Diese Vereinbarung zwischen Recep Tayyip Erdoğan und Russland ist nicht neu; es stellte sich heraus, dass dieser Plan auf die Zeit vor dem Referendum in Südkurdistan zurückgeht.
Das Spiel um „Erdölabkommen“ zwischen Russland und Barzanî
Nachdem Russland die Öffnung des syrischen Luftraums genehmigt hatte, startete die Kollaboration zwischen Islamischem Staat (IS), Al-Nusra-Front und Erdoğan am 20. Januar 2018 mit Besatzungsarmee und Kampfflugzeugen den Versuch, Efrîn einzunehmen. Die Kurden und auch alle anderen internationalen Mächte wissen, dass Russland diesem Angriff zugestimmt hat. Etwas anderes dagegen ist es, dass ihm vor allem die USA, aber auch die anderen Staaten zustimmen. Wären die USA, Frankreich, England und die EU-Staaten, an erster Stelle Deutschland, sowie die arabischen Staaten, die bis heute keinerlei Reaktion zeigen, nicht einverstanden gewesen, wäre es nicht so leicht gewesen. Außerdem wären jetzt in diesen 12 Tagen keine Kinder, Frauen und Ältere als zivile Todesopfer zu beklagen.
Trotz des Wissens um die Feindseligkeit Erdoğans gegenüber der kurdischen Bevölkerung hat Russland seine eigenen schmutzigen „nationalen Interessen“ in den Vordergrund gestellt und lange überlegt, wie es die Pläne Erdoğans für sich nutzen bzw. welche Zugeständnisse es gegen die USA richten könne. Aufgrund dessen trafen sich Erdoğan und Putin im letzten Jahr fünf Mal. Während sich die beiden Führer austauschten, wurden parallel die Astana-Treffen mit dem Iran abgehalten.
Gleichzeitig wurde das Referendum in Südkurdistan vorbereitet. Um den Plan Erdoğans in Südkurdistan zu realisieren, handelte Russland einen taktischen Erdöl-Deal mit Barzanî aus, damit dieser das von der ganzen Welt ungewollte Referendum durchführt. Wäre dieser Deal nicht zustande gekommen, wäre Barzanî womöglich nicht zum Referendum bereit gewesen und eventuell einem Alternativvorschlag der USA, Englands und der EU gefolgt. Barzanî trat jedoch auch nach Abschluss des Deals mit Russland nicht vom Referendum zurück.
Das Referendum führte im Allgemeinen zu großen Verlusten. An erster Stelle zum Verlust von Xurmatu, Xaneqîn, Dakuk und Kerkûk sowie anderer Gebiete Südkurdistans, die als „umstrittene“ Gebiete gelten. Die Verluste beschränkten sich nicht nur auf Territorium; Grenzen, Zollgrenzen, Flughäfen und ein wirtschaftlicher Niedergang folgten.
Darüber hinaus wurde begonnen, mit politischen Maßnahmen die Städte von Kurden „zu säubern“. Aber erst durch die Zustimmung zur Invasion in Efrîn wird klar, dass all die Verluste auf das von Russland gewollte Referendum und den Erdöl-Deal mit Barzanî zurückgehen.
So wie auch schon die im Namen der irakischen Zentralregierung agierenden Verwalter die besetzten Gebiete Xaneqîn, Xurmatu und Kerkûk von Kurden „zu säubern“ begannen, so wird der hier verfolgte Plan durch die Erklärungen Erdoğans – „Wir werden Efrîn einnehmen und dem syrischen Volk übergeben“ – bestätigt. Denn die Äußerungen Erdoğans und des Außenministers sowie weiterer Minister der Türkei, Efrîn „zu reinigen“ und dem syrischen Volk zu übergeben, bedeuten nichts anderes, als Efrîn von Kurden „zu säubern“. Dies zeigt, dass die in Xaneqîn, Xurmatu und Kerkûk eingeleiteten Maßnahmen in ähnlicher Form auch in Efrîn angestrebt werden.
Nach den durch die irakische Zentralregierung unternommenen Schritten in Xaneqîn, Xurmatu und Kerkûk wurde kürzlich die Aktivierung der vom türkischen MIT und Erdoğan kontrollierten Irakischen Turkmenischen Front (ITC) beschleunigt, nachdem eine MIT-Delegation Kerkûk besucht und sich mit ITC und Kerkûks vorübergehendem Gouverneur Rakan Ali Cuburi getroffen hatte. Die Gleichzeitigkeit dieser Aktivitäten mit dem Versuch, Efrîn zu besetzen, zeigt, dass parallel zu agieren beschlossen wurde.
