Die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) hat eine Übersicht zu der türkischen Angriffswelle vom 5. bis 9. Oktober veröffentlicht. Demnach fielen den über 580 Luft- und Bodenangriffen der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Söldnertruppen auf die Autonomieregion im Norden und Osten Syriens insgesamt 44 Menschen zum Opfer, darunter zwei Kinder. Es gibt 55 Verwundete.
Den Angaben zufolge richteten sich die Angriffe gegen die zivile Infrastruktur und zerstörten elf Kraftwerke, zwei Kliniken, 48 Bildungsstätten für über 8000 Kinder und ein Fortbildungszentrum für Anti-Drogen-Einsätze. Von den Auswirkungen der Angriffe sind fünf Millionen Menschen betroffen.
Auf internationale Hilfe angewiesen
Die AANES-Vertretung in Deutschland teilt dazu mit: „Um die Stabilität in der Region zu sichern, Fluchtursachen zu bekämpfen und eine Perspektive für Frieden in Syrien möglich zu machen, ist die AANES auf internationale Hilfe angewiesen. Dies betrifft insbesondere den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur vor dem Winter, um das Überleben der Bevölkerung zu sichern sowie das Recht auf Bildung und Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können. Auch ein internationaler Einsatz für das Ende der gewaltsamen Eskalation und den Rückkehr zur Diplomatie wäre ein wichtiger Beitrag.“
Lebenswichtige Einrichtungen zerstört
In der Erklärung der AANES zu den Angriffen heißt es: „In Fortsetzung seiner feindseligen Politik und mit dem Ziel, die wirtschaftlichen, menschlichen und sicherheitspolitischen Fähigkeiten der Region zu zerstören, griff der türkische Besatzerstaat vom 5. bis 9. Oktober unter falschen Vorwänden Nord- und Ostsyrien (AANES) an. Mit verschiedenen Waffen wurden lebenswichtige Einrichtungen und Infrastruktur zerstört. Ziel war es, die Sicherheit und Stabilität der Region zu beeinträchtigen und die Bemühungen der AANES zur Entwicklung zu behindern. Außerdem sollte verhindert werden, dass unsere Sicherheitskräfte ihre Aufgaben in der Verteidigung erfüllen und unser demokratisches Projekt vor dem Islamischen Staat und anderen Akteuren schützen.
Abschließende Bilanz der Angriffe
Die abschließende Bilanz der Angriffe bietet folgendes Bild, das wir hiermit der internationalen Öffentlichkeit sowie relevanten humanitären und Menschenrechtsorganisationen präsentieren:
1. Mehr als fünf Millionen Menschen waren von den Angriffen auf den Ölsektor, einschließlich Gas- und Treibstoffdienstleistungen, betroffen. Insgesamt wurden 17 wichtige Erdölstandorte angegriffen, darunter das lebenswichtige Kraftwerk Suwaydiya, das alle nördlichen und östlichen Regionen versorgt. Zudem wurden andere Kraftwerke in der Umgebung von Tirbespiyê, Jal Agha und Dêrik getroffen.
2. Elf Elektrizitätswerke wurden angegriffen, wovon mehr als zwei Millionen Menschen in den Regionen Hesekê, Amûdê, Rimêlan, Tirbespiyê, Qamişlo, Dirbêsiyê und umliegenden Orten betroffen sind.
3. Zwei Wasseranlagen wurden beschädigt und 18 Pumpstationen in der Region Cizîrê außer Betrieb gesetzt. Dies betrifft auch die Alouk-Station, die für die Versorgung von Hesekê und Umgebung sehr wichtig ist.
4. Zwei Krankenhäuser in den Regionen Cizîrê und Kobanê sind vollständig außer Betrieb.
5. Tausende von Schüler:innen wurden geschädigt, sie mussten ihre Ausbildung aufgrund der Angriffe auf 48 Bildungsstätten unterbrechen. Zwei Kinder starben durch die Angriffe, ein weiteres Mädchen wurde verletzt und verlor ihre Beine.
