Am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, wird es in Istanbul wieder einen „Feministischen Nachtmarsch“ geben. Seit 2003 veranstaltet das Feministische Kollektiv bereits die abendliche Demonstration zum Ausklang des wichtigen Tages. Die Veranstaltung gilt als Höhepunkt der Frauenbewegungen in der Türkei und soll in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal stattfinden. Das Motto lautet: „Diese Rebellion wird nicht enden, ehe die feministische Welt etabliert ist.“ In den letzten Jahren versuchte die patriarchalisch geprägte Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan jedoch, die Rebellion der Frauenbewegung, die heute als stärkste Opposition in der Türkei gilt, zu unterbinden. Und so überraschte es nicht, dass auch der diesjährige Nachtmarsch der Feministinnen nach dem Willen der politischen Führung in Ankara nicht stattfinden soll.
Wie das Istanbuler Gouverneursamt am Montag mitteilte, falle die Route der Demonstration (vom Taksim-Platz im zentralen Stadtteil Beyoğlu über die Einkaufsmeile Istiklal hin zum Tünel-Platz) in jene Teile der Bosporus-Metropole, in denen seit letztem Donnerstag ein striktes Versammlungsverbot gelte – insgesamt handelt es sich um zwanzig Bezirke. Damit sei auch die Durchführung sämtlicher Veranstaltungen anlässlich des 8. März rechtswidrig und somit zu unterlassen, heißt es in einer entsprechenden Anordnung des Gouverneurs, der dem Innenministerium untersteht.
Das Organisationskomitee des Nachtmarschs scheint angesichts der Verbotsverfügung nicht im Geringsten beeindruckt zu sein. Die Mobilisierung zur Teilnahme an der Veranstaltung wird unbeirrt fortgesetzt, vor allem im Netz. In einer über Twitter verbreiteten Stellungnahme des Feministischen Kollektivs heißt es: „Trotz aller Hindernisse sind wir jedes Jahr am 8. März auf unserem feministischen Nachtmarsch, um für unsere Rechte, unser Leben, unsere Existenz, Gleichheit und Arbeit einzustehen. Neunzehn Mal sind wir bereits aufmarschiert und werden es auch zum zwanzigsten Mal tun. Wir sind hier, wir sind überall! Diese Stadt, die Straßen, die Plätze gehören uns! Auf zum 20. Feministischen Nachtmarsch!“
Zur Geschichte des Frauentags in der Türkei
Die Wurzeln des bis in die 1970er Jahre hinein als „Dünya Emekçi Kadınlar Günü" (Weltarbeiterinnentag) bezeichneten Tages liegen in den kommunistischen Strömungen des Landes. Historische Quellen belegen, dass der internationale Frauentag in der Türkei das erste Mal 1921 von Frauen der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) in Ankara im Untergrund gefeiert wurde. Erst für das Jahr 1975 gibt es Belege für eine offizielle Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentags. Der Fortschrittliche Frauenverein (IKD), der meist aus (ehemaligen) Mitgliedern der TKP sowie der Konföderation der revolutionären Arbeitergewerkschaften DISK bestand, feierte den 8. März erstmals öffentlich.
Im Zuge des Militärputschs von 1980 wurde das Begehen des internationalen Frauentags in der Türkei schließlich verboten. Erst seit 1984 feierten linke Organisationen und die sich zu Beginn der 1980er Jahre neu formierende feministische Bewegung - zunächst meist getrennt - wieder offiziell den 8. März.
Initiiert von der Zeitschrift Pazartesi mit dem Slogan „Endlich organisiert!" wurde 1997 die erste große gemeinsame Aktion von Sozialistinnen, der kurdischen Frauenbewegung und Feministinnen anlässlich des Weltfrauentags im Istanbuler Stadtteil Șişli organisiert.