Lösung der kurdischen Frage in Ankara gefordert
Eine internationale Delegation aus Europa hat vor dem türkischen Justizministerium in Ankara die Freilassung von Abdullah Öcalan und den Beginn konkreter Friedensgespräche für eine Lösung der kurdischen Frage gefordert. Die Politiker:innen, Gewerkschafterinnen und Journalistinnen aus Österreich, Italien, Portugal, Katalonien, Norwegen, Frankreich und Deutschland haben am Montag in Istanbul das Anwaltsteam von Öcalan im Rechtsbüro Asrin sowie die Juristenvereinigung ÖHD besucht und heute eine Petition im Justizministerium in Ankara eingereicht.
Die Delegation wurde von Politiker:innen der DEM-Partei begleitet. Die DEM-Abgeordnete Saliha Aydeniz sagte, dass die Gruppe aus Europa Abdullah Öcalan besuchen und mit dem Justizministerium über die rechtswidrige Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali sprechen möchte.
„Wir sind hier, um die DEM-Partei zu unterstützen und Solidarität mit dem kurdischen Volk zu zeigen. Wir glauben, dass es gerade jetzt wichtig ist, mit der türkischen Regierung zusammenzuarbeiten, um mögliche Strategien für einen konstruktiven Dialog zu erkunden. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Bedeutung der Stimme von Abdullah Öcalan in diesem Prozess hervorzuheben“, erklärte eine Sprecherin der Delegation.
„Rojava ist ein Leuchtfeuer der Hoffnung“
In der Erklärung der Gruppe wurde auch auf die aktuellen Entwicklungen in Syrien und die Gefahr für die kurdische Bevölkerung im Großraum Aleppo aufmerksam gemacht: „Die Region Aleppo befindet sich seit dem 26. November im Zentrum einer beispiellosen militärischen Eskalation, die das Leben Tausender Zivilpersonen gefährdet, insbesondere derjenigen, die der kurdischen Bevölkerung angehören. Die Lage ist äußerst angespannt und immer mehr gefährdete Zivilpersonen sind einer beispiellosen Belagerung und humanitären Krise ausgesetzt.“
Weiter hieß es in der Erklärung: „Die Rojava-Revolution war eine einzigartige Erfahrung von Selbstbestimmung, Menschenrechten und Widerstand gegen Unterdrückung. Die Revolution, die ihren Ursprung in den kurdischen Gebieten Nordsyriens hat, hat ein System aufgebaut, das die Gleichstellung der Geschlechter, direkte Demokratie und das friedliche Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen und Religionen fördert. In einem von Konflikten und Instabilität geprägten Kontext war Rojava ein Leuchtfeuer der Hoffnung und zeigte der Welt, dass es möglich ist, selbst unter schwierigsten Bedingungen eine integrative und gerechte Gesellschaft aufzubauen. Die Widerstandsfähigkeit der kurdischen Kräfte hat sich im Kampf gegen den Terror des Islamischen Staates als entscheidend erwiesen und zur Stabilisierung der Region beigetragen. Dennoch ist dieses Gesellschaftsmodell zehn Jahre nach dem historischen Widerstand von Kobanê, der der Ausbreitung des IS ein Ende setzte, derzeit bedroht, und zwar nicht nur durch die Vernichtung des kurdischen Volkes, sondern auch durch die Auslöschung der Werte von Freiheit und Demokratie, für die Rojava steht. Daher möchten wir einen eindringlichen Appell richten: Es muss schnell und entschlossen gehandelt werden, um die Gewalt zu stoppen und eine neue humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die Zukunft Syriens und insbesondere der dort lebenden Gemeinschaften ist ungewiss, aber Hoffnung liegt in der internationalen Solidarität und einer konkreten politischen und humanitären Reaktion, die die Sicherheit und Würde aller Völker der Region garantieren und den Weg für eine politische Lösung des syrischen Bürgerkriegs ebnen kann.“
„Öcalan kann einen entscheidenden Beitrag leisten“
Die Situation des kurdischen Volkes sei sowohl für die Türkei als auch für die internationale Gemeinschaft von Bedeutung, sagte die Sprecherin: „Wir sind der Meinung, dass Abdullah Öcalan einen entscheidenden Beitrag zur Förderung des Dialogs und des Verständnisses zwischen der türkischen Regierung und den kurdischen Gemeinschaften leistet. Abdullah Öcalans Bemühungen, insbesondere in den Jahren 2013 bis 2015, waren von großer Bedeutung, da er sich für eine friedliche Lösung durch einen sorgfältig ausgearbeiteten Fahrplan einsetzte. Dieser Ansatz wurde von allen positiv aufgenommen, die bereit waren, sich aktiv an diesem Friedensprozess zu beteiligen.“
Recht auf Hoffnung
„Die Verweigerung der unveräußerlichen Menschenrechte von Herrn Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali, wo er seit 25 Jahren in Isolation festgehalten wird, ignoriert die internationale und nationale Rechtsprechung. Am 18. März 2014 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die gegen Herrn Öcalan verhängte lebenslange Haftstrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung eine Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellt. Dieser Artikel der Konvention besagt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das Gericht entschied auch, dass seine Verurteilung zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit einer Bewährung sein Grundrecht auf Hoffnung verletze, was praktisch einem verlängerten Todesurteil gleichkomme. In seinem Urteil vom 19. September 2014 forderte das Ministerkomitee des Europarats die Türkei außerdem auf, den Entscheidungen des EGMR nachzukommen. Trotz all dieser Kritikpunkte und Urteile dauert die illegale Isolation von Herrn Abdullah Öcalan an.“
„Wir fordern die Freilassung von Abdullah Öcalan“
Wir sind hier, um die türkische Regierung an dieses wichtige Urteil des Völkerrechts zu erinnern und an ihr Rechtsempfinden und die Einhaltung der Grundprinzipien der Demokratie und der Menschenrechte zu appellieren. Daher fordern wir nachdrücklich die sofortige Freilassung von Herrn Öcalan und den Beginn konkreter Friedensgespräche und sind entschlossen, unsere Bemühungen in diese Richtung fortzusetzen, bis ein gerechtes Friedensabkommen für das kurdische Volk erreicht ist und Herr Öcalan endlich frei ist.“
Mitglieder der Delegation
Die Delegation besteht aus Walter Baier, Vorsitzender der Europäischen Linken aus Österreich; Francesca Ghirra und Matteo Massa, Mitglieder der italienischen Grünen Linksallianz; Eduardo Jorge Costa Pinto, Mitglied des portugiesischen Parlaments; Eulàlia Reguant Cura, Mitglied des katalanischen Parlaments; Blai Tabarner, Vorstandsmitglied der katalanischen CUP; Anne Kulseng Berg, Vorsitzende der Kurdischen Solidaritätsgruppe der norwegischen Roten Partei, den italienischen Gewerkschafterinnen Caterina Posterino und Francesca Baruffaldi, den Journalistinnen Benedetta Rossi und Daniela Galie, Raphaëlle Primet, Vorsitzende der Kommunistischen Fraktion im Stadtrat von Paris sowie den Linkspolitikern Jakob Migenda (Die Linke Hessen) und Yusuf Karaçelik aus Oberhausen.