GfbV: Bundesregierung blockiert humanitäre Hilfe für Nordsyrien

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert das Auswärtige Amt angesichts des von der Türkei unterstützten islamistischen Vormarsches auf, seine Blockadepolitik gegenüber humanitärer Hilfe für Nord- und Ostsyrien aufzugeben.

„Flüchtlinge brauchen dringend Unterstützung“

Angesichts des neu aufgeflammten Bürgerkriegs in Syrien und des Vormarsches der von der Türkei unterstützten Islamisten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) das Auswärtige Amt erneut aufgefordert, seine Blockadepolitik gegenüber humanitärer Hilfe für die von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD, en.: SDF) kontrollierten Gebiete im Norden und Nordosten Syriens aufzugeben.

Hunderttausende Menschen auf der Flucht

„Nach Angaben unserer Quellen vor Ort sind in der Region, die von der Autonomen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) kontrolliert wird, bereits 50.000 Flüchtlinge aus Aleppo und Afrin angekommen. Etwa 120.000 Personen sind aktuell noch auf der Flucht und müssen ebenfalls aufgenommen werden“, berichtete der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido heute in Göttingen. „All diese Menschen brauchen dringend Zelte, Nahrungsmittel, Medikamente und auch psychologische Betreuung. Viele mussten in den vergangenen Jahren immer wieder fliehen und alles zurücklassen, was sie hatten.“

Auswärtiges Amt will Erdoğan nicht verärgern

Das Auswärtige Amt blockiere seit Jahren jegliche humanitäre Hilfe für die Kurd:innen in Syrien, insbesondere für die von der AANES kontrollierten Gebiete, weil der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdoğan dies strikt ablehne, so die GfbV. „Beamte des Auswärtigen Amts vermeiden faktisch jede Handlung, jede Äußerung, die Erdoğan verärgern könnte. Auch führende Politiker der SPD, Grünen, FDP, aber auch der CDU/CSU folgen unkritisch den Vorgaben des Auswärtigen Amts“, kritisierte Sido.

Den Prinzipien des Völkerrechts verpflichtet“

„Es ist ein Skandal, dass das Auswärtige Amt Erdoğan unwidersprochen gewähren lässt. Das Ministerium ist den Prinzipien des Völkerrechts, der Menschenrechte und der Humanität verpflichtet“, so der Nahostreferent. „Meiner Einschätzung nach widerspricht das Verhalten des Auswärtigen Amts in Berlin der Meinung vieler Menschen in Deutschland. In Gesprächen höre ich immer wieder, dass sich Menschen mehr Solidarität und mehr Engagement für die notleidenden Kurden, Assyrer/Aramäer, Armenier, Christen, Drusen und Yeziden in Syrien wünschen.“

Kurdische Stadtteile in Aleppo bedroht

Die GfBV wies darauf hin, dass sich nach der „Eroberung Aleppos und umliegender Gebiete durch die von Erdoğan und dem internationalen sunnitischen Islamismus finanzierten, bewaffneten und unterstützten syrischen Islamisten“ immer noch Hunderttausende Kurd:innen und Angehörige anderer religiöser und ethnischer Minderheiten in Aleppo befinden, „vor allem in den Stadtteilen Sheikh Maksud und Al Aschrafia im Norden der Stadt. Das Auswärtige Amt in Berlin, aber auch die Bundesregierung sowie führende Politiker in Deutschland müssen dringend auf ihren NATO-Partner Erdoğan und die syrischen Islamisten, die zum Teil auch von Deutschland unterstützt werden, einwirken, ihre Angriffe auf die kurdischen Stadtteile in Aleppo, aber auch auf die Gebiete der AANES im Nordosten des Landes sofort einzustellen“, forderte die GfBV.

Sechs Millionen Menschen im Gebiet der AANES

„Neben den täglichen Angriffen der Türkei, vor allem mit Kampfdrohnen, könnte auch der ‚Islamische Staat‘ (IS), der noch viele Zellen in der syrischen Wüste hat, neue Angriffe auf das Gebiet der AANES starten“, warnte Sido. „Im Gebiet der AANES leben rund sechs Millionen Menschen verschiedener Ethnien und Religionsgemeinschaften. Das Gebiet der AANES wird auch von radikalen schiitischen Milizen bedroht, die vom Iran unterstützt werden.“

Foto © Auswärtiges Amt