Professor Dr. Cengiz Aktar hat zahlreiche Bücher über die Europäische Union und ihre Beziehungen zur Türkei veröffentlicht. Er war lange als Experte für das UNHCR tätig arbeitete eng mit der Europäischen Kommission zusammen. Aktuell ist er als Professor der Politikwissenschaft an der Universität von Athen. In seinen Analysen zur aktuellen Situation im Nahen Osten, und insbesondere der Entwicklungen in Syrien, fällt er klare Urteile. Mit ihrem gegen den Pluralismus gerichteten Vorgehen stehe die Türkei regional wie global isoliert dar.
Aktar kritisierte die türkische Syrienpolitik scharf und bezeichnete sie als Versuch, eine sunnitisch-salafistische und einheitliche Regierung zu erzwingen. Die jüngsten Diskussionen über Dialog und Lösungsansätze in der Türkei seien nichts weiter als ein Projekt, um die kurdischen Kräfte zur Niederlegung der Waffen zu zwingen.
Der Zusammenbruch des Baath-Regimes und die neuen Machtkämpfe
Nach dem Sturz des 61 Jahre währenden Baath-Regimes in Syrien haben internationale und regionale Mächte zunehmend ihre Interessen in der Region verdeutlicht. Während internationale Akteure eigene geopolitische Ziele verfolgen, fordern lokale Bewegungen und Organisationen eine Beendigung der Konflikte und die Diskussion über die Zukunft Syriens.
Es kam zu einem Machtvakuum, das vom türkischen Staat für den Versuch genutzt werde, ein einheitliches und zentralisiertes syrisches Modell zu erzwingen, so Aktar. Diese Strategie ignoriere jedoch die kulturelle, ethnische und religiöse Vielfalt Syriens. Im Gegensatz dazu habe die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES), gestützt durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (QSD), angeführt durch die kurdische Bevölkerung, eine historische Widerstandsbewegung aufgebaut.
„Ankara erzwingt ein zentralistisches Modell“
Professor Aktar vergleicht den Sturz des Baath-Regimes mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und betont, dass dies nicht nur durch die Opposition, sondern auch durch interne Schwächen des Regimes ermöglicht worden sei. Er betonte, dass die türkische Regierung in Syrien ein Modell ähnlich dem der Türkei durchsetzen wolle, welches die kulturelle Vielfalt Syriens in einer sunnitisch-salafistischen Identität untergehen ließe.
Aktar kritisierte die Türkei dafür, die pluralistische Struktur Syriens nicht zu respektieren: „Die Türkei ignoriert die Realität Syriens, das mit seinem armenischen, assyrischen, alawitischen, drusischen, kurdischen und aus vielen anderen Gruppen bestehenden Volk ein Mosaik der Kulturen ist.“ Anstatt diese Vielfalt anzuerkennen, strebt die Türkei eine Vereinheitlichung im Sinne eines sunnitisch-salafistischen Modells an.
Die Rolle der internationalen Akteure
Die Gefahr durch den selbsternannten Islamischen Staat („IS“) besteht weiterhin, weshalb westliche Mächte wie die USA und die EU ihre Unterstützung für die QSD fortsetzen, die sie als Hauptpartnerin im Kampf gegen den Terrorismus betrachten. Aktar wies darauf hin, dass die westlichen Länder von Syrien erwarteten, die pluralistische Struktur des Landes zu respektieren. Die schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien sei ein Hinweis auf diese Erwartung.
„Die Türkei verfolgt eine isolierte Politik“
Professor Aktar beschrieb die Rolle der Türkei in Syrien als durchweg negativ: „Die Türkei ist eine destruktive Kraft in der Region. Sie agiert isoliert und wiederholt ständig ihre Sichtweise über die sogenannte kurdische Bedrohung.“ Er kritisierte zudem die Unterstützung der Türkei für Milizen wie die sogenannte „Syrische Nationalarmee“, die er als „Plünderer und Überbleibsel des ‚IS‘“ bezeichnete.
„Konföderale Systeme fördern Machtteilung“
Im Gegensatz zur türkischen Einheitsstrategie lobte Aktar das von kurdischen Kräften geführte Modell der DAANES. Dieses Modell umfasse alle ethnischen und religiösen Gruppen und sei ein Beispiel für die Machtteilung in einem konföderalen System.
Aktar betonte, dass die Bemühungen der Türkei, eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone entlang der Grenze zu schaffen, sowohl unrealistisch als auch kontraproduktiv seien: „Die Türkei verfolgt den Traum, die Kurd:innen zu entwaffnen, aber das ist ein unrealistisches Ziel, welches sie isoliert und ihre Glaubwürdigkeit in der Region untergräbt.“
„Syrien wird keine Söldnerarmee akzeptieren“
Abschließend unterstrich Aktar, dass die QSD die einzige legitime Kraft sei, die eine Grundlage für eine neue syrische Armee bilden könnte: „Die von der Türkei unterstützten Milizen können niemals das Rückgrat einer syrischen Armee bilden. Syrien wird dies niemals akzeptieren.“