6. Drei Industrieanlagen in den Regionen Cizîrê und Kobanê wurden zerstört.
7. Eine Akademie zur Ausbildung von Sicherheitskräften, die auf die Drogenbekämpfung spezialisiert sind, in der Umgebung von Rimêlan wurde vollständig zerstört. Die Arbeit dieses Zentrums zum Schutz der Gesellschaft vor dieser Gefahr wurden eingestellt und Schutz- und Aufklärungsprogramme unterbrochen.
Insgesamt sind 104 Standorte ziviler Infrastruktur zerstört, beschädigt oder außer Betrieb. Vom 5. bis 9. Oktober wurden insgesamt 580 Luft- und Bodenangriffe durchgeführt, und diese Angriffe umfassten alle Gebiete der AANES. Während der Angriffe starben 44 Menschen und 55 wurden verletzt, darunter Zivilist:innen, Kinder und die 29 Verstorbenen der Anti-Drogen-Kräfte.
Alle Akteure in Syrien müssen Position beziehen
In einer Zeit, in der wir uns weiter für den Schutz der Errungenschaften unserer Bevölkerung, die Bekämpfung des Terrorismus und den Aufbau eines demokratischen Experiments in einem geeinten Syrien einsetzen, rufen wir alle Akteure in Syrien, den Menschenrechtsrat und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und zivilgesellschaftliche Organisationen dazu auf, klar Position zu beziehen.
Bedrohung der Erfolge im Kampf gegen den IS
Die Praktiken der Türkei behindern die Bemühungen unserer Bevölkerung, den Terrorismus zu bekämpfen und Stabilität sicherzustellen. Sie sind eine Bedrohung unserer gemeinsamen Erfolge im Kampf gegen den IS, den wir gemeinsam mit der internationalen Anti-IS-Koalition führen. Wir fordern eine öffentliche, unparteiische und transparente Untersuchung der Praktiken der Türkei gegenüber unseren Region durch spezialisierte internationale Komitees.
Die türkischen Kriegsverbrechen dürfen nicht toleriert werden
Die Türkei begeht heute in unserer Region Kriegsverbrechen und diese Verbrechen dürfen nicht toleriert werden. Der Einsatz von Gewalt verschärft Krisen. Daher verurteilen wir alles, was zu Gewalt und dem Verlust von Menschenleben führt. Was in Gaza passiert, einschließlich Angriffen auf Krankenhäuser und Opfern unter der Zivilbevölkerung, darunter auch Kindern, ist ein Kriegsverbrechen. Alle müssen sich bemühen, die Entwicklung von Gewalt zu verhindern und alle Angelegenheiten im Dialog zu lösen.
Bemühungen für den Wiederaufbau verdoppeln
Wir fordern außerdem alle Akteure, die dazu beigetragen haben, mit uns in unseren Regionen Stabilität zu erreichen, ihre Bemühungen zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur verdoppeln, um die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen sicherzustellen und die Lebensbedingungen zu verbessern.
Beharren auf demokratischer Selbstverwaltung
Diese Angriffe, egal wie häufig sie vorkommen, verstärken unser Beharren auf der Verwirklichung der Rechte unserer Bevölkerung, das mit der Stärke seines Zusammenhalts zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen erfolgreich sein wird. Es ist wichtig, dass wir uns auf das Festhalten unserer Bevölkerung an seinem demokratischen Projekt verlassen, ebenso wie auf seinen anhaltenden Einsatz für seine Institutionen und Sicherheitskräfte. Mit diesem Bewusstsein und diesem Einsatz garantieren wir das Scheitern aller Pläne, die auf unsere Bevölkerung abzielen.
Wir gedenken der Verstorbenen und wünschen den Verwundeten schnelle Genesung. Es lebe die Völkerverständigung, es lebe die AANES, es leben die Demokratischen Kräfte Syriens.
Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, 18. Oktober 2023“