Gertrud-Schröter-Platz in Celle eingeweiht

Pünktlich zum 8. März hat die feministische Kampagne „Gemeinsam kämpfen!“ in Celle die Umbenennung des ehemaligen Thaerplatzes in Gertrud-Schröter-Platz begangen. In Zukunft soll der Platz auch ein Ort sein, an dem FLINT*-Personen zusammenkommen.

Anlässlich des Internationalen Frauenkampftages haben Mitwirkende der feministischen Kampagne „Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie” heute Mittag feierlich die Umbenennung des ehemaligen Thaerplatzes in Gertrud-Schröter-Platz begangen. In Zukunft soll der Platz auch ein Ort sein, an dem FrauenLesbenInterNonbinariesTrans (kurz FLINT) zusammenkommen, sich austauschen und für Geschlechtergerechtigkeit demonstrieren können.

Die neue Namenspatronin des Platzes, Gertrud Schröter, wurde schon vor über 25 Jahren unter anderem für ihre Gedenkarbeit im Bezug auf die Verbrechen des Nationalsozialismus mit einem Niedersächsischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Kaum Würdigung für Celler Antifaschistin 

„Es ist bezeichnend für unsere immer noch von Männern dominierte Gesellschaft, dass Gertrud Schröter bisher im Celler Stadtbild kaum gewürdigt wurde. Sie hat als engagierte Celler Bürgerin, Pädagogin und Antifaschistin wertvolle Beiträge zu einer sozialen Stadt- und Weltgemeinschaft geleistet. Dagegen erscheinen einige Männer, nach denen Straßen benannt wurden, schlichtweg irrelevant“, sagte Mila Borkner, eine der Organisatorinnen* der Aktion. „Aber wir Frauen* lassen uns nicht mehr ignorieren oder kleinreden!“

Diese Tatsache wurde bei der Veranstaltung mehr als deutlich. Dabei war den Teilnehmenden eine gute Kommunikation ihrer Aktion wichtig: sie suchten das Gespräch mit Passant*innen, erklärten ihr Handeln und hatten im Vorhinein Informations-Flyer vorbereitet. Alle Menschen waren dazu aufgerufen, sich solidarisch zu zeigen: zum Beispiel durch das Tragen lilafarbener Kleidung, einer schwarzen Schleife (folgend dem Aufruf der zapatistischen Frauen aus Dezember 2019 in Erinnerung und Wut an alle ermordeten und verschwunden gemachten Frauen*) oder indem daheim Schürzen aus dem Fenster gehängt werden.

Frauenkampftag 8. März

Der Internationale Frauenkampftag findet seit 1921 jährlich am 8. März statt. Weltweit nutzen ihn Frauen*, um ihrer Forderung nach der Gleichberechtigung aller Geschlechter Raum zu bieten. Gerade in Zeiten von Gender-Debatten werden bewusst auch Trans*-Personen und Menschen, die weder der Kategorie Mann noch Frau entsprechen, mitgedacht.

Gemeinsam kämpfen

Die Kampagne „Gemeinsam kämpfen!“ setzt sich für ein selbstbestimmtes Leben, internationale feministische Organisierung und die Wissensverbreitung über die Frauenrevolution in Rojava ein.

Nachfolgend dokumentieren wir noch die Einweihungs-Rede für den Getrud-Schröter-Platz in Celle:

Liebe Celler_innen,

anlässlich des internationalen Frauen*kampftages, sind wir heute auf dem Getrud-Schröter-Platz zusammen gekommen. Der Internationale Frauen*kampftag wurde vor über hundert Jahren auf Initiative von sozialistischen Organisationen im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen ins Leben gerufen. Seit 99 Jahren begehen wir ihn am 8. März. Das Wahlrecht für Frauen* wurde in Deutschland vor gut 100 Jahren erkämpft und viele weitere Errungenschaften ließen sich hier aufzählen. Dennoch hat der internationale Frauen*kampftag nicht an Bedeutung oder Wichtigkeit verloren. Noch immer leben wir – auch in Deutschland – in einer Geschlechter un-gleichberechtigten Gesellschaft.

