Vor zwei Jahren begann die türkische Invasion im nordsyrischen Kanton Efrîn (Afrin). 58 Tage lang leitsteten die Volksverteidigungseinheiten YPG (Yekîneyên Parastina Gel) Widerstand gegen die zweitgrößte NATO-Armee. Die Türkei bombardierte Wohngebiete und tötete Hunderte Zivilisten, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche. Im ersten Monat des völkerrechtswidrigen Angriffs kamen 176 Menschen aus der Zivilbevölkerung ums Leben, im zweiten Monat 232. Über 1000 Menschen wurden verletzt.
Am 16. März 2018 entschieden die Autonomieverwaltung und die YPG-Kommandantur von Efrîn, die Zivilbevölkerung zu evakuieren, um weitere Massaker zu verhindern. Zwei Tage später begann der Rückzug aus der einst sichersten Region Syriens. Hunderttausende Einwohner*innen leben seitdem in Flüchtlingscamps in der zwischen Efrîn und Aleppo gelegenen wüstenähnlichen Region Şehba. Inzwischen weiß man, dass die Türkei Schritt für Schritt den Anschluss des besetzten Kantons an das eigene Staatsgebiet umsetzt. Doch der Kampf der Vertriebenen aus Efrîn gegen die Besatzer geht auch heute noch weiter.
Der Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Rojava, Kongreya Star, ruft anlässlich des zweiten Jahrestags der Invasion von Efrîn zur „Rebellion“ gegen die internationale Ignoranz angesichts der neoosmanischen Bestrebungen der Türkei auf, Efrîn in das eigene Staatsgebiet einzuverleiben. In einer Stellungnahme weist der Verband darauf hin, dass die Krise in Syrien nun seit fast neun Jahren andauert. Was einst im Zuge des „Arabischen Frühlings“ startete, habe sich längst zu einem Stellvertreterkrieg internationaler Kräfte gewandelt, in den Russland, Iran und die Türkei schon seit längerem verwickelt sind. Hunderttausende Menschen sind im Verlauf der „Krise“ bereits ums Leben gekommen. Doch eine Lösung ist immer noch nicht in Sicht, beklagt Kongreya Star.
Doch damit nicht genug: „Am 20. Januar 2018 begann die Türkei ihre von Russland und Iran abgesegneten Angriffe auf Efrîn, um das Experiment einer Demokratischen Nation in Nord- und Ostsyrien zu zerstören. Die Erprobung einer direkten kommunalen Demokratie mit emanzipatorischen Zügen stellt die Systemfrage an die Staaten im Mittleren Osten, daher rührt die Gegnerschaft. Durch die invasiven Angriffe auf den Kanton mussten Hunderttausende Menschen ihre Heimat verlassen.
Obwohl der türkische Staat mit seinem Krieg gegen Efrîn das Völkerrecht mit Füßen trat, hält die internationale Staatengemeinschaft nach wie vor an ihrem Schweigen fest. Bis heute ignoriert sie die Plünderungsfeldzüge der türkischen Armee und ihren dschihadistischen Verbündeten, die sich gegen die Zivilbevölkerung richteten, und schweigt trotz einer massiven Umweltzerstörung und irreversiblen Schäden im Ökosystem, dem systematischen Raub von historischen Kulturgütern und Efrîns Oliven. Die Milizen Ankaras verhängen horrende Geldstrafen an die verbliebene Bevölkerung und treiben den demografischen Wandel im Auftrag des AKP-Regimes voran.
Trotz dieser Menschenrechtsverletzungen haben sich die Vertriebenen Efrîns zu keinem Zeitpunkt von ihrem Widerstand abgewandt. In den Camps in Şehba setzen sie ihren Kampf um Gerechtigkeit fort und warten auf den Tag, an dem sie in ihre Häuser zurückkehren können.
Als Kongreya Star appellieren wir an alle Völker Nord- und Ostsyriens, sich im Gedenken an die Gefallenen, die im Widerstand für Efrîn und bei der Verteidigung von Serêkaniyê und Girê Spî ihr Leben gelassen haben, am zweiten Jahrestag der Invasion zur Rebellion zu erheben. Empört euch angesichts der anhaltenden Ignoranz trotz Verbrechen gegen die Menschlichkeit und übt Druck auf die internationale Gemeinschaft aus. Damit die Besatzer aus Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî endlich verschwinden und die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können.“