Interimsregierung legt Übergangsverfassung vor

Der De-facto-Machthaber Syriens Ahmed al-Scharaa hat den Entwurf einer Übergangsverfassung für Syrien unterzeichnet. Darin sind unter anderem eine Gewaltenteilung und die Garantie staatsbürgerlicher Rechte festgehalten.

Übergangsregierung für fünf Jahre angesetzt

Wie die Übergangsregierung in Damaskus bekannt gab, hat der Interimspräsident Ahmed al-Scharaa heute den Entwurf einer Übergangsverfassung für Syrien unterzeichnet. Dem Sprecher des für die Ausarbeitung des Entwurfs zuständigen Ausschusses, Abdul Hamid al-Awak, zufolge sehe das unterzeichnete Dokument das Bestehen der Übergangsregierung für fünf Jahre sowie strikte Gewaltenteilung in Syrien vor. Es garantiere die Meinungsfreiheit und sichere Frauen „politische und wirtschaftliche Rechte“ zu. Wie dies in der Praxis umgesetzt wird, ist noch nicht bekannt.

Bei einer heutigen Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Damaskus sagte der Sprecher des Entwurfausschusses: „Da es bisher keine Gewaltenteilung gab, haben wir uns bewusst für eine strikte Gewaltenteilung entschieden.“

Ein echter demokratischer Prozess steht noch aus

Seit die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) durch eine Offensive im Dezember letzten Jahres den Präsidenten Baschar al-Assad stürzte, konnte eine friedliche Periode bisher nicht eingeleitet werden. Im Gegenteil kam es seit der vergangenen Woche zu Massakern an der alawitischen Bevölkerung und auch andere kulturelle und religiöse Minoritäten bezweifeln ihre Sicherheit und Repräsentation durch die neue selbsternannte Interimsregierung. Eine sogenannte „Nationale Dialogkonferenz“ hatte im vergangenen Monat viel Kritik und Rufe nach einem echten demokratischen Prozess hervorgerufen, da weder die Kurd:innen, noch andere oppositionelle Gruppen zu der Konferenz eingeladen waren.

Auf demselben Treffen, auf dem die dschihadistischen Verbände der HTS Ahmed al-Scharaa zum Interimspräsidenten ernannten, wurde angekündigt, dass die alte Verfassung Syriens aufgehoben und eine neue erarbeitet werde. Von dem Entwurf, der heute unterzeichnet wurde, kann nicht behauptet werden, dass er in einem demokratischen Prozess unter Teilnahme aller Bevölkerungsgruppen Syriens erstellt wurde.

Inhalte der Übergangsverfassung

ANF liegen Informationen zu konkreten Inhalten der Übergangsverfassung vor, die im folgenden knapp dargestellt werden:

Der Name „Arabische Republik Syrien“ werde beibehalten und solle auch künftig nicht geändert werden. Der Entwurf akzeptiere außerdem den Islam als primäre Rechtsquelle. Jede Person solle die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten haben und es soll keine Diskriminierung zwischen syrischen Bürger:innen geben.

Die Gewaltenteilung sei derart festgelegt, dass die Legislative beim Parlament liegt und die Exekutive für die Übergangsphase ausschließlich beim Präsidenten. Des weiteren könne der Präsident im Bedarfsfalls den Ausnahmezustand ausrufen. Die Minister:innen sollen direkten Zugang zum Präsidenten haben.

Die Unabhängigkeit der Justiz soll gewahrt werden, keine andere Kraft soll in ihre Arbeit eingreifen dürfen und die Einrichtung von Sondergerichten sei untersagt.

Das Parlament habe das Recht den Präsidenten seines Amtes zu entheben und könne eine Generalamnestie erlassen.

Die Meinungs- und Redefreiheit solle gewährleistet werden und Syrien werde das Völkerrecht achten.

Der Übergangsprozess wird in dem Entwurf auf fünf Jahre festgelegt. In dieser Zeit soll eine Sonderkommission die neue Verfassung ausarbeiten.