Beispiele hierfür gibt es viele:

- der Equal Pay Day** 2020 ist in Deutschland am 17. März

- laut BKA-Angaben wurde im Jahr 2018 durchschnittlich jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-) Partner getötet, nahezu jeden Tag gab es Tötungs- oder Mordversuche

- noch immer begegnen FrauenLesbenInterNonbinariesTrans (kurz FLINT) in der Familie, Partner_innenschaft, Schule, beim Sport, auf der Arbeit, in der Werbung und an allen öffentlichen Plätzen Rollenzuweisungen und sexistische Sprüche.

Diese Liste ließe sich mindestens so lange fortsetzen, wie die der Erfolge. Und es sind nicht ausschließlich diese konkreten Dinge, es ist die insgesamt männlich dominierte Welt um uns herum, die wir verändern wollen, zu einer befreiten und gleichberechtigten! Wir fordern mehr Geschlechtervielfalt in der Öffentlichkeit. Auch deshalb benennen heute an diesem bedeutungsvollen Tag diesen Platz hier feierlich nach Gertrud Schröter um. Nun werden sich viele fragen, wer sie war – klar, denn bisher wurde sie wenig beachtet, anders als die vielen Männer nach denen in ganz Celle und Landkreis die Straßen und Plätze benannt sind, deren Statuen uns überall umgeben und diktieren. Gertrud Schröter war Antifaschistin und wurde 1913 geboren. Als junge Kommunistin wurde sie während der NS-Zeit selbst verfolgt, später führte sie unzählige Jugendliche durch die KZ Gedenkstätte in Bergen-Belsen und erzählte ihnen nicht nur von der Vergangenheit, sondern auch von der Gegenwart und Zukunft. Hierfür und für ihre kritische Aufarbeitung nationalsozialistischer Verfolgung wurde ihr 1995 der Niedersächsische Verdienstorden am Bande verliehen. Ihr Engagement in und um Celle war beeindruckend. Unermüdlich setzte sie sich gegen Ungerechtigkeit ein und organisierte bspw. Ferienreisen in die DDR für Kinder aus sozial-schwachen Familien. Für diese Arbeit wurden sie und ihre Weggefährtin Elfriede Kautz vom Oberlandesgericht in Celle zu einer Gefängnisstrafe und zum fünfjährigen Verlust ihrer bürgerlichen Rechte verurteilt. Der ermittelnde Staatsanwalt hatte unter Hitler im besetzten Polen dafür gesorgt, dass schon für geringste Vergehen die Todesstrafe verhängt wurde. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1999 lebte und wirkte sie weiterhin in Celle. Neben anderem war sie auch frauen*bewegt und schrieb für die linksliberale Frauenzeitschrift Kolumnen.

Wir fragten uns – warum gibt es in Celle nichts, was an sie erinnert? Und so haben wir die Sache einfach selbst in die Hand genommen und benennen den früheren Thaerplatz hiermit in Gertrud-Schröter-Platz um. Auch wollen wir diese Ehrung und Erinnerung langfristig etablieren und ihren hartnäckigen Widerstand zum Vorbild nehmen. Daher rufen wir den Gertrud-Schröter-Platz in Celle von nun an als Ort des feministischen Protests und Widerstandes aus. Jedes Mal, wenn Gewalt gegen FLINT* oder Feminizid (Mord an Frauen aufgrund ihres Geschlechts) bekannt wird, werden wir uns hier versammeln und rufen alle Celler_innen dazu auf, sich daran zu beteiligen. Setzen wir gemeinsam ein deutliches Zeichen für Gleichberechtigung, Frieden und gegen Gewalt!


* das Sternchen soll andeuten, dass Frau ein Sammelbegriff für viele verschiedene und unterschiedlich bevor- und benachteiligte Menschen ist

** der Tag, bis zu dem Frauen* – bei dem momentanen geschlechtsspezifischen Lohnunterschied in Deutschland von 21% – umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden