Demonstration „Die Mörder sind bekannt – Frankreich schweigt“ in Paris

In Paris protestieren tausende Menschen gegen die Verschleppung der juristischen und politischen Aufarbeitung des Dreifachmords an den kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez.

Zwölf Jahre ohne Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez

In Paris hat am Mittag die Großdemonstration anlässlich des zwölften Todestages von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez begonnen. Tausende Menschen aus verschiedenen Ländern beteiligen sich an dem von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) veranstalteten Protest und fordern eine Aufarbeitung des Attentats. Die drei kurdischen Revolutionärinnen waren am 9. Januar 2013 vom türkischen Geheimdienst in Paris erschossen worden. Der französische Inlandsgeheimdienst (DGSI) behandelt den Fall jedoch als Staatsgeheimnis und blockiert die Herausgabe von Informationen

„Die Mörder sind bekannt – Frankreich schweigt“ ist das Motto der diesjährigen Demonstration. Damit spielt die TJK-E auf die weiterhin sowohl politisch als auch juristisch unaufgeklärte Ermordung der PKK-Mitbegründerin Sakine Cansız (Sara), der Pariser KNK-Vertreterin Fidan Doğan (Rojbîn) und der Jugendaktivistin Leyla Şaylemez (Ronahî) an. Sie wirft Frankreich vor, den türkischen Staats aus politischen Gründen nicht als Täter zu benennen und anzuklagen. Die TJK-E fordert Gerechtigkeit und Transparenz sowie Ermittlungen frei von politischer Einflussnahme.


Startpunkt der Demonstration war der Gare du Nord, in dessen Nähe auch der Tatort des Dreifachmords liegt; das Kurdistan-Informationsbüro. Viele Teilnehmende tragen Fahnen mit Bildern der Getöteten und Transparente mit ihren Forderungen. Unter den Teilnehmenden sind neben Familienangehörigen der ermordeten Frauen auch viele Mitglieder der mit der kurdischen Bewegung solidarischen migrantischen Communities. Auch zahlreiche Persönlichkeiten aus der französischen Politik sind vor Ort.

Auf einer Auftaktkundgebung vor dem Start der eigentlichen Demonstration wurden kurze Reden gehalten. Engin Sever, Ko-Vorsitzender des Dachverbands kurdischer Vereine in Europa (KCKD-E), bezeichnete den Anschlag gegen Cansız und ihre Mitstreiterinnen als „Massaker“, das sich gegen die kurdische Bewegung und im Besonderen gegen den Befreiungskampf kurdischer Frauen richtete. „Weil Frankreich geschwiegen hat, ereignete sich fast auf den Tag genau zehn Jahre später ein weiteres Massaker, bei dem Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl aus dem Leben gerissen wurden. Das kurdische Volk verurteilt das Schweigen der Regierung auf das Schärfste.“


In einer im Namen der armenischen Diaspora in Frankreich verlesenen Erklärung wurde betont, wie wichtig Solidarität in Zeiten von Krieg, Unterdrückung und Gewalt sei. „Wir sind hier, um dem kurdischen Volk mitzuteilen, dass wir uns ihm verbunden fühlen. Als armenische Gesellschaft wissen wir nur zu gut, was es bedeutet, vom türkischen Faschismus erfasst zu werden. Wir verurteilen auf das Schärfste, dass die kurdische Gesellschaft zweimal innerhalb von zehn Jahren mitten in Paris zum Ziel von Anschlägen geworden ist.“

Die linke französische Parlamentsabgeordnete Danielle Simonnet bezeichnete den Dreifachmord vom 9. Januar 2013 als „Akt des türkischen Staatsterrorismus“, dessen weitere Facetten derzeit in Syrien, insbesondere in Rojava zum Vorschein kämen. „Das kurdische Volk und die alevitische Minderheit befinden sich im Fokus der Angriffe von Erdoğans Armee. Dagegen muss Frankreich entschieden vorgehen.“ Simonnet sprach auch die neue Annäherung zwischen dem in der Türkei inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan und der türkischen Regierung an. „Wir unterstützen den Ansatz Herrn Öcalans. Wir wollen aber auch, dass die PKK von den Terrorlisten gestrichen wird.“


Der Abgeordnete Carlos Martens Bilongo forderte eine restlose Aufklärung der tödlichen Anschläge auf Kurd:innen in Frankreich. Er würdigte in seiner Rede den Kampf des kurdischen Volkes gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien und im Irak. „Die Kurdinnen und Kurden leisten Widerstand für Menschlichkeit. Wir stehen in ihrer Schuld.“

Der Protestzug zieht derzeit durch die Pariser Innenstadt und soll in eine Abschlusskundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen münden.