Auf einer Sitzung des Frauenrats der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Ankara hat sich die Parteivorsitzende Pervin Buldan zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November geäußert. An der Versammlung nahmen neben den HDP-Frauen auch Mitglieder des Rates der Friedensmütter und Münire Yüksekdağ, die Mutter der seit drei Jahren inhaftierten ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ, teil.
Buldan, die sich den Ko-Vorsitz der Partei mit Sezai Temelli teilt, ging in ihrer Ansprache zunächst auf die Einzelschicksale von Frauen ein, die Opfer männlicher Gewalt wurden. Als jüngstes Beispiel nannte sie die kurdische Politikerin Havrin Khalaf, die im Oktober von protürkischen Islamisten in Nordsyrien ermordet wurde. Die HDP-Vorsitzende erinnerte zudem an die ehemaligen Abgeordneten Figen Yüksekdağ, Gültan Kışanak, Sebahat Tuncel, Selma Irmak, Gülser Yıldırım, Çağlar Demirel und zahlreiche weitere Politikerinnen, die als politische Gefangene des patriarchalen AKP-Regimes in türkischen Gefängnissen festgehalten werden.
Regierung produziert Gewalt und schützt die Täter
Pervin Buldan sagte in ihrer Ansprache: „Geschlechtergleichheit, soziale Gerechtigkeit, Transparenz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören nicht zu den Zielen der Regierungskoalition aus AKP und MHP. Die Regierung produziert und nährt Gewalt in allen Bereichen des Lebens. 2016 wurden 304 Frauen in der Türkei ermordet, 2017 waren es 353, 2018 280 und in diesem Jahr sind bisher 299 Frauen ermordet worden. Diese Frauen sind nicht bei Erdbeben, Unfällen oder im Krieg ums Leben gekommen. Sie wurden auf offener Straße oder in ihren Wohnungen getötet. Das geschieht in aller Öffentlichkeit und in Kenntnis des Staates, der Polizei, der Justiz, der Politik und des Parlaments. Als HDP werden wir weiter die Stimme der Frauen im Parlament sein.
Die Justiz hat eine tragende Rolle bei der Verhinderung von Verbrechen. In der Türkei ignoriert die Justiz jedoch Übergriffe, Vergewaltigungen und Gewalt an Frauen. Sie schützt die Täter. Handelt es sich bei dem Täter auch noch um einen Polizisten, Armeeangehörigen oder Paramilitär, hat er die Staatsmacht im Rücken, trägt eine staatliche Waffe und sieht sich im Recht, Verbrechen gegen Frauen zu verüben. Er weiß, dass er straffrei ausgeht, weil er von der patriarchalen Justiz gedeckt wird.“
Patriarchaler Kriegshaushalt
Die HDP-Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang auch auf die knapp 800 Kleinkinder hin, die mit ihren Müttern im Gefängnis sind. Ein weiterer Aspekt sei die ökonomische Gewalt: „Im Parlament finden gerade die Haushaltsberatungen statt. Die Männer sitzen dort und planen das Jahresbudget. Dieser Haushalt basiert von der Planung bis zu seinem Inhalt vollständig auf einem Kriegsbudget und damit auf einem Männerbudget.“
Im Verweis auf die Invasion der Türkei in Nordsyrien betonte Pervin Buldan, dass sich dieser Krieg gegen die Frauen richte, die den IS besiegt haben. Dieser Sieg sei ein großartiges Geschenk an die Menschheit und die Frauen weltweit und habe die Erdoğan-Regierung in Panik versetzt.
Zuletzt sprach Buldan die Amtsenthebungen kurdischer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch das türkische Innenministerium an und erklärte, dass die HDP statt auf ein Ein-Mann-Regime weiter auf das System der Doppelspitze setze.
An die Frauen im ganzen Land appellierte Pervin Buldan, sich gegen das patriarchale Rollback zu wehren und die Errungenschaften der Frauenbewegung zu verteidigen: „Keine Repression und kein Mittel der Einschüchterung werden unseren Freiheitskampf aufhalten können!“