Ein deutscher Minister auf Reisen
Die Bundesrepublik und die Türkei wollen wieder ins gleiche schmutzige Boot oder: Sie waren nie ausgestiegen. – Ein Kommentar von Monika Morres
Die Bundesrepublik und die Türkei wollen wieder ins gleiche schmutzige Boot oder: Sie waren nie ausgestiegen. – Ein Kommentar von Monika Morres
Nein, verheimlichen oder vernebeln tut sie nichts, die Bundesregierung, deren geschmeidiger, knapp anzüglich gekleideter Außenminister sich anschickt, ins Land des „armen Mannes am Bosporus“ zu reisen und dem Herrn Diktator ergebenst die beschmutzten Hände zu küssen. Der smarte Herr Außenminister weiß, dass dieser Koloss nicht beißen wird, denn er will nur spielen. Spielen mit seinen Knechten, Untertanen, seinen Einst-Feinden, Jetzt-Feinden, seinen Zukunfts-Feinden und besonders mit seinen Freunden.
Und der speichelt schon mal vor, denn: die Herrschaften geben sich in den nächsten Wochen die befleckten Klinken gleich reihenweise in die Hände.“ Es ist für Deutschland von strategischem Interesse, dass wir unsere Beziehungen zur Türkei konstruktiv gestalten. Die Türkei ist mehr als ein großer Nachbar, sie ist auch ein wichtiger Partner Deutschlands.“ Zum Schlechtwerden.
Deshalb kommt der Diktator Ende September ins „Land der Dichter und Denker“, in dem er vor nicht allzu langer Zeit nur Nazis auszumachen glaubte. Solche gibt es – kein Zweifel, aber wenn ausgerechnet so jemand sowas sagt? Der rote Teppich wird gewebt, die Dschingderassabumms uniformiert und die Fressgelage mit kühnen Kreationen von gespitzten Sternenköchen in die präsidialen Töpfe erdacht.
Auf einen schönen Empfang hofft auch der osmanische Finanzminister am 21. September in Berlin und in die andere Richtung der beleibte deutsche Wirtschaftsminister, der im Oktober mitsamt einer Entourage von dunklen Anzügen aus der Wirtschaft in die Türkei reist.
Zuvor hat der feinsinnige Vizekanzler auf der Klaviatur der Diplomatie die immer gleiche Melodie gespielt und die Konzerthalle vorgewärmt. Ja, die Menschenrechte, die Menschenrechte, die Sorgen um die Deutschen hinter türkischen Gittern. Für die - und nur für die - will er sich einsetzen, der Menschenfreund: „Es ist kein Geheimnis, dass die Entwicklung der Türkei, insbesondere die Menschenrechtslage, uns Sorge bereitet und unsere Beziehungen überschattet.“ Auch zum Schlechtwerden.
Die erst kürzlich wieder in die Bundesrepublik eingereiste Journalistin Meșale Tolu (sie war sieben Monate in Geiselhaft) brachte es auf den Punkt: „Ich bin zwar heute hier, aber Hunderte Journalisten nicht. Ich kann mich daher nicht wirklich freuen, es hat sich in der Türkei, in der ich eingesperrt war, nichts verändert.“ Aber was interessieren den Herrn Außenminister die anderen? Er hat sich nur um sieben Deutsche zu kümmern. Und sind die erst mal alle wieder zu Hause, können endlich wieder die Rüstungsexporte wie früher die Grenzen überwinden und vom Herrn Diktator gegen die Kurd*innen in seinem und in fremdem Territorium eingesetzt werden.
Schöne Gastgeschenke hat der „Sozial“demokrat auch im Gepäck, an dem sich der Herr Diktator erfreuen wird. Auf dem ersten Päckchen steht „26. Internationales Kurdisches Festival am 8. September verboten“. Heißa. Auf dem zweiten heißt es „Marsch kurdischer Jugendlicher 2.-6. September plattgemacht und dann verboten“. Doppel-Heißa. Und Diktator: Deutschland unterstützt den Terrorismus und die PKK. Sozialdemokrat fürs Äußerste: Wir machen doch schon alles. Haben alle Fahnen und Symbole und – hören Sie hin – alle Öcalan-Bilder verboten. Wir verbieten Demos, Veranstaltungen und werfen Kurden in die Knäste. Diktator: Ich werde euch noch mehr türkische Geheimdienstler schicken müssen. Genug ist nicht genug.
Und was hat er noch im Koffer? Die Reisehinweise für die Türkei sind entschärft worden, weshalb der gemeine Teutone in Millionenzahl endlich wieder all inclusive die Küsten belagern kann. Das bringt Devisen. Und die braucht der Diktator dringend.
Und schließlich: Jetzt geht’s ans Zerteilen des erlegten Bären, der den Namen Syrien trägt. Was noch hatte der geschmeidige Deutsche im Januar geäußert zum Einmarsch der türkischen Armee in den Kanton Efrîn, zur Bombardierung der Stadt und Vertreibung der Bevölkerung? Ach, nichts oder vielleicht sowas wie, dass man besorgt sei ? Auch nicht? Ach, immer Menschenrechte und Völkerrecht. Woanders vielleicht, aber Rojava? Vor seiner Abreise hatte er gedroht: „Wir werden alles dafür tun, um eine humanitäre Katastrophe in Idlib zu verhindern.“ Katastrophenverhinderung in Rojava muss nicht.
Und so läuft alles wie gehabt: die alte Ordnung ist hergestellt, Heucheln geht ganz unverblümt, es darf wieder in die Hände gespuckt werden, Oppositionelle und Kurd*innen hüben wie drüben gejagt werden nach bewährter Manier und über allem liegt Ruh‘.
Aber Achtung alle: Ganz so leicht wird es ihnen nicht gemacht. Mit Widerstand und Widerwillen muss gerechnet werden. Erdoǧan is not welcome!