Worüber haben Macron und die Vertreter Nordsyriens gesprochen?
Rêdur Xelil, QSD-Verantwortlicher für auswärtige Angelegenheiten, hat gegenüber ANF Einzelheiten zu dem Gespräch mit Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron bekanntgegeben.
Rêdur Xelil, QSD-Verantwortlicher für auswärtige Angelegenheiten, hat gegenüber ANF Einzelheiten zu dem Gespräch mit Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron bekanntgegeben.
Am Donnerstag wurde vom französischen Staatspräsident Emmanuel Macron im Elysee-Palast in Paris eine Abordnung aus Nordsyrien und Rojava empfangen. Rêdur Xelil, QSD-Verantwortlicher für auswärtige Angelegenheiten, hat im Interview mit ANF Einzelheiten zu dem Gespräch bekanntgegeben.
Über welche Themen haben Sie mit Frankreichs Präsidenten Macron gesprochen?
Als Vertreter*innen der militärischen und politischen Kräfte Nordsyriens wurden wir vom französischen Präsidenten offiziell in den Elysee-Palast eingeladen. Bei diesem durchaus wichtigen Treffen sind sehr bedeutungsvolle Ergebnisse erzielt worden. Nordsyrien, insbesondere Efrîn, durchlebt eine besondere Phase. Dieses Thema stand ganz oben auf der Tagesordnung. Mit der Besatzung Efrîns durch den türkischen Staat und seine Banden haben wir uns intensiv beschäftigt. Wir sind die Frage angegangen, welche Bestrebungen hinter der Besatzung von Efrîn durch den türkischen Staat stecken, wer die Banden sind, die unter dem Namen „Freie Armee“ nach Efrîn gebracht wurden und was sie repräsentieren. Wir haben die Notwendigkeit internationaler Garantien für die Wiederherstellung Efrîns in den vorherigen Stand und für die Rückkehr der Bevölkerung besprochen. Auch die Hilfsgüter für die Bewohner*innen Efrîns, die gezwungen waren, Efrîn zu verlassen, waren ein Thema.
Welche Zusicherungen wurden gemacht?
Macron sicherte uns zu, dass Frankreich Efrîn bis zum Ende helfen werde. Macron wies darauf hin, dass Frankreich als Mitglied der internationalen Koalition sowie als wesentlicher Faktor in Europa bei dieser Angelegenheit Hilfe leisten werde. Es wurde betont, dass die Administration der Föderation Nordsyriens ein Beispiel für die Lösung der Probleme in Syrien sei. Darüber hinaus wurde man sich einig darüber, dass die vom türkischen Staat bedrohte Selbstverwaltung verteidigt werden muss. Von Minbic bis Qamişlo, von Amûdê bis Dêrik bis hin zur irakischen Grenze sind alle von den Demokratischen Kräften Syriens kontrollierten Gebiete vom türkischen Staat bedroht. Die Haltung des französischen Staatspräsidenten und im Allgemeinen seine offizielle Position besteht darin, die Region zu unterstützen, zu verteidigen und zu sichern. Um den Kampf gegen den Islamischen Staat zum Abschluss zu bringen, wurde eine Fortsetzung der militärischen Hilfe diskutiert. Im Allgemeinen standen diese Themen auf der Gesprächsagenda.
In der offiziellen Erklärung Ihrer Abordnung heißt es, dass der Schwerpunkt des einstündigen Gesprächs auf der Gewährleistung von humanitärer und medizinischer Hilfe und der Sicherheit von Efrîn lag. Zur gleichen Zeit ließ der Elysee-Palast verkünden, dass Frankreich Truppen nach Minbic entsenden werde. Welche Auswirkungen wird dieses Treffen aus militärischer Sicht haben?
