Gedenkveranstaltung für Beate Reiß

In Hamburg hat eine Gedenkveranstaltung für Beate Reiß stattgefunden, die am 5. Februar nach langer Krankheit verstorben ist.

Etwa 300 Menschen waren in die Altonaer „Motte“ gekommen, um von Beate Reiß, einer langjährigen Aktivistin der kurdischen Bewegung, Abschied zu nehmen. Weggefährt*innen, Genoss*innen aus der Linken, aus der kurdischen Bewegung und aus zahlreichen Initiativen, in denen Beate aktiv war, nahmen an der Gedenkveranstaltung teil. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Sänger Xemgîn Bîrhat von der Gruppe Koma Berxwedan, die Beate durch ihr politisches Leben begleitet hatte. Begrüßt wurden die vielen Freund*innen von Beate durch ihre Schwägerin Maria Jarowoy.

Kampf um Altona

Robert Jarowoy, ihr Partner, mit dem Beate seit 1979 verbunden war, berichtete aus ihrer ersten gemeinsamen Zeit. Ate, wie sie von ihren Freund*innen genannt wurde, war eine der ersten drei Frauen, die einen Kfz-Gesellenbrief in Hamburg machte. Gemeinsam mit Robert und anderen baute sie eine Werkstatt und den Verlag „Libertäre Assoziation“ auf und führte den Kampf um den Erhalt des Stadtteils Ottensen. „Damals war geplant, eine City West entsprechend der völlig unmenschlichen Architektur der City Nord in Altona zu bauen und den ganzen Altbaubestand abzureißen“, so Robert. „Wir organisierten den Widerstand dagegen und erkämpften den Erhalt des heutigen Kemal-Altun-Platzes“. Vieles, aber nicht alles, konnte verhindert werden. „80 Prozent der Menschen in Altona wollten den Erhalt des Jugendstilgebäudes Bismarckbad, dennoch wurde es abgerissen“, erzählte Robert weiter, „aber wir konnten wenigstens erreichen, dass ein anderes Schwimmbad in Altona gebaut wird.“

„Beate sprach jedes Wochenende mit Leuten auf der Straße an Infoständen in Ottensen. Sie gab nie auf“, so Dörte und Wolfgang. Norbert berichtete über die Gründung der Linken Altona vor zehn Jahren. „Sie war immer die Sprecherin. Die Sprecher wechselten oft, sie hatten nicht so ein Durchhaltevermögen. Keiner kann sich vorstellen, wie es ohne sie ist. Sie war vollkommen uneitel in der Politik, parlamentarische Eitelkeit interessierte sie nicht. Sie wollte die Welt verändern, Altona und Ottensen“.

Stadt-Land-Genossenschaft

Ein Freund und Bauer in der „Stadt-Land-Genossenschaft“, die zehn Jahre lang in der Boschstraße bestanden hatte, erzählte von der Beharrlichkeit und Kontinuität, die Beate auszeichneten, und den vielen Gesprächsrunden, die bei Beate und Robert zuhause in der Ottenser Hauptstraße am Küchentisch zusammenkamen, um Pläne zu schmieden. „Während wir mit unseren Diskussionen oft in irgendeinem Wolkenkuckucksheim landeten, war Beate diejenige, die uns wieder in das Fahrwasser praktischer Politik brachte“, berichtete er.

„Sie war immer die letzte in der Firma, die gegangen ist, machte jede noch so schwere Arbeit, hat immer gelächelt und hatte ein offenes Herz“, so der Kollege Gabriel aus der Kooperative.

Der langjährige Freund Andreas spielte auf dem Klavier ein Stück von Bach, das Beate liebte.

Kurdistan

Beate war eine der ersten, die in Europa Beziehungen mit der kurdischen Bewegung aufbauten. So war sie Mitorganisatorin eines Solidaritätskonzertes unter dem Motto „Waffen für die PKK“ in der Hafenstraße, einer Veranstaltung im Hamburg-Haus mit Hüseyin Çelebi oder der ersten Solidaritätsdemonstrationen für die PKK in Deutschland. Sie besuchte den Düsseldorfer Prozess und brachte viele Menschen nach Kurdistan, berichtete ein anderer Freund. Diese Reisen hätten sein Leben verändert.

Leyla Kaya vom Frauenrat Rojbîn verlas eine Erklärung aus den Kandil-Bergen, in der es hieß: „Beate war eine selbstbewusste und freie Frau, die gegen die kapitalistische Moderne und für Gerechtigkeit gekämpft hat“.

Nülifer Koç vom kurdischen Nationalkongress (KNK) erklärte, Beate Reiß sei eine Revolutionärin gewesen, die sich auch dem Patriarchat entgegengestellt und grenzenlosen Widerstand geleistet habe. In Altona müsse ein Ort erschaffen wenn, an dem man sich an sie erinnere, wenn man an ihm vorbeikomme.

Im Namen der kurdischen Frauenbewegung in Europa sagte Münevver Azizoğlu: „In diesen Tagen, in denen von Lateinamerika, Europa und Asien bis zum Mittleren Osten überall Efrîn und überall Widerstand ist, hat uns eine traurige Nachricht erreicht. Diese Nachricht erlaubt uns, inmitten dieses Widerstandes unsere Köpfe zu heben und in den Himmel zu schauen. Eine Freundin des kurdischen Volkes ist gestorben. Wie der Poet so schön sagt: ‚Die Toten starben im Kampf, versinkend in Feuergraben. Wir haben nicht Zeit, um sie zu trauern! Der Sturm bricht auf, zur Sonne empor! Wir bezwingen der Sonne Lauf und erobern die Sonne im Chor!‘ Wir sind aber - mitten im Kampf gegen den Faschismus - hier, um an unsere liebe Beate zu erinnern. Als kurdische Frauenbewegung in Europa verneigen uns respektvoll vor unserer Hevala Beate. Wir werden zusammen mit anderen Weggefährtinnen deinen Traum von der Freiheit des kurdischen Volkes und aller anderen Völker weiter verfolgen. Das versprechen wir dir. Und mit dieser Entschlossenheit kehren wir wieder in unseren Kampf zurück.“

Bella Ciao

Beate sang sehr gerne, daher der Wunsch von Robert, ihrem Partner, dass am Schluss alle gemeinsam das Lied „Bella Ciao“ sangen. Vielen standen die Tränen in den Augen. „Ich weiß gar nicht, wie es ohne Beate gehen soll, sie war unser Anker“, so eine langjährige Genossin aus Altona.