Feministischer Boykott bei der Hamburger Tourismus-Messe

Bei einem feministischen Türkei-Protest auf der Hamburger Tourismus-Messe standen Frauen im Mittelpunkt. Beispielhaft wurde am Schicksal einzelner Frauen verdeutlicht, warum ein Urlaub in der Türkei nicht in Frage kommt.

Die am Freitag gestartete Boykott-Aktion des Hamburger Komitees der internationalen Kampagne Women Defend Rojava gemeinsam mit den lokalen Gruppen der Initiativen Tatort Kurdistan und #RiseUpForRojava ging heute in die zweite Runde.

Neben den bereits gestern verbreiteten Informationen für Besucher*innen, dass Einnahmen aus dem Tourismus mit in die Finanzierung der Assimilierungs- und Vernichtungspolitik des türkischen Regimes fließen, hatte der heutige Aktionstag in erster Linie einen feministischen Ausdruck.

Das reaktionäre Menschenbild, das die Erdoğan-Regierung transportiert, entzieht einer Frau ihre Selbstbestimmung und verweist sie an Heim und Herd. Gleichheit zwischen Mann und Frau? Unnatürlich. Wegen der Karriere oder sonstigen Gründen keine Kinder bekommen? Eine Ausrede und gegen die Weiblichkeit. Einhergehend mit dieser Logik ist auch körperliche Gewalt gegen Frauen in der Türkei weit verbreitet. Denn sie wird vom Staat legitimiert, indem Täter geschützt werden: Opfer erhalten wenig Unterstützung und zu oft erhalten Täter Strafmilderungen, etwa wegen „Provokation” oder „gutem Verhalten”, welche die Hemmschwelle von Gewalt deutlich senken.

Straffreiheit durch Zwangsheirat nach sexuellem Missbrauch

„Der Gipfel all dessen ist ein Gesetz, das gerade im türkischen Parlament diskutiert wird: Männer, die mit Minderjährigen Sex in der Türkei haben, könnten in Zukunft straffrei ausgehen, wenn das Opfer einer Heirat zustimmt. Damit wird nicht nur Vergewaltigung straffrei für den Täter, sondern Minderjährige, die sexualisierte Gewalt erleben, werden unter Druck gesetzt, den Täter zu heiraten. Vergewaltigung, Zwangsheirat und die Verheiratung von Minderjährigen würden damit legitimiert und vom Staat rechtlich anerkannt“, hieß es im Redebeitrag.

Rojava: Symbol der Geschlechterbefreiung soll zerstört werden

Viele Auseinandersetzungen drehten sich um das besondere Augenmerk der Aktivist*innen auf die Türkei. „Wir legitimieren mit unserem Aufruf zum Boykott der Türkei als Reiseziel nicht den Urlaub in anderen autoritären Staaten, dies wäre ja völlig widersinnig“, so eine Aktivistin. „Genauso ist uns bewusst, dass patriarchale Gewalt leider ein weltweites Phänomen ist und all das, was wir heute hier zur Sprache bringen, überall passieren kann und passiert. Die Türkei unter Erdoğan hat sich aber die Vernichtung der Demokratischen Konföderation Nord- und Ostsyrien zum Ziel gesetzt, ein Symbol für echte Demokratie, für soziale Ökologie und vor allem für Geschlechterbefreiung. Und als solche ist es der Faschismus der Erdoğan-Regierung, gegen den wir kämpfen. Und vor allem kämpfen wir für Rojava!“ Es gehe um die Verteidigung feministischer Errungenschaften gegen das Patriarchat und dessen extremen Ausdruck im Faschismus.

Performance: Frauen im Mittelpunkt

Zum Ende des Aktionstages wurde dieser Botschaft mit einer Performance Ausdruck verliehen. Hier standen nicht die Täter im Mittelpunkt, sondern Frauen aus der Türkei und Syrien, die ihr Leben dem Aufbau einer freien Welt widmen und gewidmet haben und im Kampf um Gleichberechtigung, für Demokratie und gegen den Faschismus ihr Leben, ihre Lieben oder ihre Arbeit verloren.

Zum letzten Tag der Hamburger Tourismus-Messe wird es am Sonntag noch einmal möglich sein, sich über die Boykott-Aktion zu informieren und an ihr teilzunehmen. Angesichts der Sturmwarnung für Nord- und Westdeutschland laufen die Aktionen ab 10 Uhr vermutlich bis zum Mittag.