîn und viele weitere teil, und sie wurde erfolgreich abgeschlossen. Heval Erdal war für alle Teilnehmenden verantwortlich. Er nahm bei allen Themen aktiv am Unterricht teil und war sehr bemüht, andere bei ideologischen, organisatorischen und militärischen Fragen zu unterstützen.

Zum Abschluss der Ausbildung machten wir eine Botan-Konferenz und gingen im Frühjahr 1998 mit einer von Heval Erdal angeführten Gruppe wieder nach Gabar. Heval Erdal war in der Gabar-Kommandantur und gleichzeitig als Kommandant einer mobilen Einheit ständig überall in Gabar im Einsatz. 1997/1998 haben unter seinem Kommando mit reicher Taktik Dutzende erfolgreiche Aktionen in Gabar stattgefunden. Dem Feind wurden schwere Schläge verpasst, und es wurden viele Waffen erobert. Später ging er in die Cûdî-Region und übernahm dort die Kommandantur.


Beim sechsten Kongress der PKK wurde Heval Erdal ins Zentralkomitee gewählt. Ihm wurde die Verantwortung für die damals neu organisierte Region Gabar-Mardin übertragen. Im März 1999 fand im Beisein von Heval Hüseyin Mahir, der neu aus Başûr [Südkurdistan] eingetroffen war, eine Versammlung der Regionalleitung in Gabar statt. Nach dieser von Heval Erdal angeleiteten Versammlung wurden alle Freundinnen und Freunde entsprechend der neuen Planung und Aufgabenverteilung aktiv, um effektiv gegen das internationale Komplott zu kämpfen.

Ich war 1999 die ganze Zeit mit Heval Erdal zusammen in Gabar. Wir gingen zusammen als Delegierte zum siebten PKK-Kongress. Bis er 2000 nach Europa ging, waren wir immer Seite an Seite.

Kommandant, Kämpfer, Genosse

Wie bewerten Sie Heval Erdals Art und Weise auf ideologischer, organisatorischer und militärischer Kommandoebene? Was sind ihre Beobachtungen aus diesen Jahren?

Heval Erdal stammte aus einer kurdischen, patriotischen, alevitischen Familie. Er war ein Genosse, der bereits in seiner Kindheit Zeuge der in große Gewalt und Massaker ausartenden Übergriffe des türkischen Staates gegen die kurdisch-alevitische Bevölkerung wurde. Den Schmerz des Massakers 1978 in Maraş spürte er bis ins Mark. Als er die Philosophie und Ideologie der PKK kennenlernte, erreichte er eine organisierte Ebene. Heval Erdal begriff bereits in jungen Jahren, dass die apoistische Bewegung die aufrichtigste Organisation für die Freiheit der Kurden und Kurdistans war. Deshalb schloss er sich ihr an. Er bekam bei Rêber Apo eine Ausbildung und wurde zu einem opferbereiten Guerillakämpfer und Kommandanten.

Weil er jahrelang an der Seite der Botan-Kommandantur war und sich mit hochwertigen Aktionen am Krieg beteiligte, gewann er große militärische Erfahrung. Er baute überall ideologische, organisatorische und militärische Ausbildungssysteme auf und trug viele Jahre lang zur Entwicklung der Guerilla bei. Mit seiner hohen Moral und der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit genoss er bei allen großen Respekt. Er war jemand, der je nach Bedarf ein fähiger Kommandant oder mutiger Kämpfer sein konnte oder selbstlos seinen Genossinnen und Genossen einen Dienst erwies. Sein Leben und seine Beteiligung zeugten von einer apoistischen Haltung, die in seinem Umfeld als vorbildlich wahrgenommen wurde.

Ein anderer Aspekt hinsichtlich Heval Erdals Kommandofähigkeiten war, dass er intensiv darüber nachdachte, mit welcher Planung und Taktik die besten Ergebnisse erzielt werden konnten. Er beobachtete den Feind genau, um seine starken und schwachen Seiten festzustellen. Ihm war bewusst, dass eine erfolgreiche Aktion und Kriegsführung von Details abhängen. Er setzte sich mit allen Einzelheiten auseinander und teilte seine Erkenntnisse mit den Genossinnen und Genossen in seinem Umfeld.

Wie ging er mit dem Frauenbefreiungskampf und den Genossinnen um, mit denen er zusammenarbeitete?

Es gab einige Unzulänglichkeiten angesichts der Rolle und des Auftrags, die Rêber Apo den Frauen gegeben hatte. Heval Erdal kämpfte ständig gegen diese Unzulänglichkeiten an. Vor allem unter seinen männlichen Freunden diskutierte er darüber und versuchte, dem Ganzen eine gewisse Form zu geben. Er harmonierte mit den Genossinnen, mit denen er zusammenarbeitete, und es gelang ihm, einen Teamgeist zu schaffen. Er ging aufrichtig und bescheiden auf die Freundinnen zu und versuchte stets, sie zu unterstützen. Fehler kritisierte er. Er war jedoch ein Mensch, der Vertrauen schenkte und Wert auf die Zusammenarbeit mit seinen Genossinnen legte.

Durch die Erziehung und Kultur, die er von Rêber Apo und der PKK erhalten hatte, war sich Erdal der Bedeutung der Freiheitsbewegung der Frauen bewusst. Wo immer er sich aufhielt, besprach er dieses Thema mit den Freundinnen und Freunden. Er wandte einen Stil an, der seine Freunde verbesserte. In jenen Jahren ebnete er den Frauen den Weg, vor allem indem er ihnen die Initiative bei Aktionen und Kurierdiensten übertrug. Trotz seiner ständig kritischen Haltung haben wir nie erlebt, dass er eine Genossin kränkte oder Kälte hervorrief. Er wurde auch von den Freundinnen geliebt und sein Führungsstil wurde akzeptiert.

Sein Erbe bleibt lebendig

Gibt es noch etwas, das Sie zum Schluss über Şehîd Erdal sagen wollen?

Heval Erdals Verbindung und Liebe zu seinem Land waren sehr stark. Er liebte das Guerillaleben und wollte immer in den Bergen sein. Er liebte vor allem Gabar sehr. Als er zwischen 2000 und 2003 in Europa war, hielt er ständig Kontakt mit uns in Gabar und übermittelte uns die generellen Entwicklungen. Er interessierte sich für alles in Gabar und fragte nach den Bäumen, den Früchten und den wilden Tieren. Seine Sehnsucht war immer spürbar. Obwohl er sich in Europa aufhielt, lebte er eigentlich in Botan und insbesondere in Gabar. Er wollte wissen, wie es seinen Freundinnen und Freunden dort ging.

Unter uns ist Heval Erdal als ,Kommandant mit lachendem Gesicht' bekannt. Er war ein führender Kommandant, der in seinem gesamten revolutionären Leben großen Einsatz für sein Land, sein Volk und die Menschheit geleistet hat. Er war einer unserer Kommandanten, der mit seiner Aufrichtigkeit und Bescheidenheit die Liebe aller Genossen und Genossinnen gewann. Er war ein großer Revolutionär, dem wir alle viel zu verdanken haben und der unvergessliche Spuren in unserer Revolutionsgeschichte hinterlassen hat. Als seine Weggefährten und als seine Kämpferinnen und Kämpfer werden wir das von ihm hinterlassene Erbe und die Erinnerung an ihn weiterleben lassen.