Demokratiepreis für Samstagsmütter

Die Ärztekammer von Istanbul verlieh den Samstagsmüttern den Preis für Menschenrechte, Frieden und Demokratie. Die Samstagsmütter protestieren seit Jahrzehnten für die Aufklärung des „Verschwindenlassens“ ihrer Angehörigen.

Die Ärztekammer von Istanbul verleiht jedes Jahr den Preis für Menschenrechte, Frieden und Demokratie in Gedenken an die Zahnärztin Sevinç Özgüner. Özgüner hatte sich insbesondere für die medizinische Versorgung der armen Bevölkerung und gegen die Beteiligung der Türkei am Koreakrieg engagiert. Die soziale Friedensaktivistin wurde 1980 von türkischen Faschisten angeschossen und zu Tode getreten. An der Preisverleihung nahmen viele Ärzt*innen und Samstagsmütter teil.

Die Ko-Sprecherin der Menschenrechtskommission Ayşe Saral erläuterte in ihrer Ansprache: „Der Galatasaray-Platz ist ein historischer Platz und er hat mit den Samstagsmüttern eine weitere historische Bedeutung erhalten. Es ist der Ort, sich mit der Vergangenheit zu konfrontieren und Gerechtigkeit zu fordern, es geht um den Neuaufbau des Gedächtnisses.“

Zum 39. Jahrestag des Todes von Sevinç Özgüner erklärte das Zentralratsmitglied der Ärztekammer der Türkei, Dr. Samet Mengüç: „Wir erinnern voller Schmerz an den 39. Jahrestag der Ermordung einer Frau, einer Ärztin und Revolutionärin. Seit den 90er Jahren wurden über 17.000 Morde unbekannter Täter verübt. Die Täter sind klar bekannt, ebenso wie ihre Taten. Ich erinnere voller Respekt an Sevinç Özgüner, die Moral, Recht, Gerechtigkeit und Würde zum Zentrum ihres Kampfes gemacht hat.“

Der Generalsekretär der ITO,  Osman Öztürk, erklärte zu den Morden: „Die Täter aller dieser Morde sind bekannt. Verantwortung für die Menschen, die wir verloren haben, und sich das Gedenken der Samstagsmütter zu eigen machen, bedeutet sich ihrem Kampf anzuschließen. Mit dieser emotionalen und politischen Haltung werden wir unseren Kampf fortsetzen.“

Prof. Dr. Turhan Atalay von der Zahnärztekammer von Istanbul erinnerte: „Sie stürmten die Wohnung von Sevinç und brachten sie grausam um. Diese Mentalität existiert bis heute weiter. Wir leben in einer Zeit, in der es kein Recht gibt und die Menschenrechte nicht verteidigt werden.“ Zum Erdoğan-Regime äußerte er: „Kann man heute von Demokratie sprechen? Seit zehn Jahren wird das Land von einer Person regiert. Die Demokratie wurde aufgehoben. Die judikative Macht wurde an eine Person gebunden. Für die Macht haben die Wahlen keine Bedeutung mehr. Die Opposition kann nichts mehr machen.“

Für die Samstagsmütter sprach Jiyan Tosun. Ihr Vater ist in Haft „verschwunden“. Sie sagte, der Preis habe eine hohe Bedeutung, und bedankte sich bei der Ärztekammer. Sie erklärte: „Sevinç Özgüner ist, wie auch die in Haft Verschwundenen, Botschafterin der Hoffnung und des Friedens. Von Antigone bis heute kann niemand unseren Ruf nach Gerechtigkeit zum Schweigen bringen. Das wichtigste ist jetzt, die Hoffnung nicht zu verlieren. Das Gewissen wird siegen, wir werden siegen.“