Am 5. Dezember letzten Jahres wurde Juliet H., eine Mutter von vier Kindern, ermordet von ihren damals sieben- und elfjährigen Söhnen in der Wohnung im Hamburger Stadtteil Altona-Nord aufgefunden. Ihr ehemaliger Partner, Vater von zwei ihrer vier Kinder, hatte sie mit mehr als 50 Messerstichen getötet. Schon zuvor hatte der 50-jährige Deutsche Juliet bedroht und angegriffen. Sie war ins Frauenhaus geflohen und hoffte in Altona ein neues Leben beginnen zu können.
Zunächst war der Täter nur wegen Totschlags angeklagt worden, aber nun am vorletzten Verhandlungstag wurde die Anklage in Mord umgewandelt. Das Urteil wird am Donnerstag gesprochen.
Etwa 350 Menschen kamen am Ende des gestrigen Prozesstages vor dem Strafjustizgebäude zusammen, um gegen Feminizide zu demonstrieren. Der Termin fiel mit dem Panafrikanischen Frauentag, der am 31. Juli 1962 ins Leben gerufen wurde, zusammen.
Sprecherinnen der Black Community in Hamburg gaben zu Beginn der Demonstration ein Statement ab. Der Mord an Juliet sei kein Einzelfall, erklärten die Frauen und listeten die Morde an Rosa, Josie und Rita auf, drei schwarze Frauen, die in der Bundesrepublik dieses Jahr ermordet wurden. Gewalt gegen schwarze Frauen werde verharmlost oder als „Ehrenmorde“ rassistisch ausgelegt. Feminizide fänden mit staatlicher Rückendeckung statt, weltweit gebe es einen anti-schwarzen Genozid und Feminizid.
Die Selbstverteidigung stärken
Die Demonstration setzte sich in Richtung Innenstadt in Bewegung, angeführt vom Block der Black Community. Am Valentinskamp wurde eine Zwischenkundgebung abgehalten.
Eine Vertreterin der Black Students Union aus Bremen erklärte, Morde an schwarzen Frauen und nicht-binären Menschen seien strukturell bedingt. Sie würden oft in Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt, Basis dafür war der Diebstahl der Ressourcen in Afrika.
Eine Sprecherin des Africa Unite Sportsclub erklärte, es gebe eine lange Tradition des Kampfes afrikanischer Frauen. Sie erinnerte an die Amazonen von Dahomey, die Streitkraft der Agooji, die gegen die Kolonialisierung gegen durch die Franzosen kämpften, und forderte die Selbstverteidigung zu stärken.
Gemeinsam gegen Feminizide
Auch Leyla Kaya, die für den Frauenrat Rojbîn und die Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ sprach, forderte dazu auf, überall dort, wo Feminizide stattfinden, gemeinsam Widerstand zu leisten. Sie lud die Teilnehmer*innen ein, gemeinsam am fünften Jahrestag des Genozids von Şengal auf die Straße zu gehen. Um 11 Uhr findet am Samstag ein weltweites Gedenken für die ermordeten und verschleppten Ezidinnen aus Şengal statt, in Hamburg beginnt die Veranstaltung um 10.30 Uhr am Gerhard-Hauptmann-Platz.
„Touch one, touch all!“
Am Jungfernstieg wurde eine Schweigeminute mit erhobenen Fäusten abgehalten. Aliya, eine Frau aus der Community, erinnerte an die vielfältigen Formen des Widerstandes afrikanischer Frauen. Anschließend sprach Senfo Tonkam, ein langjähriger Aktivist der Black Community in Hamburg. Er sagte, Afrika habe die sexistische und phallokratische Herrschaft des Kolonialismus und Neokolonialismus nur dank der Frauen, Mütter und Schwestern überlebt, denn Männer waren oft die Komplizen der Unterdrücker. Jede Attacke auf die Frauen bedeute daher auch eine Attacke auf Afrika als Ganzes. Langsam käme die Community wieder zusammen, um Afrika zu befreien und die Diaspora zu ermächtigen. Afrika könne nicht zerstört werden, solange schwarze Frauen stark seien.
Mit den Parolen „Touch one, Touch all“ und „Black Live Matters“ erreichte die Demonstration unter den interessierten Augen vieler Hamburger*innen ihren Abschlussort am Gerhard-Hauptmann-Platz. Dort wurden noch einige abschließende Worte gesprochen und zu weiterer Solidarität aufgerufen. „Niemand kann dir die Freiheit geben, du musst sie erkämpfen“, wurde unter anderem Angela Davies zitiert. Ohne Community gebe es auch keine Selbstverteidigung.
Seit Monaten kämpft die Black Community auch für die Aufklärung des Todes von William Tonou-Mbobda, der von Sicherheitskräften am UKE getötet worden ist. Erst gestern hatte seine Mutter die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse gefordert.
Die Demonstration endete mit zwei mitreißenden Liedern der Sängerin Love. Sie sang unter anderem „We shall overcome!“.