Adscharien für Kars, Efrîn für Idlib!
So wie Putin heute mit Erdoğan auf dem Rücken der Kurden verhandelt, so gibt es ähnliche Beispiele für Verhandlungen in der Sowjetunion. Dass Putin die Praxis des KGB vertraut ist, er die Informationen aus den Archiven der Sowjetunion kennt und sie im Interesse des Landes anwendet, wird mit dem Efrîn-Plan ersichtlich.
Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs schickte die Sowjetunion 1938 die Kurden an den Grenzen Armeniens und Aserbaidschans ins Exil in die zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan. Ihr Grundbesitz, die Häuser und die Arbeitsstätten wurden beschlagnahmt und den dort ansässigen anderen Volksgruppen geschenkt, um Feindseligkeiten zwischen ihnen zu schüren.
Im Jahre 1944, kurz bevor der Zweite Weltkrieg mit einem Sieg der Sowjetunion endete, waren die Kurden aus der Autonomen Republik Adscharien in Georgien in die zentralasiatischen Länder vertrieben worden. Adscharien liegt gegenüber dem Nordosten der Türkei, an den Grenzen zu den Provinzen Artvin und Ardahan, Verwaltungszentrum ist Batumi. Der Grenzübergang Sarp in Artvins Landkreis Hopa führt nach Batumi. Die Autonome Republik Adscharien, lange Zeit zum Osmanischen Reich gehörig, wurde 1921 als Adscharische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik gegründet und erhielt ihren heutigen Namen nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Georgiens. Die Autonome Republik, die der Zentralregierung Georgiens untersteht, weist eine kulturelle, historische und religiöse Nähe zur Türkei auf. Im Text des Vertrags von Kars 1921 wird der Begriff „Garant“ nicht verwendet, doch wird auf den 6. Artikel verwiesen, in dem die Türkei als Garantin der Autonomie erwähnt wird.
Grund für die Ausweisung der Kurden aus Adscharien war der 1921 zwischen der Sowjetunion und dem Osmanischen Reich unterzeichnete Vertrag von Kars [behandelte den Grenzverlauf], in den die Türkei im Nachhinein als Garantin eingefügt wurde. Das führte dazu, dass die in Kars lebenden Adscharen nach Batumi und Umgebung zogen. Die Sowjetunion plante mit diesem Vertrag, die Kurden aus Adscharien nach Zentralasien zu deportieren, ihre Häuser, Grundstücke und Arbeitsstätten zu beschlagnahmen und den Adscharen zu überlassen. Deshalb wurden 1944 die Kurden aus Batumi und Umgebung ins Exil getrieben. Als sie nach dem Tode Stalins nach Batumi zurückkehrten, merkten sie, dass ihr Grundbesitz an die Adscharen gegangen war. Trotz tagelanger Bemühungen kehrten sie erfolglos nach Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan zurück.
Mit den politischen Zielen und dem Hintergrundwissen aus der Sowjetunion lässt Putin nun zu, dass die Türkei eine der ältesten Städte, Efrîn, besetzt, um von Erdoğans Banden Idlib zu erhalten. Und Erdoğan erläutert im Zuge seiner „Politik der Säuberung von den Kurden“, dass er an Stelle der aus Efrîn vertriebenen Kurden die MIT-assoziierten Turkmenen, die an sich gebundenen muslimischen Geschwister und Banden dort einquartieren werde. Wen Putin in Idlib einquartieren will, ist jedoch noch unklar. All das demonstriert, dass Putin und der IS-Nusra-Kollaborateur Erdoğan einen ähnlichen Vertrag wie den im 20. Jahrhundert zwischen den Osmanen und der Sowjetunion aktualisieren will. Aber sie sollten wissen, dass ein solcher Plan heutzutage nicht überlebensfähig ist. So wie auch die heutigen Kurden nicht dieselben sind wie die im 20. Jahrhundert. Insbesondere nach der demokratischen Volksrevolution in Nordsyrien sieht nun jeder, dass es darum geht, für die anderen Gebiete eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Durch den größten Widerstand dieser Zeit in Efrîn in den letzten 12 Tagen zeigen die Volksgruppen in Nordsyrien, dass sie sich von den Barzanîs in Südkurdistan unterscheiden, indem sie die Intrigen und Spielchen erkennen. Deshalb begann Russland nach den ersten fünf Tagen des Besetzungsversuchs der Türkei, die Kurden mit Annäherungsversuchen zu beeinflussen.