Das ist richtig, dieses Thema wurde ebenfalls von beiden Seiten deutlich zur Sprache gebracht. Frankreich wird für die Verteidigung der Region militärische Unterstützung leisten. Dies gilt für Minbic und auch für die anderen Regionen. Was hat das zu bedeuten? Zunächst einmal wurde die Ankündigung des türkischen Staates‚ Minbic zu besetzen und Nordsyrien einzunehmen, zunichte gemacht. Mit diesen Drohungen soll die dortige Bevölkerung eingeschüchtert werden. Es ist nichts anderes als eine Erpressung. Dass der türkische Staat solch eine Initiative nicht ergreifen kann, wurde nun klar. Macron brachte dies sehr deutlich zur Sprache. Zweitens; das in Nordsyrien bestehende Verwaltungssystem bewegt sich in Richtung eines offiziellen Status. Zweifelsohne ist das eine große Veränderung für Nordsyrien. Nach sechs Jahren des Kampfes gegen die Terrororganisation Islamischer Staat und alle anderen Terrororganisationen werden auf offizieller, internationaler Ebene Erfolge erzielt. Aus diesem Grund hat das Gespräch in einer Phase wie dieser positive Ergebnisse erbracht.
Wie wird sich diese offene Unterstützung Frankreichs auf andere Mächte auswirken, insbesondere auf die USA und Russland?
Frankreich wird ihnen die Verantwortung übertragen, ihre Pflichten zu erfüllen. Die Regionen, die wir als YPG, YPJ und QSD befreit haben, wurden mit Unterstützung der internationalen Koalition befreit. Die internationale Koalition befindet sich nun in einer Phase, in der sie diese befreiten Gebiete schützen muss. Das ist vor allem ihre moralische Verantwortung. Ich denke auch, dass (die Unterstützung Frankreichs) Russlands Drohungen beeinflussen wird. Russland ist in dieser Phase deutlich zu weit gegangen. Dem türkischen Staat ist im Gegenzug für bestimmte Gebiete in Ost-Ghouta die Erlaubnis für einen Angriff auf Efrîn erteilt worden. Diese Situation nun wird der Politik Russlands, des syrischen Regimes und des Irans Grenzen setzen. Nicht nur die USA, sondern alle an der internationalen Koalition beteiligten Kräfte werden für die Unterstützung und Hilfe Nordsyriens verantwortlich sein.
Ihre Abordnung besteht aus Vertreter*innen aller Teile der syrischen Gesellschaft. Kann man sagen, dass Frankreich nun offiziell die Föderation Nordsyriens empfangen hat?
Zweifellos ist die Abordnung offiziell empfangen worden. Es wurde hervorgehoben, dass die Probleme, die in Syrien bestehen, nur mit einem Projekt und der Administration wie der Föderation Nordsyriens gelöst werden können. Ein Gespräch mit einer Abordnung bestehend aus Vertreter*innen der militärischen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen zeigt, dass Frankreichs Regierung offiziell bereit und offen für Beziehungen mit der Föderation ist.
Welche Botschaft an die Türkei resultiert aus dem Gespräch?
Der türkische Staat behauptet, seine Grenzen gegen eine Terrororganisation zu verteidigen. Ich denke, es ist eine klare Antwort. Die Behauptung des türkischen Staates ist ein Fass ohne Boden. Die Region wird von einer Administration verwaltet, die aus allen gesellschaftlichen Teilen der Region besteht. Diese Verwaltung kämpft gegen den Terror. Der türkische Staat sollte sich von nun zurückhalten.
Wie bewerten Sie den Widerstand in Nordsyrien, den diplomatischen Einsatz und die Aktivitäten der Kurd*innen im Ausland?
Syrien durchlebt seit sieben Jahren eine Phase der Gewalt. Das Land war der Intervention von Staaten aus der Region als auch internationaler Staaten ausgesetzt. Für das syrische Volk ergab sich dadurch eine sehr tragische Situation. Die Regionen, die sich vor Chaos und den Konflikten schützen können, sind die Gebiete, die unter der Kontrolle der Demokratischen Kräfte Syriens und der Föderation Nordsyriens stehen. Dies beweist, dass die angewandte Politik von Anfang an richtig und erfolgreich war. Eine Fläche, die über 50 Prozent Syriens ausmacht, wurde zerstört. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde in die Flucht getrieben. Unser Gebiet konnte Schutz gewährleisten und als Vorbild für andere Regionen dienen. Natürlich war das nicht einfach. Der militärische Kampf hat hauptsächlich dadurch Früchte getragen, dass die Bevölkerung die Idee des Widerstandes aufgegriffen hat. Es sind die Folgen des Kampfes unseres Volkes.