Zypern: Protest gegen Auslieferung von Kenan Ayaz an Deutschland
Vor dem Obersten Gerichtshof von Zypern haben Aktivist:innen gegen die Entscheidung zur Auslieferung des kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz an Deutschland protestiert.
Vor dem Obersten Gerichtshof von Zypern haben Aktivist:innen gegen die Entscheidung zur Auslieferung des kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz an Deutschland protestiert.
Die Proteste gegen die drohende Auslieferung des kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz aus Zypern an Deutschland gehen weiter. Vor dem Obersten Gerichtshof in Nikosia versammelten sich Aktivist:innen, um gegen die Auslieferungsentscheidung zu protestieren. Das Gericht muss nach dem Widerspruch der Verteidigung gegen das Urteil eines zypriotischen Distriktsgerichtshofs über die Auslieferung von Ayaz entscheiden.
Die Teilnehmer:innen der Protestaktion entrollten Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Kenan Ayaz“ und „Zypern - Stopp die Auslieferung!“. Immer wieder skandierten die Menschen „Bijî Kurdistan" und forderten die sofortige Freilassung von Ayaz.
„Gleiche Haltung wie beim internationalen Komplott“
Die Aktivist:innen hielten einen Sit-In ab. Unterdessen erklärte Lezgin Serhat, dass die Entscheidung zur Auslieferung von Ayaz rein politisch sei: „Hinter diesem Auslieferungsersuchen steht nicht Deutschland, sondern der faschistische türkische Staat. Es zeigt sich erneut die gleiche Haltung, die zur Verschleppung und Auslieferung von Abdullah Öcalan geführt hat. Diese Entscheidung Zyperns wird tiefgehende Zerwürfnisse mit sich bringen. Sie muss sofort rückgängig gemacht und unser Freund muss freigelassen werden. Wir werden unseren Sitzstreik fortsetzen, bis Kenan Ayaz freigelassen wird."
„Wir zeigen uns selbst an“
Serhat fuhr fort: „Wir sagen dem Gericht, das beschlossen hat, Kenan Ayaz auf Antrag des faschistischen türkischen Staates an Deutschland auszuliefern, noch einmal, dass unser Freund Kenan kein Terrorist ist. Er hat nichts anderes getan, als einen gerechten Kampf, eine gerechte Sache, zu verteidigen. Sein Kampf ist auch unser Kampf. Wenn unser Freund ein Verbrechen begangen hat, erklären wir mit lauter Stimme, dass wir seine Komplizen bei diesem Verbrechen sind. Von hier aus erklären wir, dass wir uns selbst bei dem Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat, anzeigen. Als Kurdinnen und Kurden auf Zypern werden wir mit unseren Freundinnen und Freunden diese Selbstanzeige unterschreiben und sie dem Gericht vorlegen.“
Breite Proteste gegen Auslieferungsentscheidung
Parlamentarier:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Jugendorganisationen, anarchistische Gruppen, die linke Partei AKEL und die Grüne Partei sowie viele andere Institutionen und Persönlichkeiten protestieren gegen die Auslieferungsentscheidung gegen Kenan Ayaz mit Presseerklärungen und Beiträgen in den sozialen Medien.
Auf der Website von Sigma, der führenden zypriotischen Zeitung, erschien ein Artikel mit der Überschrift „Die heutige Schande wird uns noch jahrelang belasten“. In dem Artikel wird an die griechische Beteiligung an der Verschleppung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan erinnert. Weiter heißt es: „Wenn die Entscheidung des Bezirksgerichts Larnaka, den kurdischen Politiker Kenan Ayaz auszuliefern, tatsächlich vollstreckt wird, wird Zypern für das Leiden eines Intellektuellen und kurdischen Politikers in deutschen und türkischen Gefängnissen Mitverantwortung tragen.“
Auch Alekos Michailidis, der auf der Nachrichten-Website Philienews eine große Leserschaft hat, berichtet seit der Verhaftung von Kenan Ayaz fast täglich in seiner Kolumne über das Verfahren. Vor dem Gerichtsurteil schrieb Michailidis Artikel wie „Wer Widerstand leistet, hat immer das letzte Wort“, „Lasst ihn gehen oder verhaftet uns alle“, „Die Geschehnisse zwischen der PKK und der Türkei sind ein bewaffneter Konflikt, kein terroristischer Fall“, „Wann werden wir die PKK von der Liste der terroristischen Organisationen streichen?“, „Ein kurdischer Intellektueller in zypriotischen Gefängnissen“. Nach dem Urteil des Distriktgerichts schrieb er Artikel mit den Titeln „Die zypriotische Justiz kollaboriert mit türkisch-deutschen Menschenfressern“ und „Wie kann eine solche Demütigung legitimiert werden?“. Das kurdische Solidaritätskomitee Zyperns ruft alle Zypriot:innen zur Teilnahme an der Demonstration „Freiheit für Kenan Ayaz“ auf.
Worum geht es in dem Verfahren?
Ein lokales Gericht im Süden der Insel hatte am Mittwoch dem deutschen Auslieferungsantrag für Kenan Ayaz stattgegeben. Der 49-Jährige werde der deutschen Justiz überstellt, urteilte Michalis Papathanasiou, Richter am Bezirksgericht von Larnaka. Entgegen der Annahme der Verteidigung von Ayaz gehe das Gericht nicht davon aus, dass der Kurde von Deutschland an die Türkei ausgeliefert werden könnte.
Kenan Ayaz ist langjähriger Aktivist der kurdischen Bewegung und war in der Türkei aufgrund seiner politischen Identität für zwölf Jahre im Gefängnis. Seit 2013 lebt er im griechischen Teil von Zypern und ist anerkannter Flüchtling. Am 15. März wurde er am Flughafen von Larnaka festgenommen, als er zu einem Familienbesuch nach Schweden reisen wollte.
Die Festnahme von Ayaz erfolgte aufgrund eines deutschen Haftbefehls, der mit einer Anklage wegen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – begründet wurde. Sein Verteidiger monierte bei der Verhandlung, dass es sich dabei um Engagement für die Rechte des unterdrückten kurdischen Volkes gehandelt haben dürfte, und nannte mehrere Gründe, deretwegen eine Auslieferung nach zypriotischem Recht unzulässig und damit rechtswidrig sei. Absurd sei zudem, dass Ayaz für etwas in Auslieferungshaft komme, wofür er in Zypern politisches Asyl erhalten hat.
Ayaz selbst sprach von „unverwüstlichen Beziehungen“ zwischen Deutschland und dem faschistischen türkischen Staat und wies den Terrorismusvorwurf der deutschen Justiz zurück. „Das Ausspielen der Terror-Karte gehört zur Strategie, den Widerstand gegen die Unterdrückung und Diskriminierung von Kurdinnen und Kurden zu diskreditieren“, sagte Ayaz.